Dinslaken. Die Burghofbühne probt wieder: Mit neuen Kooperationen: Jugendarbeit einmal anders mit einem Stück über Ausgrenzung, Rassismus und Freundschaft.
Bei der Burghofbühne wird wieder geprobt. Unter strengen Auflagen und mit Gesichtsvisieren, die wohl auch künftig bis auf weiteres bei Vorstellungen getragen werden müssen. Aber immerhin: Es geht weiter. Und am Samstag waren unter freien Himmel im Innenhof des Tenterhofs sogar Zuschauer dort zugelassen, wo sonst ausschließlich im Verborgenen gearbeitet wird: Die Darsteller Marie Förster, Dennis Wilkesmann und Marco Pickart-Alvaro trafen sich mit Regisseurin Nadja Blank zur ersten Leseprobe für das Jugendstück „Dschabber“ des kanadischen Autoren Marcus Yousseff.
Erstmalig lasen sie den Text in ihren verteilten Rollen, bevor es im Anschluss daran an eine erste szenische Probe ging. Und dies alles unter den Augen von „Paten“: elf Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren, die, im Mindestabstand von einander entfernt, erlebten, wie ein Stück entsteht.
Ein Stück über die Freundschaft zweier Jugendlicher
Offen und bürgernah zeigte sich die Burghofbühne unter dem Team von Intendant Mirko Schombert von Beginn an. Aber für „Dschabber“ ist man in der theaterpädagogischen Arbeit noch einen Schritt weitergegangen. Die Produktion wird in einer neuen Kooperation von der ersten Leseprobe an bis zu späteren Aufführungen an Schulen mit Workshops von zwei freischaffenden politischen Bildnern begleitet und von der Landeszentrale für politische Bildung gefördert.
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Denn das Stück über die Freundschaft zweier Jugendlicher, die beide an ihrer Schule aufgrund ihrer Herkunft Außenseiter sind, steht vor einem besonderen Hintergrund: Während Jonas’ auffälliges Verhalten auf eine traumatisierende häusliche Situation zurückzuführen ist, wird die intelligente, schlagfertige und selbstbewusste Fatima nur wegen eines einzigen Grundes ausgegrenzt. Sie stammt aus einer religiösen Familie und trägt den Hidschab, die Kopfbedeckung der Muslimas.
Fakten werden geliefert
Dies ist der Ansatzpunkt für die die politischen Bildner Sabine Schreck und Yasim Sarikaya in ihrer Arbeit mit den Jugendlichen, aber auch für einen Workshop mit dem Theaterteam selbst. Denn das sich Jugendliche nicht als „Standard-normal“ fühlen, ist normal, die Frage, ob sie es seien, wollte am Samstag niemand bejahen.
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Ein ganz anderes Thema aber sind Ressentiments gegen ganze Gruppen von Menschen, Rassismus, Diskriminierung oder, wie im Stück thematisiert, Anti-Islamismus. Sabine Schreck und Yasim Sarikaya liefern Fakten, klären auf. In Deutschland bekennen sich 5,5 Prozent der Menschen zum Islam. 40 Prozent von ihnen bezeichneten sich selbst als hoch religiös, elf Prozent als wenig religiös. Doch nur 28 Prozent der Muslimas tragen ein Kopftuch, selbst unter denen, die sich als hoch religiös bekannten, läge der Anteil bei 50 Prozent. Sarikaya: „Und die Religion ist nur ein Aspekt des Lebens, ein Teil einer Person.“.
Und sie schicken die Jugendlichen selbst in Rollenspiele, die zur Selbst-Reflektion anregen: „Unser Ziel ist es, dass die Jugendlichen nach den Workshops mehr Fragen haben als vorher.“
Bilder in den Köpfen
Worum es geht ist die Sensibilisierung dafür, dass ein Mensch nicht auf einen einzigen Aspekt seiner Person reduziert werden kann und damit Pauschalisierungen per se verzerrt und damit falsch sind. Um diesen Prozess in Gang zu setzen, muss man sich allerdings erst einmal bewusst machen, welche Bilder in den Köpfen sind und wie sie dort hineinkamen.
So projizierten in einem Rollenspiel am Samstag die Jugendlichen das Bild, von dem sie glauben, das es die deutsche Gesellschaft gegen über Muslimen hat, auf ein Mädchen aus ihrem Kreis, das vorher nicht über den Inhalt dieser Übung informiert wurde. Im Anschluss benannte sie das Gefühl, was ihr die anderen vermittelt haben, ohne dass sie den Grund dafür kannte: Ausgrenzung, Ablehnung. „Dabei sagten die Jugendlichen von sich, dass sie selbst nicht so denken, wie sie glauben, dass es die Gesellschaft tue“, betonte Sarikaya im Anschluss. Es ist das Bild eines Bildes von einem Bild, das immer weiter tradiert wird.
Gute, aber auch scheiternde Kommunikation
Und dies führt wieder mitten ins Stück. Was Nadja Blank als Regisseurin besonders herausarbeiten möchte, wird die Kommunikation der Protagonisten sein: gute Kommunikation, aber eben auch scheiternde Kommunikation, die jegliches Aufbrechen vorgefasster Bilder verhindert. Ein Grundproblem, für das sich das Theater übrigens auch selbst hinterfragt: Die Schauspieler treten immer wieder aus ihren Rollen, erklären dem Publikum, dass sie die Charaktere nur darstellen, die Szenen nur entwerfen: „Wir möchten nicht so anmaßend sein, etwas glauben machen zu wollen, was nicht so ist.“