Dinslaken. Julian Hoffmann hat schon Glocken für Kirchen in Norwegen und Malta entworfen. Er würde gern das zerstörte Glockenspiel neu gießen – vor Ort.
Als feststand, dass das Dinslakener Glockenspiel an der Neustraße zerstört wurde, postete Julian Johannes Hoffmann eine Art Traueranzeige auf seiner Facebookseite: Glockenspiel Stammenhaus Dinslaken – 1959-2020. Ein kleines Gedenken“ stand da auf schwarzem Untergrund. Der 32-Jährige war dem Glockenspiel noch inniger verbunden, als viele andere Dinslakener: Denn er ist nicht nur damit aufgewachsen – er beherrscht selbst das uralte Handwerk des Glockengießens. Seine Firma „Ars Campana“ – „Kunst der Glocke“ – ist auf Glockenwartung sowie Entwurfs- und Gießereidienste spezialisiert.
Fertigung in Italien
Derzeit gibt Julian Hoffmann noch die Karl-Leisner-Straße als Firmenadresse an. Ein normales Wohnhaus. Aber eine große Glocke im Garten verrät die Leidenschaft des Hausherrn. Die Stahlglocke aus dem Jahr 1958 hat zehn Jahre auf einem Dinslakener Schrottplatz gelegen, der Händler hatte Skrupel, sie wegzuwerfen. Wo sie zuvor gehangen hat, ist nicht bekannt. Aber Julian Hoffmann hat ihr eine neue Heimat gegeben – und einen Anstrich gegen Rost. Er sucht nach einer kleinen, bezahlbaren Halle, in der er Glocken fertigen kann. Die wenigen noch bestehenden Glockengießereien „geben das Handwerk meist an die Kinder weiter“, bedauert Hoffmann.
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Gemeinsam mit einem Kollegen in Nord-Italien gießt er derzeit Glocken. In der „Fonderia Allanconi“ wurden zum Beispiel die Glocken gegossen, die der Dinslakener für Kirche im norwegischen Aurdal, für Gemeinden in Malta oder in der Schweiz entworfen hat. Denn es gebe durchaus Gemeinden, die neue Glocken wollen oder alte ersetzen.
Auspacken ist wie Elfmeterschießen
Der Entwurf, das Glockenprofil zu berechnen und auf die Schablone zu zeichnen sei die eigentlich „große Kunst des Glockengießens“, sagt er. Der Guss wird danach noch so vollzogen wie seit 800 Jahren, so der 32-Jährige: im Lehmguss-Verfahren. Auf den Kern aus Ziegelsteinen wird Lehm aufgetragen und die Form abgestrichen.
Das Ergebnis entspricht der inneren Form der Glocke. Darauf kommt die sogenannte „falsche Glocke“ mit der Zier in Wachs, darauf der Mantel. Für den Guss wird der Mantel abgenommen und die „falsche Glocke“ zerschlagen. Der Hohlraum ist die Gussform für die echte Glocke. „Der Glockenguss ist ein spannender Moment. Aber noch spannender ist der Moment des Auspackens“, erzählt Julian Hoffmann: „Das ist wie Elfmeterschießen.“
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Durchmesser und Wandstärke machen den Ton der Glocke aus. Im Nachhinein kann man noch ein wenig nachkorrigieren, erzählt Julian Hoffmann. Dafür wird die Glocke innen ausgedreht. „Das hat man auch mit der Glocke der Christuskirche gemacht“, weiß er. Denn diese läutet seit der Entwidmung der Kirche im Jahr 2007 im Glockenturm von St. Vincentius. Überhaupt: die Christuskirche. Hier verliebte sich Julian Hoffmann in Glocken. Er ist quasi daneben aufgewachsen, war Messdiener, später Kirchenmusiker.
Gusshütte auf dem Altmarkt
Bis er eine Halle gefunden hat, könnte sich Julian Hoffmann auch den „Guss vor Ort“ vorstellen – „in einer kleinen Grube oder Hütte auf dem Altmarkt“ etwa.
Damit würde er eine Tradition in Dinslaken aufleben lassen. Denn früher stand auf dem Altmarkt eine Gusshütte: Dort wurden zwei Glocken der Vincentius-Kirche – „Vincentius“ und „Maria“ – gegossen. Die Glockengießer waren die Brüder Petit – sie waren hier auf der Durchreise und sind die Vorfahren der Glockenmanufaktur „Petit & Gebr. Edelbrock“ in Gescher, die auch das Glockenspiel am Stammen-Haus gefertigt hat.
Der Traum des 32-Jährigen wäre, das Dinslakener Glockenspiel selbst neu zu gießen. Das Glockenspiel sei zwar „technisch nicht mehr das Allerbeste“ gewesen, meint er: „Aber es war Dinslaken.“
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Julian Hoffmann hat als Andenken an das zerstörte Glockenspiel noch einmal ein Video davon auf Youtube veröffentlicht. Wer es noch einmal hören möchte, klickt hier.
Infos zu Ars Campana gibt es hier.