Dinslaken. Der Bedarf nach Schwimmkursen wird seit Jahren nicht gedeckt: Beim Schwimmclub Dinslaken warten 100 Kinder bis zu 18 Monate, bei der Stadt 280.
Wenn Eltern ihr Kind für die Kita anmelden, sollen sie sich auch gleich um einen Schwimmkurs bemühen. Diesen Ratschlag gibt Norbert Bruckermann, Sprecher des Schwimmclubs Dinslaken (SCD) und meint das ganz ernst. Die Wartezeiten für einen Schwimmkurs liegen beim SCD derzeit bei eineinhalb Jahren. Die DLRG führt erst gar keine Wartelisten. Und die Förder-Schwimmkurse der Stadt sind ebenfalls mehr als ausgebucht: 370 Anmeldungen gab es auf die 90 Plätze in den Herbstferien.
Das ist das Problem
Dass viele Kinder in Dinslaken nicht schwimmen können, hat die Stadt Dinslaken bereits 2010 erkannt. Damals konnten allein an der Grundschule Lohberg 190 Kinder nicht schwimmen, an der Gartenschule 125, an der Jeanette Wolff-Realschule lag die Nichtschwimmerquote bei 50 Prozent. 2014 konnten von 545 Viertklässlern nur noch 50 nicht schwimmen: 9,17 Prozent. An manchen Schulen war die Quote der Nichtschwimmer unter den Viertklässlern aber weiterhin hoch: 34 Prozent an der Gartenschule, 16 Prozent an der GGS Lohberg, 13 Prozent an der Klaraschule.
Das wird dagegen unternommen
Die Stadt beendete 2014 die aufwändige Erhebung der Statistik – weswegen keine aktuellen Zahlen vorliegen – und richtete Förderkurse in den Herbst- und Osterferien ein. Kosten für die Stadt: 3500 bis 4000 Euro pro Ferien, das Land schießt jährlich 1500 bis 2000 Euro zu.
Die Kurse waren bislang für Kinder der Klassen 3 bis 6 vorgesehen, die nicht oder nicht ausreichend schwimmen konnten. Sie werden von den Schulen gemeldet. Durchschnittlich nahmen 60 Kinder teil. Seit diesem Schuljahr richten sich die Förderkurse auch an Kinder der Klassen 1 und 2, so Stadtsprecher Marcel Sturm. „Aus diesen Stufen wurde der vermehrt hohe Bedarf gemeldet, der zu den 370 Anmeldungen für 90 Plätze führte.“
In den kommenden Osterferien sollen die Schulen bei den Förderkursen bevorzugt Kinder anmelden, „bei denen der Bedarf am höchsten ist“, so Sturm: „ Kinder, die noch gar nicht schwimmen können haben dann erst einmal Vorrang vor Kindern, die noch nicht ganz so gut schwimmen können und deren Fähigkeiten unter anderem auch durch das Schulschwimmen weiterentwickelt werden können.“
So hoch ist die Nachfrage
Beim SC Dinslaken warten etwa 150 Kinder aufs Anfängerschwimmen. Jährlich bringt der Club etwa 100 Kindern das Schwimmen bei. Die Kinder müssen zudem vor dem fünften Geburtstag angemeldet werden damit das Alter in den Kursen später einheitlich ist und nicht Siebenjährige mit Vierjährigen Schwimmen lernen.
Die DLRG bietet seit 2016 ebenfalls Kinderschwimmkurse in Dinslaken an. „Vorher war dies aufgrund der fehlenden Wasserzeiten gar nicht möglich“, so Fabian Friese, stellvertretender Ausbildungsleiter. Die beiden Kurse für zwölf Kinder zwischen fünf und sieben Jahren, die die DLRG Dinslaken im Jahr anbietet, werden online freigeschaltet und sind spätestens nach einer Stunde ausgebucht. Bei der Schwimmschule Swimming Turtles, die aufbauende Kurse bis zum Seepferdchen in Hünxe, Duisburg und Dinslaken anbietet, sind die Kurse in Dinslaken voll, auch auf der Homepage der Schwimmabteilung des TV Jahn leuchtet bei den Schwimmkursterminen ein rotes „ausgebucht“.
