Dinslaken/Voerde/Hünxe. . Sollten Anlieger keine Straßenbaubeiträge mehr zahlen müssen, stellt sich für die Kommunen Dinslaken, Voerde und Hünxe Frage der Kostenübernahme.
Der Bund der Steuerzahler NRW strebt über eine Volksinitiative die Abschaffung der Straßenbaubeiträge an, die für Anlieger eine sehr hohe finanzielle Belastung bedeuten. Wie wird dieses Vorhaben in den Rathäusern in Dinslaken, Voerde und Hünxe gesehen? Die NRZ fragte nach.
So werden die Beiträge berechnet
Die Erschließungsbeiträge, also die Beiträge für die erstmalige Herstellung von Straßen werden bundesweit nach dem Baugesetzbuch in Höhe von 90 Prozent von den Anliegern erhoben. Ebenso sind die Städte in NRW gesetzlich verpflichtet, Beiträge beim Straßenausbau zu erheben. In welcher Höhe die Anlieger aber prozentual an den Kosten beteiligt werden, das unterscheidet sich von Kommune zu Kommune.
In Dinslaken werden Anlieger beim Ausbau von Anliegerstraßen zu 60 % beteiligt, bei Haupterschließungsstraßen sind es 40 %, bei Hauptverkehrsstraßen 20 %, bei Hauptgeschäftsstraßen 50 %.
In
Voerde zahlen Bürger für Anliegerstraßen 70 %, für Haupterschließungsstraßen 50 %, für Hauptverkehrsstraßen 30 %, für Hauptgeschäftsstraßen 60 %.
In Hünxe werden Anlieger an Anliegerstraßen zu 50 %, an Haupterschließungsstraßen zu 30 %, an Hauptverkehrsstraßen zu 10 % und an Hauptgeschäftsstraßen zu 40 % beteiligt.
Der Anteil, den Anwohner konkret zahlen müssen, berechnet sich aus Baukosten und Grundstücksflächen aller Anliegergrundstücke. Dieser Berechnungsflächensatz (Euro pro Quadratmeter) wird mit der jeweiligen Grundstücksfläche multipliziert. Auch die Art der Straße und die Art der Nutzung des Grundstücks (etwa Wohnen, Gewerbe, Landwirtschaft) spielen eine Rolle.
Das sagt die Stadt Dinslaken
Die Gemeindeprüfungsanstalt hat im vergangenen Jahr die Straßenbaubeiträge der Stadt Dinslaken als zu moderat bemängelt. In Dinslaken liegt der prozentuale Anteil der Anlieger an den abrechnungsfähigen Kosten durchschnittlich zwischen 20 und 45 Prozent. Durchschnittlich wurden die Anlieger in Dinslaken in den vergangenen Jahren mit 5,60 Euro pro Quadratmeter zur Kasse gebeten. Zwei Beispiele: Aktuell wird die Augustastraße saniert. Hier werden etwa neun Euro pro Quadratmeter fällig. An der Berger-/Gärtnerstraße werden es laut Stadt 3,70 Euro sein.
Sollte das Gesetz geändert werden, stellt sich die Stadt Dinslaken vor allem die Frage, wer die Kosten, die bis dahin die Anwohner zahlen, übernehmen würde. „Kommt das Geld vom Land und den BürgerInnen in NRW oder kommt es aus der Stadtkasse und damit den BürgerInnen der jeweiligen Stadt?“ so Stadtsprecher Marcel Sturm. „Entlastung der jeweiligen Anwohner würde ja zugleich immer eine Belastung aller Bürger bedeuten.“ Sturm gibt auch zu bedenken, dass durch die Modernisierung der Straßen „in der Regel auch der Wert der anliegenden Grundstücke“ steige. Das sei weder ein „Pro- oder Contra-Argument für die Frage der Finanzierung, ist aber sicherlich ein Aspekt für die Gesamtbetrachtung des Themas“, so Sturm.
Das sagt die Stadt Voerde
Der Erste und Technische Beigeordnete der Stadt Voerde, Wilfried Limke, hält das Vorhaben im Sinne der Bürger grundsätzlich für nachvollziehbar. Die jetzige Regelung werde von den Betroffenen als „grob ungerecht“ empfunden. Aus Sicht der Stadt müsse jedoch sichergestellt sein, „dass eine Kompensation der Kosten vollständig durch das Land erfolgt“. Eine Streichung der gesetzlichen Verpflichtung zum KAG (Kommunalabgabengesetz) ohne Ausgleichsangebote „würde doch wieder die Kommunen und damit ihre Bürger belasten“, gibt Limke zu bedenken.
Die kommunalen Haushalte seien dafür nicht ausgestattet und Steuererhöhungen oder neue Steuern zur Kompensation müssten ausgeschlossen sein. Ähnlich wie bereits bei der Aufhebung der landeseinheitlichen Kita-Beiträge unterlägen Kommunen mit schlechterer Haushaltssituation (und damit ihre Bürger) „dramatischeren Zwängen als wohlhabende Städte“.
Auf die Frage, wie weit die Spanne der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Beiträge im Falle eines jüngsten Straßenbauprojektes war, spricht er, bezogen auf ein- und bis zweigeschossige Wohngrundstücke von unter 1000 bis mehreren Tausend Euro – „von sehr außergewöhnlichen Grundstücken abgesehen“. Aufgrund der Lage ihres Grundstückes besonders von hohen Kosten betroffen seien Eigentümer von Eck- oder zwischen zwei parallelen Straßen liegenden Grundstücken.
