Dinslaken. Sind Senioren allesamt Klimasünder? Ruth Wendt (92) und Maya Weyland von der Grünen Jugend über Unterschiede zwischen den Generationen.
Die umgedichtete Liedzeile „Meine Oma ist `ne alte Umweltsau“, eingesungen vom WDR-Kinderchor, löste Ende 2019 eine Welle der Empörung aus. Lediglich Satire, erklärte der Sender später. Aber was ist dran an dem Vorwurf, dass der älteren Generation der Umweltschutz egal sei? Sind Senioren tatsächlich allesamt Klimasünder? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir uns im Rahmen des NRZ-Bürgerbarometers mit der 92-jährigen Ruth Wendt und Maya Weyland von der Dinslakener Grünen Jugend getroffen.
„Als ich noch jung war, damals in den 30er Jahren, da hat man sich ums Thema Klimawandel überhaupt nicht gekümmert“, sagt Wendt. Erst ein halbes Jahrhundert später habe sich in der Bevölkerung nach und nach ein Bewusstsein für den Umweltschutz entwickelt. „Die wissenschaftliche Erkenntnis für viele Dinge kam lange nach meiner Kindheit.“ Ihre Lehrerin habe der Schulklasse zwar beigebracht, nicht durchs Kornfeld zu laufen – das sei es aber in Sachen Naturschutz an erzieherischen Maßnahmen auch schon gewesen.
Ruth Wendt: „Den ersten Fernseher gab’s bei uns 1960“
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Was allerdings nicht bedeute, dass die Menschen damals umweltschädlicher gelebt hätten. Im Gegenteil: Lange Wege wurden zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt, statt Plastik und Einwegtüten gab es Körbe und Stoffbeutel, die Kleidung wurde nicht online bestellt, sondern selbst genäht, statt weiter Flüge über mehrere Kontinente gab es Campingurlaub in der Natur und an stromfressende Elektrogeräte war ohnehin nicht zu denken. „Mein Vater hatte schon vor meiner Geburt ein Radio – das war was ganz Exklusives“, erzählt die 92-Jährige. „Den ersten Fernseher gab‘s bei uns 1960.“
Ganz ohne Klimasünden kam Wendts Familie in ihrer Kindheit aber dann doch nicht aus. „Fast alle in unserer Nachbarschaft hatten Kachelöfen“, so die Rentnerin. Bereits früh morgens sei die Kohle angefeuert worden. „Das war sehr schädlich, auch wenn natürlich nicht alle Räume geheizt wurden.“ Vor allem aber aufgrund der Industrie gab es im Ruhrgebiet bis in die 80er Jahre Probleme mit verdreckter Luft – bis hin zu Smog-Alarm und Fahrverboten. „Als ich in Meiderich gelebt habe, musste man jede Woche die Fenster putzen. Die waren schwarz“, erinnert sich Wendt. „Die Kraftwerke hatten damals noch keine Filter“, erklärt Weyland.
Einige Senioren wollen einfach ihre Ruhe haben
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Und wie umweltbewusst lebt die ältere Generation heute? „Viele Ältere lassen zum Beispiel den Motor laufen, um ihr Auto aufzuheizen“, kritisiert die 18-Jährige. Auch Wendt geht mit den Senioren hart ins Gericht. „Einige Leute verdrängen das Thema Umweltschutz. Die denken sich: ‚Ach, ich liege doch sowieso bald in der Kiste‘“. Jüngere Dinslakener seien aber ebenfalls nicht frei von jeder Kritik. Wendt denke da beispielsweise an Eltern, die den Nachwuchs Tag für Tag zur Schule fahren. „Die würden ihre Kinder ja am liebsten noch mit dem Auto in die Klasse bringen.“
Zudem gebe es nur noch makelloses Obst und Gemüse zu kaufen, weil die Konsumenten so wählerisch geworden seien, bemängelt Wendt. „Wir haben früher nichts weggeworfen. Falls Milch sauer wurde, haben wir sie auf die Fensterbank gestellt und Dickmilch daraus gemacht.“ Wenn sie heutzutage ihre Tochter besuche und im Obstkorb liegen Bananen, die etwas braun sind, würden die Enkel sie nicht mehr anrühren. „Das sind dann meine.“ Auch beim Thema Shopping würde die ältere Generation noch häufig vor Ort einkaufen, lobt Weyland. „Die Jugendlichen bestellen hingegen vieles im Internet.“
Fridays for Future stößt viele Ältere ab
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Obwohl Wendt es prinzipiell gutheiße, dass die Jugendlichen den Senioren in Klima- und Umweltfragen Druck machen, habe sie für „Fridays for Future“ kein Verständnis. „Das stößt viele Alte ab. Es ist doch Unterrichtsstoff da, der gelernt werden muss.“ Auch die zwischenzeitliche Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf zwölf Jahre sei ein Fehler gewesen. „Die Schüler können auch samstags demonstrieren“, fordert die 92-Jährige. „Damit machen wir aber auf uns aufmerksam“, erklärt Weyland. Dank der Protestaktionen hätten die Teilnehmer schon einiges in der Politik bewegen können. Das sei mit Demonstrationen am Wochenende nicht möglich gewesen.
Senioren und Jugendliche müssten aber auch gar nicht in allen Punkten einer Meinung sein, so Wendt. „Wichtig ist nur, dass man über alles reden kann.“ Gegenseitige Schuldzuweisungen würden an der Klimakrise nichts ändern. „Es gebe glaube ich schon eine hitzige Debatte, wenn Ältere und Jüngere sich mal zusammensetzen würden“, sagt die Rentnerin. Interessant wäre es aber allemal.