Gais. Die Situation ist nicht ganz einfach: Anthony Losilla ist Bezugsperson für Ibrahima Sissoko - aber auch Konkurent. Wie die beiden damit umgehen.

Es war schon etwas kurios mitanzusehen, wie Anthony Losilla da am Samstagabend in Bozen zwischen den jungen Wilden agierte. Er, das Bochumer Urgestein, umringt von den Talenten, die der VfL Bochum derzeit im Kader hat. Niklas Jahn, Mats Pannewig, Alessandro Crimaldi - sie standen mit dem 38-Jährigen auf dem Feld, der die vermeintliche B-Mannschaft im Mini-Test gegen den FC Südtirol auf das Feld führte. Es war auch als Zeichen des Trainers Peter Zeidler zu verstehen. Zum einen, weil sich die Jungen an Losilla orientieren sollen. Zum anderen, und das war die wichtigste Erkenntnis, weil Ibrahima Sissoko im anderen Spiel gegen den FC Bologna auf der Sechs anfing. Es war die Partie, in der die derzeit wohl beste Bochumer Elf auf dem Feld stand und die Italiener mit 4:0 wegspielte. Und zu der gehört derzeit Sissoko.

Mit ihm hat VfL-Sportdirektor Marc Lettau in diesem Sommer einen Coup gelandet. Viele - auch größere - Klubs waren an dem gebürtigen Franzosen interessiert, der ablösefrei vom Racing Club Straßbourg an die Castroper Straße kam. Ihm ist die Rolle als alleiniger Sechser in einer Mittelfeld-Raute zugedacht. Er soll über kurz oder lang Losilla ersetzen. Nicht als Kapitän, aber als Stammspieler. Und passend zum Ende des Trainingslagers in Südtirol hat sich der Franzose auch körperlich wieder gefangen. Zeidler attestierte ihm nach der 1:3-Niederlage am vergangenen Dienstag gegen Spezia, in einem Loch zu stecken.

Ibrahima Sissoko arbeitet sich aus erstem Loch heraus

„In der Vorbereitung gibt es Momente, in denen man sich auch mal nicht so wohl fühlt“, sagte Sissoko im Gespräch mit dieser Redaktion, in dem Losilla übersetzte. Der Noch-Kapitän ist derzeit die wichtigste Bezugsperson Sissokos im Kader des VfL Bochum. Sie sprechen dieselbe Sprache, sie denken ähnlich, sie bekleiden dieselbe Position. Losilla hilft Sissoko daher, wo er nur kann. Denn die ersten Wochen waren für den Neuzugang alles andere als einfach.

„Für mich ist alles neu: die Sprache, das Umfeld, das System. Ich musste das verarbeiten, bin aber absolut bereit für die Bundesliga“, sagte er. Er arbeitete sich aus einem Loch heraus, scheint sich immer wohler zu fühlen, traf im Test gegen Bologna sogar zur Führung. Schnellstmöglich will er nun deutsch lernen, versteht und spricht bereits die relevantesten Fußball-Begriffe. Und auch eine Wohnung hat er in der neuen Heimat gefunden, die Zeit im Hotel neigt sich dem Ende entgegen.

Ibrahima Sissoko erzielte die Führung im Testspiel gegen den FC Bologna.
Ibrahima Sissoko erzielte die Führung im Testspiel gegen den FC Bologna. © FUNKE Foto Services | RHR-FOTO / Teresa Kröger

Sissoko selbst wollte unbedingt in die Bundesliga wechseln, wie er sagte. Es hätte auch andere Angebote gegeben, aber „der Trainer hat viel mit mir geredet und hat mich vom Verein überzeugt. Das hat mir gezeigt, dass Bochum mich unbedingt wollte. Ich habe mich wertgeschätzt gefühlt“, so der 26-Jährige.

Das wird er auch von seinen Mitspielern. Hörte man sich während des Trainingslagers um, schwärmten alle Spieler von der Präsenz des Mittelfeldspielers. Allein durch seine Körpergröße. 1,93 Meter ist der Nationalspieler Malis groß, der auch Losilla ins Schwärmen geraten lässt. „Er geht in jeden Zweikampf, ist sehr intelligent, hat ein sehr gutes Stellungsspiel und kann sich sehr gut positionieren. Er spielt einfach, stets aufmerksam. Er weiß genau, was es auf dieser Position benötigt. Ich bin überzeugt, dass er uns wirklich voranbringen wird.“

Losilla wird wohl seinen Stammplatz beim VfL Bochum verlieren

Das geht allerdings zulasten seiner eigenen Einsatzzeiten. Bislang war Losilla unumstrittener Stammspieler, das dürfte sich in der kommenden Saison unter Neu-Trainer Zeidler ändern. Groll hegt Losilla deshalb aber nicht. „Als ich gehört habe, dass Ibou zu uns kommt, habe ich mich gefreut, dass noch ein Franzose beim VfL Bochum spielt. Ich habe viele gute Dinge über ihn im Vorfeld gehört und nach dem Kennenlernen habe ich sofort gemerkt, welch guter Mensch er ist“, sagte Losilla über seinen Konkurrenten im Team. „Er passt von der Mentalität sehr gut zum VfL, er will sich integrieren. Er hat direkt gezeigt, was ihn ausmacht. Ich freue mich, dass er künftig eine wichtige Rolle in der Mannschaft übernehmen kann.“

Anthony Losilla im Testspiel gegen den FC Südtirol.
Anthony Losilla im Testspiel gegen den FC Südtirol. © FUNKE Foto Services | RHR-FOTO / Teresa Kröger

Er wisse schließlich, dass seine Zeit im Profifußball endlich ist. Mit 38 Jahren geht er in sein letztes Vertragsjahr, wird der älteste aktive Bundesliga-Spieler der kommenden Saison sein. „Es ist das erste Jahr, in dem mir die Vorbereitung fast leichtfällt“, sagte er. „Ich will das genießen. In den letzten Jahren hatte ich immer das Gefühl, ich kann noch zwei, drei Jahre spielen. Ich merke aber, dass meine Karriere sich dem Ende entgegen neigt.“ Er sei weiter voll fokussiert - aber „relaxter im Kopf“.

VfL Bochum: Losilla schwärmt von Sissoko

Den Konkurrenzkampf nun sieht er daher auch entspannt. „Ibou hat die Qualität, um mein Nachfolger zu werden. Den Konkurrenzkampf braucht es, so sehe ich das bei uns. Er wird uns helfen“, sagte Losilla. Und Sissoko? Der will von Losilla vor allem lernen. „Außerhalb des Feldes ist auffällig, dass Toto viel mit allen Spielern – vor allem den Neuen – spricht. Die Integration fällt so leicht. Er gibt sich sehr viel Mühe, Dinge zu erklären. Auf dem Platz ist er immer aktiv, geht nach vorn und schätzt das Spiel gut ein“, sagte er. Er könne theoretisch auch etwas höher im Mittelfeld spielen, auf der Acht.

Sissoko und Losilla zusammen auf dem Platz - es wäre also ebenfalls eine Möglichkeit. Dass sie sich verstehen würde, ist bereits deutlich geworden - nicht nur, weil Losilla im Trainingslager den Übersetzer gab.

Hatten viel Spaß im Gespräch: Anthony Losilla gab den Übersetzer für Ibrahima Sissoko.
Hatten viel Spaß im Gespräch: Anthony Losilla gab den Übersetzer für Ibrahima Sissoko. © FUNKE Foto Services | Teresa Kröger/RHR-FOTO