Das sagt die Gemeinde Hünxe
„Wenn es eine Refinanzierung gäbe, wäre das super. Wenn das Land das garantiert, könnte ich damit leben, dass die Straßenbaubeiträge wegfallen“, sagt Hünxes Bürgermeister Dirk Buschmann. „Aber ich bezweifele das, denn einen Entwurf habe ich noch nicht gesehen.“
Wie ein gerechtes Modell aussehen könnte, sei „kompliziert“. Der Vorteilnehmer müsse aber in jedem Fall mehr zahlen. „Würde ich die Einnahmen aus dem Haushalt nehmen, würden alle Bürger belastet“, so der Bürgermeister. „Das geht nicht.“
Kommunalpolitiker aus Dinslaken, Voerde und Hünxe unterstützen Volksinitiative
WGV Voerde, CDU und UBV Dinslaken, SPD Voerde und Hünxe und Kreis-Linke fordern Abschaffung der Straßenbaubeiträge
Die Volksinitiative des Bundes der Steuerzahler NRW zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge erhält auf kommunaler Ebene zum Teil aktive Unterstützung seitens der Politik: So sind etwa Verein und Fraktion der Wählergemeinschaft Voerde (WGV) dabei, dafür Unterschriften zu sammeln. Auch würde die WGV gerne die vom Bund der
Steuerzahler zugeschickten Listen in einigen Geschäften auslegen. Zudem hat sie begonnen, von Haustür zu Haustür gehen, und sie wird auf den Wochenmärkten präsent sein. In Voerde-Mitte ist als Termin der 14. Dezember ab 9 Uhr vorgesehen. Am gleichen Tag wird die WGV auf dem in der Zeit von 14 bis 18 Uhr laufenden Bauernmarkt in Spellen für die Volksinitiative werben. Der Wochenmarkt in Friedrichsfeld steht am Samstag, 15. Dezember, ab 9 Uhr auf deren Terminplan.
WGV und UBV haben Sammellisten
Jürgen Fink und Ulrike Kalwa, der Vorsitzende der WGV und seine Stellvertreterin, verweisen auf die mit der Zahlung von Straßenbaubeiträgen einhergehende hohe finanzielle Belastung, durch die Lebenspläne ins Wanken geraten können. Beide denken an Ältere, die ein Haus für ihre Altersvorsorge gebaut haben und wegen der ihnen aufgebürdeten Kosten für den Straßenbau einen Kredit aufnehmen müssten, den sie aber nicht mehr bekämen. Es dürfe nicht sein, dass alte Menschen am Ende ihr Heim verlassen müssen. „Die Leute sollen doch so lange wie möglich in ihren Häusern bleiben“, erklärt Ulrike Kalwa. Auch für junge Familien, die gerade das Haus ihrer Eltern renoviert und es geschafft haben, dieses zu halten, würde sich die Frage stellen, wie sie die Straßenbaubeiträge zahlen sollen, nennt Jürgen Fink ein weiteres Beispiel. Oder ganz grundsätzlich: „Wie soll jemand mit einem Monatsgehalt von 1500 Euro eine solche Summe aufbringen?“
Die WGV fordert, dass das Land die Kosten übernimmt. „In Bayern haben sie es gemacht. Warum geht das hier nicht?“, fragt Ulrike Kalwa und kritisiert die Ungleichbehandlung.
Auch die UBV Dinslaken hält Infomaterial und Sammellisten der Volksinitiative in der Geschäftsstelle am Bahnhofsplatz 2 bereit.
CDU fordert Resolution
Die CDU Dinslaken will – wie berichtet – in der Ratssitzung eine Resolution zur Abschaffung von Straßenbaubeiträgen verabschieden lassen. Die Einnahmeausfälle solle das Land kompensieren. Dieselbe Position vertreten die Linken im Kreistag.
SPD hat Unterschriften gesammelt
Die SPD Voerde hat im Zuge ihrer Sitzung vor zwei Wochen die ersten Unterschriften für die Volksinitiative des Bundes der Steuerzahler NRW zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge gesammelt. Grundstückseigentümer und Mieter würden durch die Gebühren „nach dem Zufallsprinzip und manchmal in Existenz bedrohender Höhe belastet“. In den nächsten Wochen wollen die Sozialdemokraten, die eine Abschaffung der Beiträge und eine 100-prozentige Kompensation durch das Land fordern, bei verschiedenen Aktionen weitere Unterschriften sammeln.
Die SPD-Fraktion hat zudem eine Anfrage an die Verwaltung mit Bitte um Beantwortung in der Sitzung des Rates am 11. Dezember gerichtet. Auch die Stadt Voerde müsse zu dem Thema Stellung beziehen, indem die Auswirkungen auf die Bürger sichtbar gemacht würden: So will die SPD-Fraktion etwa wissen, wie hoch die Beiträge in den vergangenen Jahren waren, wie die höchste und die niedrigste individuelle Belastung einzelner Beitragszahler aussah, wie viele gerichtliche Verfahren es mit welchem Ausgang gegeben hat und wie viele Stundungen, Ratenzahlungen, gegebenenfalls Niederschlagungen oder wie hoch die Einsparungen beim Personal wären, wenn die Straßenbaubeiträge wegfielen und vom Land übernommen würden.
Auch die SPD Hünxe appelliert – wie berichtet – an die Landtagsabgeordneten, „für diese Gesetzesinitiative zu stimmen und sich für die kommunalen Belange vor Ort und eine Entlastung vieler Familien einzusetzen“.