Voerde. Wegen der Coronapandemie fallen reihenweise Sargträger aus. Der „Überführungs Service Niederrhein“ aus Voerde musste schon Bestattungen absagen.
Als Präsident und Sitzungspräsident des MGV Spellen ist Peter Anton Becker oft in fröhlicher Mission unterwegs. Jetzt aber postete er einen ernsten Hilferuf auf Facebook. „Es ist kaum noch jemand bereit, die Toten unter die Erde zu bringen, egal, woran sie verstorben sind“, schrieb er.
Die Coronapandemie hat den ohnehin bestehenden Mangel an Sargträgern noch verstärkt. Peter Anton Becker ist Sargträger beim Überführungs Service Niederrhein (ÜSN). Von ehemals drei Teams ist der Voerder Firma aktuell nur eins geblieben. Es mussten schon Bestattungen abgesagt werden.
Früher haben Nachbarn oder Verwandte die Toten begleitet
Früher haben Verwandte, Nachbarn oder Vereinsmitglieder die Verstorbenen auf ihrem letzten Weg getragen. Als das nicht mehr üblich war, stellten die Bestatter Sargträger ein. Doch auch die sind seit geraumer Zeit schwer zu finden – auch ohne Corona. Immer mehr Bestatter greifen daher auf externe Teams zurück – wie den Sargträger-Service des Überführungs Service Niederrhein. Die Firma begleitet Bestattungen in ganz NRW.
Doch die Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus hat auch hier die Reihen gelichtet. Die Firma hat einige ihrer Sargträger zur Sicherheit nach Hause geschickt, andere haben selbst um eine Pause gebeten. Viele Sargträger gehören zur Risikogruppe, haben eine Krankengeschichte. „Das sind ja meist rüstige Rentner“, erklärt Patrick Jöhren, mit Michael Keunecke Inhaber der Firma. Der Überführungs Service hat deswegen schon Trägerschaften bei Beerdigungen abgelehnt.
Mindestabstand von eineinhalb Metern - „das geht beim Sargtragen nicht“
„Einen Mindestabstand von eineinhalb Metern einzuhalten, das geht beim Sargtragen einfach nicht,“ erläutert Patrick Jöhren. Um für die Angestellten die höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten, hat die Firma Hygienepläne erarbeitet. So wurde im Gebäude im Gewerbegebiet Grenzstraße eine Hygieneschleuse eingerichtet. Die Sargträger bekommen ein Hygienepaket mit, auf der Fahrt zum Friedhof tragen sie FFP3-Atemschutzmasken.
Hygiene-Team ist im Dauereinsatz
Der Wagen wird nach jeder Fahrt komplett desinfiziert, vom Lenkrad über den Gurt bis zu den Griffen. Ebenso Mäntel, Hüte und Handschuhe der Sargträger, Schlüssel, Papiere – alles wird nach jedem Gebrauch desinfiziert und jeder Vorgang schriftlich festgehalten.
Das erledigt der Hygiene Service der Firma – obwohl das vierköpfige Team, das sonst Tatorte und Unfallstellen reinigt, derzeit auch außer Haus alle Hände voll zu tun hat: Firmen bitten um die Desinfektion von Büros, etwa wenn sich dort Coronainfizierte aufgehalten haben.
„Wir betreiben da einen riesigen Aufwand“, sagt Jöhren und ist froh, dass sich noch kein Mitarbeiter angesteckt hat – „obwohl wir sehr nah in Kontakt mit Coronafällen sind.“
Hightechfolie aus der Raumfahrt für infizierte Verstorbene
Die Firma überführt Verstorbene innerhalb Deutschlands und international. Auch an den Folgen einer Coronainfektion Verstorbene und Verdachtsfälle waren dabei. Die Sicherheitsvorgaben für den Umgang mit möglicherweise infizierten Toten sind sehr hoch. Der Voerder Firma genügen sie nicht.
Bei jedem Verdachtsfall ist der Mitarbeiter der Firma „im Vollschutz“, so Patrick Jöhren. Neben Schutzanzug, Brille und FFP3-Maske gehören dazu auch drei Paar Handschuhe übereinander. „Wenn wir eine Verkehrsfläche angefasst haben, können wir das erste Paar Handschuhe ausziehen.“
Die Verstorbenen kommen nicht nur in die vorgeschriebenen desinfizierten Unfallsäcke. Die ÜSN-Mitarbeiter schweißen sie zusätzlich in „Bio Seal“-Folie ein. Das luftdicht versiegelte Material aus der Raumfahrt kam etwa beim Tsunami zum Einsatz. Auch diese Umhüllung wird nochmals desinfiziert, bevor der Verstorbene in den Sarg kommt, der dann ebenfalls desinfiziert wird.
Jöhren legt eine der auf Zwei-Meter-Maß zugeschnittenen Alu-Folien auf eine Metalltrage – jedes dieser Stücke kostet bis zu 130 Euro: „Der Aufwand ist deutlich größer. Aber wir wollen die Ansteckungsgefahr minimieren.“
Sargträger: Höhere Ansteckungsgefahr beim Einkaufen
Am Wochenende ist das Sargträger-Team des Überführungs Service wieder bei mehreren Bestattungen im Einsatz. Peter Anton Becker ist dabei. Für ihn ist das eine Selbstverständlichkeit. Der 65-Jährige hat sich immer „viel mit dem Tod und dem Sterben beschäftigt“, wie er sagt, er ist auch Trauer- und Sterbebegleiter. Und „die Ansteckungsgefahr bei einer Beerdigung ist geringer als bei einem Einkauf im Supermarkt.“