Dinslaken. Anwohner des Averbruchs fühlen sich benachteiligt und sammeln Unterschriften. Bei der Stadt melden sich derweil schon Dutzende Interessenten.

Zuerst die Deponie, dann das Holzheizkraftwerk, nun ein neues Wohngebiet zwischen Südstraße und Emscher – Anwohner des Averbruchs fühlen sich benachteiligt und gehen auf die Barrikaden. Dunja Schwartmann hat eine Unterschriften-Aktion gegen das Bauvorhaben initiiert.

Das ist der Hintergrund

Dinslaken hat im vergangenen Jahr das Handlungskonzept Wohnen 2030 aufgestellt. Danach fehlen im Stadtgebiet bis 2030 insgesamt 1.850 neue Wohneinheiten. Deswegen sollen bis 2030 rund 63 Hektar neue Wohnbauflächen im Stadtgebiet erschlossen werden, 1212 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern und 652 in Ein- und Zweifamilienhäusern entstehen. Die Stadt hat dafür zwölf sogenannte Potenzialfächen im gesamten Stadtgebiet ausgemacht. Eine davon befindet sich an der Südstraße. Nun sollen der entsprechende Flächennutzungsplan und Bebauungsplan aufgestellt werden.

Zwischen Emscher und Südstraße sollen Häuser entstehen.
Zwischen Emscher und Südstraße sollen Häuser entstehen. © FFS | Hanna Lohmann

Das ist an der Südstraße geplant

Danach sollen auf dem 1,8 Hektar großen Grundstück zwischen Südstraße, Emscher und Leitgraben 36 bis 40 Wohneinheiten in maximal zweigeschossigen Ein- und Zweifamilien- und Mehrfamilienhäusern errichtet werden. Die Geschosshöhe kann im Lauf der Verfahrens punktuell noch ändern, auch steht die Anzahl der Wohneinheiten pro Haus nicht fest: „Auch ein „Einfamilienhaus“ mit Einliegerwohnung ist z.B. ein Mehrfamilienhaus“, so Stadtsprecher Marcel Sturm: „Wie der Plan realisiert wird, entscheidet sich erst im Rahmen der Parzellierung und Vermarktung der Grundstücke sowie des Bauinteresses.“

Das bedeutet „öffentlich gefördert“

Dabei soll es sich um „öffentlich geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau“ handeln. Was das bedeutet? Nach dem Baulandbeschluss sollen bei größeren Flächenentwicklungen für Wohnungsneubau 30 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert sein, erklärt Stadtsprecher Marcel Sturm. Das gelte grundsätzlich auch für die Südstraße. Öffentlich geförderter Wohnungsbau bedeutet: Sozialer Wohnungsbau für Haushalte, die auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt keine Chance haben. Die maximale Miete für sozial geförderte Wohnungen (mit Wohnberechtigungsschein) liegt in Dinslaken bei 5,80 Euro pro Quadratmeter.

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Das bedeutet „preisgedämpft“

Weil das Grundstück Eigentum der Stadt ist kann sie die künftige Bebauung an Auflagen knüpfen, so Marcel Sturm – wie eben die, „preisgedämpften Wohnraum“ zu schaffen. „Die genauere Definition von preisgedämpften Wohnraum im Rahmen dieses Vorhabens muss noch geleistet werden,“ so der Stadtsprecher. Generell richte sich dieses Angebot aber vor allem an Haushalte mit einem mittleren Einkommen, die man oft mit dem Schlagwort „NormalverdienerInnen“ bezeichne – „ die keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, am freien Wohnungsmarkt aber schlechte Chancen haben“, so Sturm. So solle die immer größer werdende Lücke geschlossen werden, die auch in Dinslaken zwischen dem geförderten und dem frei finanzierten Wohnungsbau entstehe. Denn Baugrund ist in Dinslaken knapp, die Preise steigen mit der Nachfrage. Diese Entwicklung, so sagte Dominik Erbelding, Geschäftsführer der Dinslakener Flächenentwicklungsgesellschaft, im Rahmen des NRZ-Bürgerbarometers, belastet nicht nur finanziell schwächere Familien, sondern auch zunehmend mittlere Einkommensgruppen. „Und damit letztlich immer breitere Bevölkerungsteile und Haushalte.“

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Und die weiteren Potenzialflächen?

