Voerde. Trotz Windes und Dauerregens fanden sich zum Karnevalszug etwa 7000 Besucher ein. Vom Wetter ließen sie sich die Laune nicht vermiesen.
Kurz nach zehn am Sonntagmorgen: Am Bahnhof in Voerde hält ein Zug voller Narren – und die jecken, vor allem jungen, Fahrgäste nehmen Kurs Richtung Innenstadt, nachdem die Polizei einige Meter weiter Taschen und Rucksäcke auf verbotene Glasflaschen untersucht hat. Es regnet in Strömen und der Wind weht kräftig. Manch Kopfschmuck kapituliert bereits, bevor das karnevalistische Treiben auf den Straßen überhaupt begonnen hat.
Gut eineinhalb Stunden zuvor haben die Stadt, der Veranstalter, der 1. Voerder Karnevalsverein (VKV), sowie Sicherheitskräfte von Polizei und Feuerwehr entschieden, dass der Tulpensonntagszug trotz der schwierigen Wetterlage stattfinden soll – aufgrund des Windes und mit Blick auf den Baumbewuchs an der Strecke allerdings in etwas veränderter Form: Der Startschuss fällt eine knappe halbe Stunde früher, der Weg wird verkürzt, der Zugbeginn ist nicht an der Allee, sondern auf der Bahnhofstraße, etwa in Höhe der Beginenstraße.
Vom vielen Regen und vom Wind lassen sich die Närrinnen und Narren ihre Feierlaune nicht verhageln – sei es auf den bunten Wagen, bei den mitlaufenden Fußgruppen oder am Wegesrand. Das Motto lautet offenbar: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung. Viele haben sich aufs Nass von oben vorbereitet. Der Regenponcho über dem Kostüm ist eine viel gesehene textile Lösung an diesem Sonntagvormittag. Auch Regenschirme sind unzählig am Zugrand im Einsatz – der Wind bringt der Schutzschild allerdings so manches Mal an seine Grenzen. Hier und da werden das Stehen und Weiterlaufen schwierig, weil der Regen auf der Straße riesige, tiefe Pfützen hinterlassen hat.
Begehrter Unterschlupf
Was soll’s: Da wird sich warm geschunkelt und getanzt. Die Fußgruppe der SV 08/29 Friedrichsfeld bringt die Zuschauer – ob Jung oder Alt – mit einer kleinen Bewegungseinlage in Schwung. Auch die örtliche Tanzschule Rautenberg ist mit von der Partie und lässt „die Puppen tanzen“. Sie hat sich einen ganz besonderen Wetterschutz ausgedacht: Die Teilnehmer stecken als Ken und Barbie noch in ihren pinken Verpackungen. Besonders begehrt dürften in diesen Stunden die Orte sein, die draußen doch ein wenig Unterschlupf vor dem Regen bieten. Entsprechend voll ist es unter den Überdachungen, die sich an einigen Ladenhäusern befinden. Glück haben auch die, deren Karnevalswagen über eine schützende Konstruktion verfügen – wie etwa der des VKV-Elferrates, des Männerballetts Spellen mit dem Stadtprinzenpaar Leandra I. und René I. an Bord oder der Wagen der Dinslakener Pinguine.
Doch längst nicht alle fahren „oben mit“ durch Voerde. Die KAB St. Paulus ist wieder kollektiv radelnd ohne Dach da. Keinen Schutz bietet der Wagen des Vereins „Gänseblümchen“. Und auch Bürgermeister Dirk Haarmann und seine Mitreisenden – darunter der erste stellvertretende Bürgermeister Bert Mölleken (CDU) und der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Uwe Goemann – müssen auf dem Gefährt der Senatoren den Regen völlig ungeschützt über sich ergehen lassen.
Dagegen helfen, richtig, Ponchos, gute Laune und Kamelle-&Co.-Werfen. Letzteres bereitet auch Dirk Haarmanns Amtskollegen aus der Nachbarstadt sichtlich Freude: Auf dem Wagen der KG „We sind wer dor“ bringt Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger gewünschten Segen von oben unters Narrenvolk.
Kamelle, Popcorn, Schokolade, Pralinen und noch viel mehr haben die Teilnehmer des närrischen Lindwurms geladen, die später so manch vollen Beutel füllen. Die Zuggruppe „Land schafft Verbindung“ hat Alternatives im Gepäck: Äpfel und Möhren. Mehrere Botschaften liefert sie obendrein: „Wer von der Natur leben will, muss für die Natur leben! Wir Landwirte machen das seit Generationen!!!“, ist auf dem Plakat zu lesen, das an einem Anhänger angebracht ist. „Achtung! Hier fahren Arbeitsplätze. Noch“ und „No Farmers. No Food. No Future“ (Keine Landwirte, keine Nahrung, keine Zukunft) steht vorne auf dem Trecker, der den Wagen des Hiesfelder Carnevals-Clubs (HCC) zieht.
Dafür, dass sich Petrus an diesem Tag als Antikarnevalist zeigt, ist es bemerkenswert voll am Straßenrand. Nach Polizeiangaben feiern etwa 7000 Närrinnen und Narren. Vor allem auch wieder an der Friedrichsfelder Straße im Bereich des Parkdecks, aber auch im ersten Teil der Bahnhofstraße bilden sich größere Trauben von Zuschauern. Groß und Klein jubeln den Teilnehmern des Tulpensonntagszuges – insgesamt mehr als 40 Einheiten – zu. Die hartgesottenen Jecken aus Voerde und Umgebung lassen sich doch von so was nicht schrecken...
>>Info: Zug verlief weitgehend friedlich
Aus polizeilicher Sicht hatte das schlechte Wetter am Tulpensonntag auch Vorteile: Der Voerder Karnevalszug verlief weitgehend friedlich, so die Kreispolizei. Die Polizei musste eine Strafanzeige wegen Widerstandes, zwei Strafanzeigen wegen Körperverletzung und drei Strafanzeigen wegen Beleidigung aufnehmen. Bei zwei Randalierern mussten Platzverweise ausgesprochen werden und zwei weitere Personen wurden in Gewahrsam genommen. „Die Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen hat auch in diesem Jahr wieder gut funktioniert, auch wenn uns das Wetter fast einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Wir sind froh, dass der Tulpensonntagszug in Voerde so reibungslos verlaufen ist!“, lobt Polizeidirektor Wolfgang Tühl.