An Rhein und Ruhr. In Deutschland gibt es immer weniger Sargträger. Ein Besuch in Mülheim zeigt, warum es so schwierig ist, Mitarbeiter dafür zu finden.

Die Zahl der Sargträger in Deutschland wird immer knapper. Es herrsche kein so akuter Notstand, dass Erdbestattungen verschoben werden müssten, aber die Personalengpässe seien spürbar, sagte der Geschäftsführer des Bestatterverbands NRW, Christian Jäger, der Deutschen Presse-Agentur.

Häufig seien die Träger im Seniorenalter und verdienten sich etwas zur Rente hinzu. Die „sehr ehrenvolle und sinnstiftende Tätigkeit“ stehe grundsätzlich allen offen. Manche Bestatter schauten sich auch an den Hochschulen nach Studenten für den Nebenjob um.

Bestatter fehlen – Senioren verdienen sich etwas dazu

Bestattungsunternehmen verfügen in der Regel nicht über eigene Teams von Sargträgern, da sich das finanziell nicht rechne. Ein Grund: Urnenbeisetzungen haben laut Bundesverband Deutscher Bestatter stark zugenommen, auf inzwischen nahezu 70 Prozent. In dem Fall trage die Urne oft der Pfarrer oder ein Angehöriger.

Ein Beispiel aus Mülheim zeigt, wie ernst die Situation ist.

Heinz Angenendt wirkt ein wenig bedrückt. Seine Knochen wollen nicht mehr so, wie er will. Er ahnt, dass er diesen Job, der ihm so viel Freude bereitet, womöglich bald aufgeben muss. Das würde nicht nur ihn treffen, sondern auch Bestatterin Mirjam Helmus-Fohrmann. Denn die Mülheimerin sucht händeringend Sargträger – und ist damit nicht allein.

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Wesel, Essen, Mülheim, Oberhausen, Düsseldorf – wohin man auch blickt: Den Bestattern gehen die Sargträger aus. Dabei, sagt Leo Zydeck, erhalte er durch diesen Job ein „gutes Taschengeld“. Der ehemalige Bergmann ist schon seit vielen Jahren Sargträger beim Mülheimer Bestattungsunternehmen Fohrmann. Was er sonst machen solle – als Rentner? Heinz Angenendt nickt. „Es macht Spaß zu arbeiten“, sagt er. Spaß? „Wir haben eine professionelle Distanz“, sagt Angenendt, der seit 17 Jahren Sargträger ist.

Die Distanz zu halten, das gelingt aber nicht in allen Fällen. So manche Beerdigung bleibe doch bei ihm hängen. Wenn er zum Beispiel Kinder zu Grabe tragen muss, setzt er sich häufig danach in einen Park. „Wir sind ja alle keine Klötze“, sagt Mirjam Helmus-Fohrmann. Der „Spaß“ bezieht sich eher auf die Rahmenbedingungen der Arbeit. „Ich bin unter Menschen und an der frischen Luft“, sagt Leo Zydeck. „Unter Tage war es damals schlimmer, da war es so heiß...“ In Gorleben hat er zwei Schächte gebaut.

Sargträger treffen sich einmal im Monat zum Stammtisch

Heinz Angenendt ist so etwas wie der der Chef von der Sargträger-Truppe, er telefoniert und teilt die Kolonne ein, wenn sie gebraucht wird. „Es ist schön, wenn die Truppe zusammen ist.“ Sogar einen Sargträger-Stammtisch gibt es einmal im Monat. Über eines spricht man an diesem Abend aber nicht: Beerdigungen. Seit 17 Jahren macht der 77-jährige Mülheimer den Job. Wie lange er noch dabei sein kann, weiß er nicht. „Wenn es irgendwie geht, lassen wir dich nicht weg“, sagt Mirjam Helmus-Fohrmann.

Leo Zydeck arbeitet gern als Sargträger. Immer öfter trägt er auch Urnen.
Leo Zydeck arbeitet gern als Sargträger. Immer öfter trägt er auch Urnen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das würde die eh schon angespannte Situation zusätzlich verschärfen. Derzeit kann das Bestattungsunternehmen auf acht bis neun Sargträger zurückgreifen. Für einen Sarg braucht es aber schon acht Träger: Sechs, die den Sarg zu Grabe lassen, und ein bis zwei Personen, die die Kränze tragen. Findet zeitgleich eine weitere Bestattung auf einem anderen Friedhof statt, kann das Bestattungsunternehmen keine Sargträger mehr stellen. In dem Fall greift es auf andere Sargträger in der Umgebung oder gleich auf Trägergesellschaften zurück.