Die Stadt selbst besitzt so gut wie keine eigenen Entwicklungsflächen für Wohnen, so Marcel Sturm – mit Ausnahme des Trabrennbahnareals, wo ein Dialogprozess zur Entwicklung läuft.

Für Investoren hingegen lohnt der soziale Wohnungsbau kaum: Die Herstellungskosten unterscheiden sich kaum von den Herstellungskosten normaler Wohnungen, Kredite sind auf dem Markt fast ebenso günstig wie Förderdarlehen. Um auch auf Flächen, die nicht in städtischem Besitz sind, den benötigten bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können, erwirbt die Stadt im Rahmen des „kooperativen Baulandmodells“ jeweils ein Drittel der Fläche vom privaten Eigentümer, bevor ein Bauleitplanverfahren eingeleitet wird. „Durch den anteiligen Erwerb soll Einfluss auf den Wohnungsmarkt genommen und sichergestellt werden, eben auch bei nicht-städtischen Flächen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen,“ so Marcel Sturm – also: öffentlich-geförderten sowie preisgedämpften Wohnraum

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Auf welchen der weiteren Potenzialflächen welche Form von Wohnraum zu welchem Anteil entstehen soll, stehe noch nicht fest. Die Stadt sei „grundsätzlich“ auch in Gesprächen mit den Eigentümern potenzieller Wohnbauflächen aus dem Handlungskonzept, so Marcel Sturm. Diese seien aber vertraulich. Die Öffentlichkeit werde mit der Aufstellung eines Bauleitplans informiert und beteiligt.

So geht es weiter

Genau das ärgert Dunja Schwartmann (47) und ihre Mitstreiter, dass sie von einem solchen Bauvorhaben in ihrer Nachbarschaft über die Zeitung erfahren mussten. Sie fühlen sich von der Stadt wie auch schon beim Holzheizkraftwerk „überrumpelt“. Der Stadtteil solle „mit der Bebauung komplett der Vermarktung geopfert werden“, heißt es in dem Protestschreiben. „Die dreckige Luft wird hier ‘gebündelt’ und den Anwohnern werden die letzten Erholungs- und Grünflächen genommen.“

Es drohe noch mehr Verkehr – die Straße werde ohnehin von Rasern als Abkürzung zur Autobahn genutzt, darüber klagen die Anwohner seit Jahren. Die städtischen Tempokontrollen hätten ausgerechnet in den Sommerferien stattgefunden, so Dunja Schwartmann. Es blieben keine Erholungs- und Grünflächen für Kinder oder Hunde. Wer nicht direkt am Baugebiet aber im weiteren Verlauf der Südstraße wohnt, fürchtet, dass der Lkw-Verkehr zur Baustelle die vor wenigen Jahren sanierte (und mitbezahlte) Straße ruiniert – abgesehen vom zu erwartenden Lärm. Die Bürger wollen dem Bürgermeister möglichst viele Unterschriften übergeben. Denn: „Es gibt noch andere Stadtteile mit Bebauungsmöglichkeiten.“

Bei der Stadt habe sich schon Interessenten gemeldet

Bei der Stadt haben sich derweil schon mehrere Dutzend Bürger gemeldet, die am Erwerb eines Grundstückes in dem Bereich interessiert sind, so Sturm: „Aktuell können wir aber noch nichts anbieten, auch keine telefonische Reservierung.“ Eine Vermarktung beginne erst nach Ende des Planverfahrens, in dem sich auch die betroffenen Anlieger einbringen können – „sicherlich nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre“, so Sturm.