Voerde. Die NRZ hörte sich auf dem Wochenmarkt um, was Voerder vom Appell der Stadt halten, an Silvester besser keine Raketen und Knaller zu entzünden.
Die Nacht des Jahreswechsels steht vor der Tür und zum ersten Mal hat die Stadt in Richtung Bürgerschaft den Appell geschickt, freiwillig auf das Böllern zu verzichten oder es zumindest einzuschränken, um so ihren ganz individuellen Beitrag zur Vermeidung von Feinstaub zu leisten, der beim Abfeuern von Raketen & Co. entsteht. Am ersten Tag des neuen Jahres ist die Konzentration mit diesem gesundheitsschädlichen und luftverschmutzenden Stoff nach Angaben des Umweltbundesamtes vielerorts so hoch „wie sonst im ganzen Jahr nicht“. Wie sehen Bürgerinnen und Bürger den Aufruf aus dem Rathaus? Die NRZ hat sich zwischen den Jahren auf dem Wochenmarkt in Voerde umgehört. Auf ausgesprochene Pyro-Fans, die alle Hinweise zur Vermeidung von Lärm, Luftverschmutzung und Müll einfach in den Wind schlagen, trifft sie an jenem Freitagmorgen nicht. Nur auf bloße Begeisterung aber stößt es auch nicht, dass sich die Stadt in der Frage des privaten Silvesterfeuerwerks positioniert hat.
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Gregor Lange findet, dass an solchen alten Traditionen nicht gerüttelt werden sollte. Er könnte sich vorstellen, dass es am Ende zu einem Verbot kommen wird. Gregor Lange hielte es aus Umweltgesichtspunkten für viel sinnvoller, das Augenmerk vermehrter auf den Verkehr und die Schifffahrt zu legen. Der Voerder empfindet schon allein den Aufruf zum Verzicht auf Böller als „Bevormundung“. Die Stadt möge doch auf die Vernunft der Menschen setzen, findet Gregor Lange. Er und seine Frau Edeltraud zünden schon seit vielen, vielen Jahren kein Feuerwerk mehr an Silvester. Sie hätten keinen Spaß daran – auch angesichts der möglichen Verletzungsgefahr.
Ein Argument gegen Böllerei: Geld lässt sich besser verwenden
Auch Gerlinde Nowitzki hätte keine Freude dabei. Überhaupt wird ihrer Ansicht nach in der Silvesternacht im wahrsten Sinne des Wortes „viel Getöse um nichts“ gemacht. „Den Jahreswechsel muss man nicht mit Böllern feiern.“ Das Geld, das dafür ausgegeben wird, lasse sich besser verwenden, sagt sie und erinnert an die Aktion „Brot statt Böller“, bei der anlässlich des Jahreswechsels das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ zu Spenden aufruft. Dass sich die Stadt mit einem Böllerverzicht-Aufruf zu dem Thema Silvesterfeuerwerk positioniert hat, findet sie positiv.
Michael Vorwerk sieht das genauso – aus Umweltgesichtspunkten und weil er das Zünden von Raketen und Knallern für Geldverschwendung hält. Am liebsten würde er, wie er sagt, das Ganze boykottieren. Der Familie zuliebe, die gerne zuschaut, legt Michael Vorwerk doch Hand an die kleine Packung mit Silvesterfeuerwerk, die gekauft wird. Nicht nur er äußert an diesem Morgen auf dem Wochenmarkt im Gespräch mit der NRZ die Idee einer zentralen Veranstaltung in der Stadt als Ersatz. Statt eines Feuerwerks bringt Rita Zwiers eine Lasershow als Variante zur Sprache.
Feier zum Jahreswechsel in großer Runde und mit einer Box Feuerwerksartikel
Sie ist zwiegespalten, was das Thema angeht. Aus Gründen des Umweltschutzes sei der Brauch eher kritisch zu betrachten, doch einmal im Jahr und „nicht übertrieben“ findet sie es „okay“. Rita Zwiers und ihre Tochter Giulia feiern den Jahreswechsel in großer Runde, mit 30 Leuten. Und da wird eine Box mit Feuerwerksartikeln verbraucht, um das alte Jahr zu verabschieden, das neue zu beginnen und „die bösen Geister zu verscheuchen“, berichtet Rita Zwiers schmunzelnd. Den Aufruf der Stadt, an Silvester auf Böller zu verzichten, findet ihre Tochter Giulia gut. Das bringe die Leute zum Nachdenken, glaubt sie.
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Jennifer Payenberg-Bleuel muss gar nicht erst überzeugt werden. Die junge Mutter und ihr Mann interessieren sich gar nicht fürs Feuerwerkentzünden – das sei auch schon so gewesen, als die Kinder noch nicht da waren. Das eine ist zwei Jahre alt, das andere sieben Monate. Wenn die beiden größer sind, käme vielleicht ein Partytischfeuerwerk in Frage, überlegt Jennifer Payenberg-Bleuel. Sie unterstützt den Vorstoß der Stadt und argumentiert insbesondere mit den Gefahren. Zudem führt sie den Müll an, den die Kommune danach häufig genug wegräumen müsse, was für diese auch mit finanziellem Aufwand verbunden sei.
Nicht sehr viel abgewinnen können auch zwei ältere Damen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, dem Spektakel in der Nacht des Jahreswechsels. „Da wird soviel Dreck durch die Luft geschleudert“, meint die eine. Und: „Dafür ist das Geld zu schade.“ Die andere spricht von der zweiten Seite der Medaille: „Da kann man geteilter Meinung sein, schließlich hängen auch Arbeitsplätze daran.“ Statt Geld für Böller auszugeben, spende sie lieber für das Friedensdorf.
Info: Stadt Voerde möchte das Thema ins Bewusstsein rücken
Ende Oktober forderte die Deutsche Umwelthilfe für bundesweit 98 Städte, in denen eine hohe Feinstaubbelastung gemessen wurde, ein generelles Böllerverbot. Auch Wesel gehörte dazu. Im Zuge der Debatte erreichte die Stadt Voerde eine Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes NRW. Der kommunale Spitzenverband spricht sich gegen ein pauschales Nein zu Silvesterfeuerwerken aus und konstatiert, dass es darauf ankomme, die Bevölkerung zu überzeugen und für einen verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerkskörpern zu werben. Dazu könnten gerade Städte und Gemeinden beitragen.
Zwar gehörte Voerde nicht zu den Kommunen, die von der Umwelthilfe zu einem Böllerverbot aufgefordert wurden – die Stadt wollte sich aber proaktiv zu dem Thema positionieren, erklärt Bürgermeister Dirk Haarmann den Aufruf: „Das Einzige, was wir machen wollen und können, ist, einen Appell zu formulieren. Es geht darum, das Thema in das Bewusstsein zu rücken.“
Mit Wunderkerze vor die Tür
Dass es nicht falsch sei, darüber öffentlich zu diskutieren, zeige ja der jetzt zunehmende Verzicht des Einzelhandels, überhaupt Böller anzubieten. „Ich kann jeden verstehen, der weiterhin sagt, ,das gehört für mich zur Tradition, ich zünde die Raketen’. Aber wenn es Leute gibt, die das nicht mehr machen, ist das auch gut. Und nichts anderes wollten wir zum Ausdruck bringen“, erklärt Haarmann, der das „Geknalle“ selbst nicht mag. Seine Familie kaufe seit vielen Jahren kein Silvesterfeuerwerk mehr. „Wir nehmen uns eine Wunderkerze und stellen uns nach draußen.“