Hünxe/Dinslaken/Bottrop. Ein Förster in der Kirchheller Heide filmt erstmals einen Wolf. Experten gehen davon aus, dass noch mehr Tiere in Nordrhein-Westfalen auftauchen.
Es ist eine regelrechte Sensation: Ein Förster des Regionalverbandes Ruhr (RVR) hat in der Kirchheller Heide ein Handyvideo erstellt, das vermutlich Niederrhein-Wölfin „Gloria“ zeigt. Sie kommt in der Dämmerung einem Hochsitz immer näher und hat vermutlich genau das vor, was der Förster eigentlich auch vorhatte: nämlich Rehe jagen. Es ist das erste Videos eines Wolfes am Niederrhein, heimisch ist „Gloria“ allerdings schon seit 2018 – und Experten sind sich sicher: Es wird noch mehr Wolfsnachweise in NRW geben.
Der Verband stellte einen eine Minute und vier Sekunden langen Zusammenschnitt an diesem Dienstag (13. August 2019) online. Entstanden war das Video eine Woche zuvor in dem Waldstück zwischen Dinslaken und Bottrop. Experten des Landesumweltamtes (Lanuv) haben es begutachtet und bestätigt, dass es sich um einen Wolf handelt.
Regionalverband Ruhr rät Hundebesitzern zu Vorsicht
Der RVR rät Hundebesitzern, dass sie ihre Vierbeiner in dem Waldstück fortan angeleint ausführen und auf den Wegen bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, den Wolf zu Gesicht bekommen, sei allerdings sehr gering. Für RVR-Förster Dr. Johannes Gerst war es die erste Begegnung mit einem Wolf: „Ein tolles Erlebnis“, erzählte Gerst im Gespräch mit der Redaktion – Wölfe sind scheue Tiere.
Er habe das Tier erst im Fernglas wahrgenommen, so Gerst weiter, dem Hochsitz habe es sich bis auf etwa 25 Meter genähert. „Dann hat es möglicherweise Witterung aufgenommen“, berichtet der Förster. Der Wolf dreht langsam ab – einem Reh hinterher, was etwas vorher als schwarzer Punkt im Hintergrund des Videos zu ahnen war.
Wölfin „Gloria“ hatte zuletzt ja wieder vermehrt mit Weidetierrissen für Aufsehen gesorgt. Ganz aktuell hat das Lanuv bestätigt, dass auch ein Vorfall am 23. Juli in Hünxe auf ihr Konto geht. Dabei war ein Schaf getötet und zwei weitere verletzt worden. Für die Wölfin mit der wissenschaftlichen Kennung GW954f bieten die Wälder gleichwohl reichlich Beute. Die großen Bestände an Rehen, Rot- und Schwarzwild sind nach Ansicht von Förster Gerst ein wesentlicher Grund, warum „Gloria“ seit Juni 2018 in der Region rund um Schermbeck ansässig ist.
Die Zahl der Wolfsnachweise in NRW ist stark gestiegen
Thomas Kämmerling, Leiter des RVR-Eigenbetriebs Ruhr Grün, drückt es so aus: „Dass der Wolf auch die Kirchheller Heide aufsucht zeigt, dass es sich bei der waldreichen Region im Herzen der Metropole Ruhr nicht nur um ein beliebtes Erholungsgebiet, sondern auch um einen attraktiven Lebensraum für das seltene Säugetier handelt.“
Auch interessant
Die neuen Nachweise vom Niederrhein sind aber nicht die einzigen aktuellen Wolfsnachrichten aus NRW. Das Landesumwelt bestätigte am Dienstag auch, dass ein Wolf am 10. Juli im Bergischen Land bei Engelskirchen zwei Schafe getötet und ein weiteres verletzt hat. Genetische Untersuchungen müssen noch zeigen, ob man aufgefundene Speichelreste einem bestimmten Tier zuordnen kann. Spekuliert wird, dass es sich um einen Durchzügler handeln könnte – womöglich um einen älteren Fernwanderer, vielleicht aus Frankreich, Italien oder Polen. Denn der diesjährige Wolfszug der Jungtiere ist eigentlich durch.
Mehr zur Wölfin Gloria
- 18 Schafe in Hünxe tot: Nabu spricht von „Problemwolf“
- Lanuv bestätigt: Foto von Wildkamera aus Hünxe zeigt Wolf
- Moderne E-Zäune sollen Schafe vor Wölfin „Gloria“ schützen
Im laufenden Jahr hat es damit für ganz NRW bereits 30 amtlich bestätigte Wolfsnachweise gegeben – mal waren es gerissene Weide- oder Wildtiere, mal von Fachleuten klar eingeordnete Foto- oder Videodokumente. Zum Vergleich: 2018 hatte es bis Mitte August lediglich 14 bestätigte Wolfsnachweise gegeben.
Drei Wölfe sind in NRW mittlerweile heimisch geworden
„Dass die Zahl der Wolfsnachweise zunimmt, ist eine logische Folge“, sagte ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums auf Nachfrage der Redaktion. Er verweist auf die mittlerweile drei in NRW heimisch gewordenen Wölfe – je ein Weibchen am Niederrhein und in der Senne sowie ein Rüde in der Eifel und im Hohen Venn. Auf ihr Konto geht ein großer Teil der Nachweise. Weil der Wolfsbestand bundesweit aber wächst, gebe es in NRW auch immer mehr Nachweise von Durchzügler.
Und diese Durchzügler-Nachweise kommen im laufenden Jahr auch aus Regionen, in denen Wölfe zuvor nicht unbedingt aufgetaucht waren – etwa aus dem Münsterland, dem Kreis Soest oder dem Märkischen Sauerland. Der Sprecher des Umweltministeriums geht davon aus, dass die Zahl der Wolfsnachweise in NRW in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen wird: „Wir stehen hier noch am Anfang der Wolfsbesiedlung.“
Bundesprogramm soll Wanderschäfern helfen
Die Ausbreitung der Wölfe stellt die Halter von Schafen und Co. vor enorme Probleme. In NRW wird in sogenannten Wolfsgebieten und Pufferzonen die Anschaffung von Präventionsmaßnahmen wie wolfsabweisenden Elektrozäunen zu 100% gefördert. Den damit verbundenen Aufwand (zum Beispiel fürs Aufstellen der Zäune) könne man aber aus rechtlichen Gründen nicht finanziell abfedern, heißt es im NRW-Umweltministerium. Dort verweist man jedoch auf ein Förderangebot der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Dieses soll den Aufwand abfedern, den speziell Wanderschäfer betreiben müssen, um ihre Herden vor Wölfen zu schützen. Bundesweit stünden dafür insgesamt 1,05 Mio Euro zur Verfügung. Anträge seien noch bis zum 31. August 2019 beim BLE möglich. (NRZ)