Dinslaken. Bei seinem Auftritt im Autokino wusste der Kabarettist das Gute der Vergangenheit und die modernen Errungenschaften wie Whatsapp zu kombinieren.
René Steinberg hat zwar Spreizfinger vom gleichzeitigen Drücken der Play- und Record-Taste am Radiokassettenrekorder und gehört damit eindeutig zu den Menschen „mit analogem Migrationshintergrund“, aber das bedeutet nicht, dass er in ein lamentierendes „Früher war alles besser“ verfällt.
Im Gegenteil: Steinberg weiß das Gute der Vergangenheit, sprich das eigentlich nostalgische und nun wieder topaktuelle Autokino und die modernen, hass-geliebten Errungenschaften wie Whatsapp zu kombinieren. Schließlich ist nichts Selbstzweck, es kommt darauf an, was man mit Technik macht.
„Freuwillige“ beglücken
Steinbergs Ziel am Dienstag war es, „Freuwillige“ auch in der Coronakrise mit Humor zu beglücken. Dass er dafür im Autokino in Dinslaken keineswegs mit Autos sprach, wie er es zu Beginn vermutete, war der Erfindung des Smartphones zu verdanken. Den ganzen Abend über ließ er das Publikum in den Pkw per Whatsapp Kommentare senden, Fragen beantworten und Bilder von ihren Snacks posten. Er selbst antwortete auf der UKW-Frequenz.
Dieses Spielchen funktionierte so gut, dass nicht nur die Zuschauer selbst auf diese Weise eigene Gags liefern konnten, Kabarettist und Publikum spielten sogar gemeinsam einem Besucher, der mal raus musste, einen Streich. Schließlich ist man im Autokino von der Kommunikation abgeschnitten, sobald man den eigenen Wagen und damit den Radioempfang verlässt.
Deutlich „mehr Sichtfläche“ als sonst
„Was sind das für Zeiten – das kann man gar nicht erfinden“ (Steinbergs Lieblingsspruch) galt nicht nur für die umgedrehte Regel, in der Kleinkunst das Handy zu nutzen und nicht auszuschalten, damit der Künstler sich freut. Diese Zeiten liefern Schlagzeilen wie „Zoos geöffnet – Schlange vor Baumarkt“ und lassen Rentner „born to be wild“ auf E-Bikes durch die Wälder rasen. Sie lassen Menschen, die wie Steinberg in der Öffentlichkeit stehen, unfrisiert und: Sie machen dick.
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Der Mülheimer bot am Dienstag, wie er selber sagte, deutlich „mehr Sichtfläche“ als sonst. Und damit meinte er nicht seine Projektion auf die riesige Kinoleinwand hinter ihm. Prompt kam eine Karikatur über Corona-Pfunde per Whatsapp an und Steinberg improvisierte spruchreif auf der Bühne: „Wenn schon nicht rausgehen, dann wenigstens auseinandergehen.“
Rainer Calmund macht es in Steinbergs Parodie „Schmaus am See“ umgekehrt. Mit seinen Stimmimitationen im Radio ist Steinberg bekannt geworden, sie durften natürlich auch auf der Lichtburg-Frequenz nicht fehlen. Die „Tatort“-Folge als „Friedhof der Nuscheltiere“ mit Til Schweiger, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg ist legendär. Es sind halt die Unzulänglichkeiten und das Nicht-Perfekte, die für Vergnügen sorgen, weil sie menschlich sind. Egal ob Auf „Schalke 04“ oder war’s 05? Oder 07? Oder beim Blick auf die Uhr um 09:63. Das geht zwar zu weit, ist aber nicht schlimm im Gegensatz dazu – und da wird auch ein René Steinberg ernst –, was derzeit im Weißen Haus passiert.
Erfahrungen im Lockdown
„Fichtelgebirge doch“ verbessert die Autokorrektur den aufs Handy getippten Fluch, Steinberg seufzt und rät zu mehr Gelassenheit. Statt zu meckern lässt er sein Publikum, das nach eigenem Bekunden teilweise Strecken von 250 Metern zurückgelegt hat, um mit dem Auto ins Autokino zu kommen, erzählen, was es in den Wochen des Lockdown an positiven Erfahrungen gemacht hat. Eine fehlte da jedoch noch in der Aufzählung während des ersten Drittels des Programms: die positive Erfahrung des interaktiven Kabaretts im Autokino.