Dinslaken. . Dinslaken arbeitet gemeinsam mit der Hochschule Bochum an einer Kartierung der Angsträume im Stadtgebiet. Dafür werden auch Bürger befragt.

Die Stadt Dinslaken will das Problem der Angsträume wissenschaftlich angehen. Dafür arbeitet die Stadtverwaltung mit der Hochschule Bochum zusammen. Der dortige Fachbereich Geoinformatik hat ein Datenmodell entwickelt, mit dem mögliche Angsträume im Stadtgebiet ermittelt werden können. Die auf diese Basis festgelegten Angsträume werden anschließend mit den Ergebnissen einer Umfrage abgeglichen. Die Angstraum-Kartierung soll im Herbst vorliegen - dann sollen ebenfalls gemeinsam mit der Hochschule Bochum Strategien erarbeitet werden, um Angsträume frühzeitig zu erkennen und bei der Stadtplanung zu vermeiden.

Das ist der Anlass

Mehrere Überfälle auf dem Verbindungsweg zwischen Bahnhof und B8 nach die SPD im vergangen Jahr zum Anlass, einen Antrag zum Thema zu stellen. Die Verwaltung sollte darstellen, wo in der Stadt Angsträume vorhanden sind und Maßnahmen vorschlagen, wie sie beseitigt werden können.

Der Bahnhof in Dinslaken wird von vielen Menschen als Angstraum empfunden.
Der Bahnhof in Dinslaken wird von vielen Menschen als Angstraum empfunden. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Das allerdings entpuppte sich als schwerer als gedacht. Denn abgesehen von dem Verbindungsweg war es schwer, Angsträume verlässlich auszumachen. Die Rückmeldungen auf entsprechende Anfragen der Verwaltung seien „unbefriedigend“ gewesen, das Bestehen von Angsträumen in Dinslaken sei „zunächst verneint worden“, so die Verwaltung. „Angst ist subjektiv, vom Auge des Betrachters abhängig“, so Sozialdezernentin Christa Jahnke-Horstmann in der Sitzung des Ausschusses für öffentliche Sicherheit, Ordnung und Verkehr, dem sie von der Kooperation mit der Hochschule berichtete.

Das wird gemacht

Abgesehen von subjektiven Gefühlen gebe es allerdings auch objektive Kriterien für Angsträume, so Christa Jahnke-Horstmann. Beides soll in dem Modell der Hochschule zusammengebracht werden. Professorin Ulrike Klein (Fachbereich Geoinformatik und Geodäsie) hat gemeinsam mit ihren Kollegen Thorsten Kelm und Annette Becker in der Studie „Automatisierte Detektion von Angsträumen und ihre Auswirkungen auf die nachhaltige Stadtentwicklung“ ein Modell entwickelt, in dem Geodaten, die relevant für Angsträume sind, in ein auf dem Stadtplan liegendes Raster eingepflegt werden. Ausgetestet wurde das für die Stadt Bochum.

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Dabei können folgende Aspekte eine Rolle spielen: städtebauliche Architektur (Einsehbarkeit von Bereichen, Dichte der Bebauung, Anteil leerstehender Wohnungen), das Vorhandensein von Sozialkontrolle (Belebtheit eines Raumes) und Versteckmöglichkeiten (Beleuchtung, Straßenbegleitgrün). Außerdem per se unangenehme Orte (Unterführungen, Tunnel, Bahnhof), unterschiedliche Flächennutzungen (Industrieflächen, Grünanlagen, Freizeitanlagen, Friedhöfe, Kleingärten, Wald, Brachflächen) und soziodemographische Aspekte (unter anderem Bevölkerungsdichte, Durchschnittsalter).

Die jeweiligen Aspekte werden innerhalb der Kategorien unterschiedlich gewichtet. So wird verschiedenen Orten ein unterschiedliches Angstpotenzial zugeordnet – Bahnhöfen etwa ein höheres als Spielplätzen.

Diese Daten fließen ein

Für die Kartierung werden Daten verwandt, die der Stadt oder der Polizei bereits vorliegen: aus städtischen Beleuchtungsdatensätzen etwa lassen sich Rückschlüsse auf nicht beleuchtete, dunkle Ecken ziehen, Lärmdatensätze geben Aufschluss über Nutzungsfrequenzen von Orten, Zensus und Flächennutzungskartierungen werden ausgewertet. Daten der Beschwerdestelle und der Polizei – auch etwa über freilaufende Hunde, illegale Müllhalden, Lärm – sollen ein Jahr rückwirkend gesammelt und in das Raster eingepflegt werden, berichtete Christiane Wenzel, Leiterin des städtischen Fachbereichs Bürgerservice, Recht und Ordnung. Das Angstpotenzial lässt sich anschließend in der Stadtkarte in einem Farbverlauf zwischen rot und grün ablesen.

Umfrage online und auf der Straße

Anschließend wird abgeglichen, ob das Ergebnis „deckungsgleich mit dem Empfinden der Bürger“ ist, so Christiane Wenzel. Dafür wird aktuell ein Fragebogen entwickelt. Bürger sollen in einem Zeitraum von sechs Wochen online und von Studierenden auf der Straße befragt werden: Wo, wann und warum sie sich an welchen Orten unwohl fühlen und in welchem Ausmaß. Der Fragebogen soll noch in dieser Woche fertig gestellt und anschließend die Befragung gestartet werden.

So geht es weiter

Die Ergebnisse der Angstraum-Kartierung sollen Ende des Jahres präsentiert und gemeinsam daraus Schlüsse gezogen werden – etwa auch für den Neubau des Bahnhofs und des Umfeldes.

Unabhängig davon hat die Stadt zugesagt, auf dem Verbindungsweg zwischen Bahnhof und B8 das Grün zurückzuschneiden sowie im Bereich Theodor-Körner-Straße sechs neue Laternen zu installieren. Das Grün wurde im Frühjahr zurückgeschnitten. Die Laternen wurden allerdings – anders als in der Vorlage für die Politik behauptet – noch nicht installiert. Der Auftrag sei vergeben und solle nun „sehr zeitnah“ umgesetzt werden, so Stadtsprecher Marcel Sturm. „Völlig sicher werden wir den Weg aufgrund der Gegebenheiten nicht bekommen“, so Dezernentin Christa Jahnke-Horstmann.