Das sind Ursachen
Schwimmverein und DLRG machen drei Ursachen aus:
1. Eltern: „Früher haben viele Kinder außerhalb von Kursen Schwimmen gelernt, die Aufgabe wird heute oft abgegeben“, sagt Norbert Bruckermann. Das sei auch eine Folge veränderten Freizeitverhaltens. Auch Fabian Friese sieht eine „Verschiebung der Verantwortlichkeit“: Viele Eltern hätten „jahrelang die Schwimmausbildung bei den Schulen gesehen“. Diese können das aber nicht leisten und „schieben die Verantwortung zurück zu den Eltern“, indem sie für die Teilnahme am Schwimmunterricht das Seepferdchen verlangen. Die wiederum würden die Kinder dann zu den Vereinen bringen.
2. Ganztagschule: Durch den Ganztag schon an Grundschulen werde „das Fenster für mögliche Schwimmunterrichte für die Kinder und die Vereine immer kleiner,“ so Fabian Friese. Die Kinder können oft vor 16 Uhr nicht im Bad sein und wenn Kurse nach 18.30 Uhr enden, würden Eltern ebenfalls unruhig, weiß Bruckermann. Der Ausbau des Dinamare um ein Lehrschwimm- und ein Sportbecken helfe nur bedingt. Zu Stoßzeiten würden mehr Becken benötigt – die sonst aber meist ungenutzt blieben, so Friese.
3. Trainermangel: Den Vereinen fehlen Trainer für so viele Kurse. „Das sind ja alles berufstätige Leute, die abends dann noch am Becken stehen“, so Bruckermann. Die Übungsleiter bei der DLRG müssen eine zweijährige Ausbildung absolvieren. Und arbeiten danach ehrenamtlich! Ergebnis: Es werden immer weniger, so Fabian Friese.
Ein Lösungsansatz
„Der Schwimmunterricht der Schulen müsste deutlich ausgebaut werden“, findet Fabian Friese. Wenn pro Klasse drei oder vier Lehrer zur Verfügung stünden, wäre wirklicher Schwimmunterricht möglich, meint er. Alternativ könnten die Kinder mittags Zeit bekommen, um die Angebote der Vereine wahrzunehmen.
Aber: Mit dem Seepferdchen ist es nicht getan. Bruckermann: „Wenn Eltern danach nicht regelmäßig mit den Kindern schwimmen gehen, ist das Erlernte in wenigen Wochen weg und das Kind wieder Nichtschwimmer.“
So ist die Lage in Voerde und Hünxe
Bei der DLRG Voerde stehen immer zwischen 60 und 90 Kindern auf der Warteliste für die Seepferdchen-Gruppen. Dabei wird nach Dringlichkeit – also Alter – priorisiert. Die Schwimmanfänger sind in der Regel sechs Jahre alt. Der Grund für die langen Wartelisten: hohe Nachfrage und begrenzte Möglichkeiten, so Sprecher Marcel Panko. Die Gruppengröße liegt bei zehn Kindern, aktuell gibt es sechs Kurse. Im vergangenen Jahr hat die DLRG 30 Seepferdchen-Abzeichen abgenommen. Normalerweise sind es mehr, durch die Schließung des Hallenbades und den Umzug nach Hünxe gab es weniger Teilnehmer. Was die Ausbilderzahl betrifft, „sind wir soeben passend aufgestellt, könnten aber noch zwei bis drei Personen gebrauchen“.
Die Schwimmfreunde Hünxe setzen auf Intensivkurse: Jeden Monat beginnen zwei Kurse mit je elf Teilnehmern – auch aus Dinslaken. Die meisten schließen mit dem Seepferdchen ab. Samstags hat die Schwimmschule Swimming Turtles das Bad für Kurse gemietet. Auch sie sind ausgebucht.