Bottrop. Im Jahr ihres 15. Geburtstags geht die Hochschule Ruhr West neue Wege. Die Hochschulleitung im Interview über Herausforderungen und Potenziale.

Vor 15 Jahren, am 1. Mai 2009, ist die Hochschule Ruhr West (HRW) mit ihren Standorten in Bottrop und Mülheim gegründet worden. Zum Wintersemester 2009/10 starteten am Campus Bottrop 36 Studierende, damals noch im Berufskolleg. 2014 wurde der Neubau an der Lützowstraße eröffnet, 2021 der Standort auf Prosper III. Der Campus Bottrop ist heute Lehr- und Forschungsort für rund 1300 Studierende und 150 Mitarbeitende, darunter 28 Professorinnen und Professoren.

Ein Gespräch zum Geburtstag mit HRW-Präsidentin Prof. Dr. Susanne Staude und Bottrops Dekan Prof. Dr. Uwe Handmann über Jugendlichkeit, die Bedeutung der HRW für Menschen ab 40 und das Studieren in Teilzeit.

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15 Jahre ist die Hochschule Ruhr West nun alt. Ist sie damit eine noch junge Hochschule oder eine schon etablierte?

Prof. Dr. Susanne Staude: Ich finde, die Hochschule liegt dazwischen. Auf der einen Seite haben wir uns etabliert hier in der Region, gerade auch bei den Unternehmen, bei den Schulen, in der Zusammenarbeit mit den Städten. Wir gehören ins Stadtbild. Andererseits sind wir jung geblieben als Hochschule. Wir sind eine jugendliche Hochschule.

Prof. Dr. Uwe Handmann: Bei Jugend fällt mir ein: Dynamik, Innovationsfähigkeit, Innovationskraft und Offenheit. Und genau das repräsentiert die Hochschule Ruhr West. Mit unseren Studiengängen können wir punkten. Wir ergänzen das Portfolio anderer Hochschulen, indem wir versuchen, die Themen der heutigen Zeit insbesondere in Bottrop zu adressieren. Das sind Themen wie Nachhaltigkeit, Energie, Digitalisierung, Informatik, KI.

(Anmerk. der Redaktion: Im Fachbereich eins der HRW, der am Campus Bottrop angesiedelt ist, werden die Studiengänge Angewandte Informatik, Mensch-Technik-Interaktion, Energieinformatik, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsingenieurwesen - Energiesysteme und Energie- und Umwelttechnik bis hin zum Master bzw. sogar zur Promotion angeboten.)

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Die HRW ist angetreten mit dem Anspruch, auch in die Bevölkerung hineinzuwirken, sich offen für die Stadtgesellschaft zu zeigen und diese mitzunehmen. Wie ist das aus ihrer Sicht gelungen?

Staude: Da gibt es unterschiedliche Ebenen. Vorzeigehochschule sind wir in unserem Angebot, das wir an Schülerinnen und Schüler richten, mit unserem Kompetenzzentrum mint4u und den ZDI-Zentren in Bottrop und Oberhausen, die wir bei uns angesiedelt haben. Wir haben viele, richtig gute Angebote in Kooperation mit den Schulen, aber zum Beispiel auch Ferienangebote, die frei sind für alle möglichen Interessenten. Bei den Studierenden und Studieninteressierten sind wir auch bekannt. Die Kooperation mit Unternehmen funktioniert gut.

Wo wir als Hochschule für Angewandte Wissenschaften durchaus noch Potenzial haben, ist bei den Personen ab 40 Jahren, bei der Elterngeneration unserer Studierenden. Da können wir noch stärker überlegen: Wie binden wir sie auch in unsere Aktivitäten ein? Stichwort Citizen Science,wie bei dem Projekt Ruhr-Bots, bei dem wir gemeinsam mit Personen aus den Städten soziale Roboter erforschen im Einsatz in städtischen Einrichtungen. Da haben wir noch Potenzial für mehr.

Was sind konkrete Ansätze, sich stärker mit der Stadtgesellschaft zu verbinden?

Handmann: Mit unseren Campus-Führungen, die wir hier anbieten, haben wir in der Elterngeneration eine hohe Nachfrage. Es sind immer 30 bis 40 Leute dabei, da gibt es einen regen Austausch mit der Stadtgesellschaft. Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir unsere Inhalte nach außen bringen. Um ein Beispiel zu geben: Wir haben die Kooperation mit dem Prosperkolleg e.V., der sein Ladenlokal in der Fußgängerzone auf der Gladbecker Straße hat.Bei Forschungsprojekten, wie zum Beispiel Ruhr-Bots, ein Forschungsprojekt in der sozialen Robotik, wird in dieser Kooperation Kontakt zu der Stadtgesellschaft gesucht. Das sind Sachen, durch die man eine Sichtbarkeit erhöht. Aber man muss fairerweise sagen, so dicht bevölkert ist die Fußgängerzone in Bottrop jetzt auch nicht...

Der Campus Bottrop der Hochschule Ruhr West aus der Luft betrachtet. Der Neubau wurde 2019 eingweiht.
Der Campus Bottrop der Hochschule Ruhr West aus der Luft betrachtet. Der Neubau wurde 2019 eingweiht. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Früher gab es regelmäßig offene Angebote im Rahmen des Studium Generale an der HRW.

