Hamminkeln. In der 100-jährigen Geschichte des Hamminkelner SV gibt es einige Highlights. Eines bestritten die Kicker vor 2000 Fans im Pokal gegen RW Essen.
Der 9. Oktober des Jahres 2009 wird vielen Menschen in Wesel und Hamminkeln in guter Erinnerung geblieben sein. Am besagten Freitagabend traf der Fußball-Bezirksligist Hamminkelner SV in der zweiten Runde des Niederrheinpokals auf den Regionalligisten Rot-Weiss Essen. Ein echtes Highlight für alle Beteiligten, denn schließlich trennten die beiden Kontrahenten damals vier Spielklassen. Die rund 2000 Zuschauer verwandelten das Weseler Auestadion schon weit vor dem Anpfiff der Partie in ein Tollhaus. Auch wenn der HSV beim 0:4 (0:3) als Verlierer vom Platz ging, feierten Spieler, Verantwortliche und Zuschauer dies wie einen Sieg.
„Dieser Tag ist bei mir noch sehr präsent“, sagt Christoph Ziegler, der damals das Tor des HSV hütete und führt weiter aus: „Das war ein unheimlich schöner Tag für den HSV und für uns Spieler auch ein Erlebnis, das wir niemals vergessen werden.“ Auch der damalige Trainer Philipp Mayrhauser bekommt gleich Gänsehaut wenn er an die Zeit zurückdenkt. „Das war“, so Mayrhauser, „auf jeden Fall das Highlight meiner Trainerkarriere. Wobei das eigentliche Highlight der Sieg in der erste Runde gegen TuRa 88 Duisburg war.“
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Der Weg der Hamminkelner bis zum Spiel gegen RWE führte zunächst über die Kreispokal-Qualifikation – dank eines Siegs gegen den Lokalrivalen PSV Lackhausen. In der ersten Runde des Niederrheinpokals folgte dann die Begegnung gegen den Niederrheinligisten TuRa 88 Duisburg. Wie ernst der HSV den Pokal damals genommen hat, zeigt schon die Tatsache, dass Trainer Mayrhauser seine Schützlinge zwei Tage vor der Begegnung ins Trainingslager bat. In der Jugendherberge in Nütterden in der Nähe von Kleve schlugen Mayrhauser und seine Elf für 48 Stunden die Zelte auf. Trainingseinheiten und ein Videostudium des Gegners standen auf dem Programm.
Große Feier schon vor dem Duell mit RW Essen
„Das Training war an den Tagen vielleicht auch etwas zu hart, die Jungs waren schon echt platt“, sagt Mayrhauser schmunzelnd im Rückblick auf die Einheiten. Auch sein ehemaliger Torwart Christoph Ziegler erinnert sich noch bestens: „Wir wussten schon vor dem Spiel, dass wir im Falle eines Sieges dann auf RWE treffen. Das hat uns natürlich unheimlich motiviert.“
Nach dem überraschenden 4:3-Erfolg über TuRa 88 Duisburg war das Wunder von Hamminkeln dann eigentlich bereits perfekt. „Ich glaube da haben wir schon sieben Tage am Stück gefeiert, als wir wussten: Es geht jetzt gegen Essen“, erzählt Ziegler. Auch Ex-Trainer Mayrhauser, der mittlerweile als Teammanager beim TuB Bocholt aktiv ist, beschreibt seinen Gefühlsrausch: „Das sind genau die Spiele, warum du überhaupt Fußball spielst oder Trainer bist. Du hast eigentlich keine Chance und wächst dann als Einheit über dich hinaus. Elf mal eins ergibt dann auf einmal 13.“
Ein Video „für die Ewigkeit“ gedreht
Nach dem Feiermarathon blieben noch knapp zwei Monate Vorbereitung auf die Partie gegen Essen. Warum es dort vorab kein Trainingslager gab, verrät Philipp Mayrhauser: „Wir waren uns schon irgendwo bewusst, dass wir das Wunder dann nicht noch toppen können und haben uns mehr auf das Event konzentriert.“ Vor dem Spiel gegen Essen wurden die verletzten Spieler des HSV kreativ, verkleideten sich als Fernseh-Team und interviewten Spieler und Trainer des HSV. „Das ist ein Video für die Ewigkeit“, schwärmt Ziegler. Der Torwart hatte sich vor dem Spiel gegen den Regionalligisten auch in sämtlichen Essener Fan-Foren angemeldet und Wetten mit den RWE-Anhängern abgeschlossen, wie er verrät: „Wenn ich nicht mehr als vier Tore hereinbekomme, wollten die Essener Fans kommen und mein Auto waschen. Da warte ich bis heute drauf.“
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Im Spiel gegen Rot-Weiss Essen war der Traum vom großen Wunder aber schnell vorbei, denn nach nur zwei Minuten musste Ziegler ein erstes Mal hinter sich greifen. Nach einem Eckball hatte Dirk Caspers das Leder per Kopf zum 1:0 versenkt. In den folgenden Minuten fegte die Essener Offensive weiter durch das Auestadion. Mike Wunderlich und Sascha Mölders bauten die Führung der Gäste nach einer guten halben Stunde mit ihren Treffern auf 2:0 und 3:0 aus. Der Stimmung bei den Hamminkelner Anhängern taten die Gegentreffer aber keinen Abbruch. Sie feuerten ihren HSV weiter frenetisch mit Gesängen und Bengalos im Flutlicht des Auestadions an.
So spielten sie damals
HSV: Ziegler; Haddick, Burghammer, Götz, Heikapell, Kinder, Krause (77. Altmann), Schneider (65. Sweers), Weirather, Storm (65. Bennewirtz), Wittig.
RWE: Maczkowiak; Schnier, Broniszweski, Neumayer, Bührer, Neubauer (46. Lemke), Caspers, Wunderlich (46. Tokat), Finke, Mölders (46. Aydin), Hinzmann.
Tore: 0:1 Dirk Caspers (2.), 0:2 Mike Wunderlich (28.), 0:3 Sascha Mölders (34.), 0:4 Sebastian Finke (66).
Kurz vor dem Ende der Partie wurde es noch einmal laut im Weseler Auestadion. Hamminkelns Angreifer Raik Wittig hatte nach einem tollen Alleingang den Ehrentreffer auf dem Fuß, doch er vergab die Chance. Die Gäste hatten derweil bereits auf 4:0 erhöht und waren schon sicher in der nächsten Niederrhein-Pokalrunde.
Niederlage hin oder her. Es wurde gefeiert. Auch einige Essener Spieler blieben auf ein Kaltgetränk in Wesel und begingen mit dem HSV und seinen Anhängern das bis heute unvergessene Erlebnis.