Eine solche hat Annemarie Kellmann in den 90er Jahren in Essen ins Leben gerufen. Sie hat einen Sargträgerpool von 27 Mitarbeitern. „Wir hatten auch schon mal 40“, sagt sie. Auch sie könnte noch durchaus Verstärkung gebrauchen. In Essen gebe es rund zwölf Bestatter, die alle oftmals zeitgleich Beerdigungen durchführen würden – vor allem mittwochs und freitags vormittags. Dann ist es schwer, genügend Personal zu stellen.

Früher gab es das Geld bar auf die Hand

Warum aber finden sich so wenige, die diesen Job machen möchten? Annemarie Kellmann, Carl Salm, Vorsitzender des Bestatterverbandes im Bezirk Düsseldorf, und der Weseler Bestatter Michael Keunecke haben eine Erklärung: Früher hätten die Sargträger das Geld bar auf die Hand bekommen. Heute ist es ein 450-Euro-Job, von dem man aber nie wisse, ob auch tatsächlich 450 Euro zusammenkämen, meint Heinz Angenendt.

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Es gebe Tage, an denen findet keine Bestattung statt, an anderen Tagen sei dafür umso mehr los. Eine Gewissheit also gibt es nicht. „Viele wollen ein festes Gehalt bekommen“, weiß auch Michael Keunecke. Heinz Angenendt rechnet vor: Für eine Beerdigung bekommt er rund 25 Euro, kommt ein Gottesdienst dazu, sind es 35 Euro. Auf 450 Euro komme Leo Zydeck so gut wie nie. Wenn es gut laufe, habe er rund zehn Einsätze pro Monat.

Zudem müssen Sargträger eine gewisse Grundfitness beweisen, ein Sarg mit Verstorbenem kann locker mehr als 100 Kilo wiegen. Außerdem müsse man gut zu Fuß sein, einen Führerschein haben und einen Anzug samt Schuhwerk besitzen. Und: Man muss mit dem Thema Tod umgehen können. „Viele Ehefrauen wollen das nicht, weil der Tod ein Tabuthema ist“, weiß Heinz Angenendt. Wer körperlich nicht so fit ist, steht in der Mitte, auf den Trägern am Kopf- und Fußende lastet das meiste Gewicht.

Urnen sind entsprechend leichter. Der Trend zur Urnenbestattung habe im Übrigen auch dazu beigetragen, dass sich weniger Sargträger finden, ergänzt Michael Keunecke. Will heißen: Die Arbeit lohnt sich finanziell dann seltener.

Grabversenkungsmaschine ersetzen Sargträger - aber nur zum Teil

Von rund zwei Stunden Arbeit bestehe eine Stunde aus Warten, erläutert Mirjam Helmus-Fohrmann. Die Sargträger helfen auch bei den Vorbereitungen in der Trauerhalle, stellen Blumendekoration und Kerzenleuchter auf und verteilen Liedzettel. Nach der Trauerfeier ziehen die Träger den Sarg zum Grab, heben ihn von dem Bahrwagen auf Bohlen. Der entscheidende und wichtigste Moment tritt ein, wenn die Bohlen unter dem Sarg weggezogen werden und das Gewicht auf den Seilen und in den Händen der Träger lastet. Dafür braucht es Erfahrung. „Die professionellen Träger wissen um diesen Moment“, sagt Mirjam Helmus-Fohrmann. Deswegen gestattet sie Angehörigen zwar auf Wunsch, den Sarg zum Grab zu tragen, nicht aber, ihn ins Grab einzulassen.

Mirjam Helmus-Fohrmann im Trauersaal von „Fohrmann Bestattungen“ in Mülheim an der Ruhr. Sie und viele andere Bestattungsunternehmen suchen dringend Sargträger.
Mirjam Helmus-Fohrmann im Trauersaal von „Fohrmann Bestattungen“ in Mülheim an der Ruhr. Sie und viele andere Bestattungsunternehmen suchen dringend Sargträger. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Einige Bestatter, erläutert sie, nutzen inzwischen eine Grabversenkungsmaschine dafür. Der Auf- und Abbau sei allerdings ebenfalls mit einem gewissen Aufwand verbunden. Für ihr traditionelles Familienunternehmen komme der Einsatz einer solchen Maschine derzeit nicht infrage. Und: Zum Grab gebracht werden muss der Sarg trotzdem. Das erledigt keine Maschine.

Um Mitarbeiter zu finden, hat sie bereits Stellenanzeigen in der Zeitung aufgegeben. Die Ausbeute war mager. Ein paar Interessenten gab es zwar, sie sagten dann aber doch ab. Andere seien nicht geeignet gewesen, ein Bewerber will sich noch entscheiden. „Wir sind offen für alles“, sagt Mirjam Helmus-Fohrmann. „Wir würden auch Frauen nehmen.“ Sie selbst habe auch schon mal mit angepackt. Sie sucht derzeit fünf bis sechs Träger, die das Team verstärken. (mit dpa)