Handmann: Das hat sich während der Corona-Krise ausgeschlichen, das muss jetzt wieder aufgebaut werden. Zweieinhalb Jahre war die Hochschule praktisch leer. Danach gab es den Hackerangriff auf uns.

Staude: Einer unserer nächsten Schritte als Hochschulentwicklung wird sein, stärker das Thema Weiterbildung und lebenslanges Lernen in den Blick zu nehmen. Also die Zielgruppe zu erweitern auf Menschen, die schon im Beruf stehen. Das Projekt Prosperkolleg macht das schon für den Themenschwerpunkt der Zirkulären Wertschöpfung. Damit werden wir uns als Hochschule in der nahen Zukunft stärker beschäftigen. Gerade weil die Themen, die wir haben, gefragt sind. Das Thema Digitalisierung betrifft uns alle, das Thema Energie auch, wenn man auf die Schwerpunkte am Campus Bottrop schaut.

2021 wurde der HRW-Standort auf Prosper III eingeweiht. Hier ein Blick in das offene Fabrikationslabor FabLab.
2021 wurde der HRW-Standort auf Prosper III eingeweiht. Hier ein Blick in das offene Fabrikationslabor FabLab. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Welche weiteren Herausforderungen gibt es aktuell?

Handmann: Eine Herausforderung ist, dass die Nachfrage nach Studienplätzen nicht mehr so hoch ist wie noch vor Jahren.

Staude: Das ist ein deutschlandweiter Trend. Die Anzahl der Menschen im Studieralter sinkt gerade. Das ist der eine Trend. Der andere ist, dass die Studierenden ein sinkendes Interesse an technischen Fächern haben. Im Ruhrgebiet haben wir noch die gute Situation, dass die Demografie sich erholen wird bis etwa 2030. Wir müssen allerdings auch weiter daran arbeiten, den jungen Menschen die Begeisterung für die Technik mitzugeben. Es sind einfach so coole Fächer, mit denen man so viel machen kann. Abgesehen davon sind es Jobs, die eine hohe Zukunftsfähigkeit haben und ein auskömmliches Einkommen. Es ist ja auch unser Gründungsauftrag gewesen, gerade in diesen technischen Bereichen Fachkräfte für die Region auszubilden.

Wie reagiert die Hochschule Ruhr West auf diese Situation?

Handmann: Wir hören nicht auf, dynamisch zu sein. Wir haben jetzt in der neuen Akkreditierungsphase im Bereich Informatik den sogenannten Teilzeitstudiengang etabliert. Dadurch bilden wir für viele Menschen die Lebenswirklichkeit ab. Menschen, die nicht Vollzeit studieren können, weil sie andere Verpflichtungen haben, sei es Kindererziehung, sei es die Pflege von Angehörigen, sei es ein Beruf oder sei es einfach die coole Situation, dass ich drei Tage in der Woche nichts arbeiten möchte – das gibt es heutzutage auch. Das sind trotzdem Menschen, die schlau sind und ihren Beitrag leisten wollen.

Wie ist dieser Teilzeitstudiengang strukturiert?

Handmann: Der Teilzeitstudiengang ist eine Ergänzung zu den regulären Studiengängen in der Informatik und von den Inhalten her genau gleich aufgestellt. Er gilt ab Wintersemester für alle Studiengänge der Informatik bei uns. Nur der Verlauf ist anders. Er dauert in der Regel zehn Semester, also fünf Jahre. Aber das ist variabel.

Staude: Wenn der Teilzeitstudiengang in der Informatik ein Erfolg wird, weiten wir das auf die Hochschule aus.

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Zum Zehnjährigen der HRW 2019 war nicht nur der Einzug ins Gründerzentrum Prosper III ein Thema, wo heute ein Forschungsstandort zur zirkulären Wertschöpfung, das offene FabLab und ein Co-Working-Space für Start-ups untergebracht sind. Es wurde auch über einen Erweiterungs-Neubau nachgedacht. Was ist aus diesen Plänen geworden?

Staude: Wir haben dem Ministerium vor etwa drei Jahren nachgewiesen, dass wir weitere Flächen brauchen in Mülheim und in Bottrop. Wir haben leicht sinkende Studierendenzahlen, aber wie gesagt, ich bin sicher, das wird sich erholen. Und ein ganz wichtiges Argument ist die Zahl der Beschäftigten, und die ist weiterhin sehr hoch. Das heißt, der Bedarf ist nach wie vor da.

Durch die Erfahrung in der Corona-Zeit hat sich unser aller Arbeitsverhalten verändert. Dadurch hat sich auch verständlicherweise das Bewilligungsverhalten des Ministeriums verändert. Es wird genau hingeguckt: Habt ihr Präsenz hier, sind alle jeden Tag da, braucht jede Person einen eigenen Arbeitsplatz etc. Insgesamt guckt das Land sowieso genau hin, wie viel Geld es in Zeiten der knappen Kassen zur Verfügung hat. Im Verhältnis zu anderen Hochschulen mit Gebäuden aus den 1970er Jahren sind wir immer noch privilegiert. Nichtsdestotrotz haben wir nach wie vor einen totalen Platzmangel.