Dinslaken/Voerde. Zum 1. Juli sinkt für ein halbes Jahr der Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 und von sieben auf fünf Prozent. Händler sprechen von viel Aufwand.

Um auch den Bürger zu entlasten und die Konjunktur neu anzukurbeln, senkt die Große Koalition zum 1. Juli für ein halbes Jahr den Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 und von sieben auf fünf Prozent.

Die NRZ hat beim Einzelhandelsverband Niederrhein und bei Händlern in Dinslaken und Voerde nachgefragt, wie sie diese Senkung finden und was das für sie selbst und auch für ihre Kunden bedeutet.

Einzelhandelsverband Niederrhein befürchtet enormen Aufwand

Doris Lewitzky vom Einzelhandelsverband Niederrhein befürchtet einen enormen Aufwand für den Einzelhandel – vor allem, wenn das Kassensystem nicht bereits auf elektronischer Basis läuft und eine Rabattierung über die Kasse so leicht möglich ist. Ob die Konjunktur damit wirklich angekurbelt wird, vermag sie nicht einzuschätzen. Das käme auf das Sortiment an. Außerdem sei die Kauflaune der Menschen derzeit noch verhalten. Selbst große Rabatte würden daran nicht viel ändern.

Die Kunden hielten sich mit Käufen zurück, ein paar „Seeleneinkäufe“, damit würden sich Teile des Einzelhandels über Wasser halten. „Die Prioritäten der Menschen haben sich während der Corona-Krise verändert, viele haben gesehen, dass sie auch mit weniger auskommen“, so Lewitzky. Und ob der Kunde wirklich so viel mehr Geld in der Börse behält, wagt sie zu bezweifeln. „Aber das wird die Zeit letztendlich bringen, das Ergebnis liegt erst in einem halben Jahr vor“, sagt die Fachfrau. Größere Ersparnisse ließen sich vor allem bei Großkäufen erzielen.

Einzelhändler wollen Mehrwertsteuer-Senkung eins zu eins an ihre Kunden weitergeben

Ähnlich sehen das auch viele Einzelhändler, die allerdings trotz einiger Probleme die Mehrwertsteuer-Senkung eins zu eins an ihre Kunden weitergeben wollen. Annette Mayer vom gleichnamigen Modegeschäft an der Neustraße in Dinslaken hat bereits die Änderungen an ihrer elektronischen Kasse in Auftrag gegeben. „Wir geben natürlich die Prozente an unsere Kunden weiter. Ob es was bringt, bleibt abzuwarten.“

Auch Sven Bartz vom Haus des Kindes tüftelt noch an der Handhabung der Rabattierung. „Eine Auszeichnung aller 50.000 Artikel, die wir führen, kommt für uns nicht infrage. Der Aufwand wäre für ein halbes Jahr zu aufwändig“, berichtet er. Also würden die Prozente an der Kasse abgerechnet. Dies sei mit Kosten verbunden. Ob sich also der ganze Aufwand für den Einzelhandel lohnt, wagt der Juniorchef zu bezweifeln. „Das hätte man vielleicht besser über die Lohn- und Einkommenssteuer regeln können oder über Einkaufsgutscheine, wie anfangs mal angedacht“, sagt er. Bei vielen Artikeln spreche man schließlich nur von wenigen Cent.

Auch Fahrradhändler Marc Nellessen hat so seine Zweifel. In seinem Geschäft werden die Artikel nicht ausgezeichnet, die Prozente lediglich über die Kasse abgerechnet. Dafür müsse er aber ein neues Buchungssystem aufziehen lassen. „Das kostet mal eben 600 Euro“, sagt er. Doch klagen will er nicht, gerade seine Branche hätte seit der Öffnung von der Krise profitiert. Die Menschen würden in diesem Jahr weniger in den Urlaub fahren, sich dafür lieber ein Zweirad zulegen. Obwohl sie gerade bei einem Kauf eines guten Rades sparen könnten, hat bislang noch niemand den Radkauf auf den ersten Juli verschoben. Einen Sinn sieht er nicht in der Senkung der Mehrwertsteuer, zumindest nicht für das halbe Jahr. Auch er hätte sich Kaufgutscheine für alle gewünscht. „Oder nichts, denn die Schulden, die jetzt gemacht werden, müssen eines Tages beglichen werden. Das trifft dann wieder uns alle“, sagt er.

Der Autokauf lohnt sich

Beim Autokauf lohnt es sich für den Kunden, ebenso bei einer Reparatur, da ist sich Karl-Heins Elspass vom gleichnamigen Autohaus sicher. Das neue Kassenprogramm wird ab 1. Juli laufen und die Senkung gelte auf alle Fahrzeuge, auf Reparaturen, beim Leasing, ja selbst bei Angebotspreisen, bei denen man halt noch etwas sparen könne. Lediglich Gebrauchtwagen sind ausgeschlossen. Es gebe schon einzelne Kunden, die ihr neues Auto jetzt bestellten, aber erst zum 1. Juli zahlen wollten. „Aber das sind wirklich nur wenige und es macht auch kein Problem“, so Elspass.

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Die Senkung der Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr stelle ein großes Problem für den Einzelhandel dar, ist aus dem Baumarkt Stewes zu hören. Auch hier werden die Prozente über die Kasse weitergegeben, eine Warenauszeichnung wäre zu zeitraubend. Dennoch sieht man hier systemtechnische Probleme. Auch steuerrechtlich sei einiges noch ungeklärt. Was ist zum Beispiel mit Waren, die vor dem 1. Juli gekauft wurden, aber erst nach dem 1. Juli zurückgegeben werden. Wie rechnet man da? Fragen, die man im Bauzentrum noch klären will. Aber man sei sicher, für alles eine gute Lösung zu finden. Auch wolle man nicht klagen, Baumärkte seien nicht zuletzt Gewinner der Krise gewesen.

15.000 Artikel müssen neu ausgezeichnet werden

Drei Tage vor dem 1. Juli werden Andre Stepper und sein Team jede einzelne Etikette über dem Warenangebot den neuen Preisen anpassen. Und das sind nicht gerade wenige in seinen Edeka-Märkten in Friedrichsfeld und Spellen. „Das sind wir einfach unseren Kunden schuldig“, findet der Einzelhändler. „Wir wollen so transparent wie möglich sein, das ist der richtige Weg, denn gerade im Lebensmittelbereich achten unsere Kunden darauf.“

Vor allem ältere Kunden orientierten sich vielfach an den ausgezeichneten Preisen. Drei bis vier Tage kalkuliert er ein für die Auszeichnungen der 15.000 Artikel. Er verspricht, dass zum 1. Juli alles perfekt sein werde. Immerhin herrsche gerade im Lebensmittelsektor ein gnadenloser Preiskampf, ihm gehe es bei der Transparenz allerdings weniger darum, als für seine Kunden den einfachsten Weg zu finden. Und der sei gefunden, meint Stepper. Die Arbeit, die auf ihn und sein Team zukomme sei nicht wenig, aber der richtige Schritt.