Dinslaken. Künstler Reiner Langer sprach im Dinslakener Rathaus über sich, seinen Werdegang und den Idealismus, den es für die „Against War“-Aktion braucht.
Der Abend im Rathaus stand im Zeichen der bildenden Kunst, aber es war das Zusammenspiel von Wort und Musik, das deren Intention gleich zu Beginn zusammenfasste: Reiner Langers Mail-Art-Projekt „Against War“ ist eine Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden in der Welt und der eigenen Positionierung. Ein Sisyphos-Aufgabe jeder Generation, wie man es aktuell wieder angesichts der sich erhitzenden Krisenherde in der Welt erlebt. „Schon so lang . . .“, klagte der Liedermacher Rainer Kirchner zur Gitarre. Er hat das Stück eigens für den Anlass geschrieben und gestaltete mit weiteren Liedern das musikalische Rahmenprogramm.
Dann übergab Thomas Pieperhoff, der den Abend moderierte, das Wort an Reiner Langer. Nicht, um sofort über die Intention von „Against War“ zu sprechen, sondern, um sich und seine eigene Kunst einmal dem Dinslakener Publikum vorzustellen. Denn das Interesse an dem Künstler, der derzeit die Arbeiten von 350 kreative Menschen aus aller Welt, vom Professor aus Ägypten bis zum malenden Kind aus Bergisch Gladbach, im Rathaus Dinslaken vereinigt und zugleich nicht müde wird, Dinslaken als seine Heimatstadt zu bezeichnen, war auch am Donnerstagabend groß.
Künstler ist gekommen, um zu bleiben
Dinslaken, genau genommen Lohberg. Dort ist Reiner Langer als Sohn eines Hauers in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Vor zwei Jahren kehrte er nach Dinslaken zurück. Um seine Mutter zu pflegen. Und jetzt, nach ihrem Tod, zu bleiben. Auch wenn seine Kontakte derzeit – noch – eher international ausgerichtet sind.
Das war nicht immer so. Denn künstlerisch ging Reiner Langer den unbeirrbar selbstgewählten, also steinigen Weg. Mit zwölf Jahren sah er in Nürnberg, die Arbeiten Albrecht Dürers und erklärte, so werde er auch einmal zeichnen. Tatsächlich begann Reiner Langer ein Kunststudium in Düsseldorf – aber er schmiss schnell wieder hin. Kein Künstler wurde in den 70er-Jahren dazu ausgebildet, wie ein Altmeister zu arbeiten. Und ein Joseph Beuys ist für Langer zwar der vielleicht größte Kunstphilosoph, den es je gab, „aber als Künstler eine Supernull!“.
„Er hat Zeichnungen, an denen ich Stunden gesessen habe, zerrissen und erklärt, ich könne es besser.“
Dürer vor Augen nahm der junge Lohberger Unterricht bei einem Ungarn, der die alte Technik beherrschte. Und eiserne Disziplin verlangte: „Er hat Zeichnungen, an denen ich Stunden gesessen habe, zerrissen und erklärt, ich könne es besser.“ Heute mischt Langer das altmeisterlich Erlernte und die Liebe zum alten Original mit den Strömungen der Kunst des 20. Jahrhunderts, Surrealismus und Dada. Er überarbeitet alte Stiche, montiert eigene Bildelemente ein, deren minuziöser Strich an die feinen Linien von Kupfer oder Stahlstichen erinnert, und koloriert die nur wenigen Zentimeter großen Bilder neu ein. Diese werden abfotografiert und um ein Vielfaches vergrößert: Sowohl die historischen als auch Langers hinzugefügten Motive verlieren dabei nichts von ihrer Feinheit.
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„Kann man davon leben?“ Langer, der früh eine Familie gründete, arbeitete an den Wochenenden in seinem Ausbildungsberuf als Krankenpfleger in der Psychiatrie, weil er unter der Woche an seiner Kunst nichts verdienen konnte. Nach seiner Scheidung habe er sogar neun Monte auf der Straße gelebt.
Vor rund zehn Jahren hatte Langer dann Glück
Doch dann geschah ihm vor rund zehn Jahren das, ohne das auch der talentierteste Künstler nie ein bekannter Künstler wird. Er hatte Glück. Ein Agent „entdeckte“ ihn, verhalf ihm zu internationalen Kontakten. Und plötzlich reiste Langer um die Welt, fand Interessenten für seine Kunst und Gleichgesinnte in der künstlerisch-politischen Arbeit. Einen Unterschied zwischen akademisch ausgebildeten Künstlern und Amateuren aus Leidenschaft macht er nicht: „Kunst ist gut, wenn es beim Betrachter im Bauch kribbelt.“
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Thomas Pieperhoff schmunzelt, immer noch nicht unzufrieden darüber, das ein Beitrag zu „Against War“ Ende Juli ans Rathaus Dinslaken adressiert war: Der Brief kam aus Japan. Ein Künstler wollte mitmachen, kannte aber Langers Adresse, die im ursprünglichen Mail Art Aufruf genannt war, gar nicht. Japan, genauer Hiroshima oder Nagasaki sind aber auch Langers Ziel für „Against War“. Sein großer Wunsch ist, dass sich die 900 Arbeiten dort dauerhaft zeigen sollen, wo sich der Krieg in seinem vernichtendsten Ausmaß zeigte.
>> ARBEITEN KÖNNEN NOCH EINGEREICHT WERDEN
Die Einsendungen zu „Against War“ bleiben bis zum 4. Oktober in der „Rathaus-Galerie“ auf der ersten Etage. Künstler aus Dinslaken, die sich noch beteiligen möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Arbeiten bis zum 30. September einzureichen. (www.facebook.com/Reiner-Langer-173493402718056/)
Unter den Besuchern am Donnerstag waren auch Barbara und Alfred Grimm. Beide haben zugesagt, sich an „Against War“ zu beteiligen.
Nach Dinslaken wird ein Teil der Bilder in einer Ausstellung in Kooperation mit dem Goethe-Institut in Thessaloniki präsentiert.