Oberhausen. Die Weltmeisterin und deutsche MMA-Legende Mandy Böhm trainiert Kinder und Jugendliche, um ihnen positive Werte zu vermitteln
Die jungen Leute kleben an Mandy Böhms Lippen. Tia Rosenau ist zwölf Jahre alt und mit ihren Eltern zu dem Trainingsabend mit der ehemaligen MMA-Profikämpferin und Weltmeisterin gekommen. Tia trainiert seit kurzem Kick-Boxen im Athletics Sport in Buschhausen und ist mit Begeisterung bei der Sache. Das freut ihre Eltern. Vater Rosenau: „Sie macht Sport in der Gruppe, hat Spaß dabei und ist körperlich und mental fit. Ich bin begeistert und deswegen sind wir hier mit viel Freude bei diesem Trainingsabend.“ Er und seine Frau verlassen dann den Raum im Jugendzentrum Place2be: Lass die jungen Leute mal machen.
Dort haben sich zunächst sechs Jungs und zwei Mädchen eingefunden, zwischendurch gucken immer mal wieder Vierer- oder Fünfergrüppchen vorbei, schnuppern ein paar Minuten rein, machen aber nicht mit.
Momi Guettari hat den Kontakt zu Place2be hergestellt
Die weit gereiste 34-jährige Böhm hat ihre Profi-Karriere in den USA beendet, ist mit ihrem Mann zurück gekehrt in ihre Heimat Gelsenkirchen und boxt nun professionell für den Oberhausener Stall Ugro. Trainer dort ist die Box-Institution Momi Guettari und der leitet auch eine Trainingsgruppe im Jugendheim Place2be. So lag es auf der Hand, eine junge Frau wie sie für einen Trainingsabend zu holen, die Sport und damit verbundene Werte lebt.
Mandy Böhm beginnt mit einer Vorstellungsrunde: „Ich bin hier, um euch abzuholen, wie schön Kampfsport ist. Wir werden Spaß im Team genießen.“ Sie erzählt kurz von sich, von Profi-Stationen in Deutschland, Irland, Schweden und schließlich Las Vegas, dass sie mit den besten Leuten auf der ganzen Welt zusammengearbeitet hat. Aber auch davon, dass sie an ihr Karriereende denken muss. „Ich gebe viele Trainingseinheiten an Schulen, fange schon mit Vierjährigen an. Demnächst eröffne ich eine Kampfsport-Schule.“
Dazu kommt eben Box-Training in Oberhausen für Ugro mit Momi Guettari, der schon Abass Baraou ausbildete, und ihre Trainingsarbeit im Place2be: „Das könnte man schon regelmäßig machen.“
Mit voller Konzentration beim Training dabei
Ihre Schüler sind weniger redselig: Jabad (14), Ilias (14) oder Mohamed (13) bekunden, dass sie keine speziellen Erwartungen haben, sondern einfach mal reinschauen wollten. Tia hingegen, die angehende Kick-Boxerin, weiß genau, was sie will und achtet präzise auf die Vorgaben von Böhm. Das tun die Jungs übrigens auch, konzentriert folgen sie den Anweisungen, wärmen sich auf und beginnen mit einfachen Partnerübungen. Alles in dem Bemühen, vernünftig Sport zu lernen und den Anweisungen der Profi-Sportlerin zu folgen. Nach der Einheit unterhält sich Böhm noch lange mit den jungen Menschen.
Zur Erklärung: Mixed Martial Arts, die Zusammenführung vieler asiatischer Kampfstile, kann in einem sehr kleinen Bereich brutal sein. Dies betrifft den fernsehgeldgesteuerten Hochleistungssportbereich, der fehlgeleitete Unterhaltungswünsche befriedigt. Die Macher davon sitzen vor dem Ring oder den Bildschirmen, im Ring stehen Sportler, die auf diese Weise Geld verdienen. In der Regel freiwillig und des Gesundheitsrisikos bewusst. In der ganzen Welt des Sports ist das ein Promillebereich.
Mehr gegen Vorurteile als gegen Gegner gekämpft
Was Böhm wichtig ist: „Ich habe in meinem Sportleben mehr damit zu tun gehabt, gegen Vorurteile zu kämpfen, als gegen Gegner. Viele glauben, wir spielen Fight Club. Stimmt komplett nicht. Sportler sind dazu da, jungen Menschen Werte zu vermitteln. Genau das versuche ich hier. Ich mache Formen, Akrobatik und präge Werte wie Disziplin und Toleranz.“
Wenn man sich Tia so beim Training anschaut, dann scheint es genau das zu sein, was bei dem Mädchen ankommt und ihre Eltern stolz macht.
Stellungnahme von Place2be: „Jungen Leuten Werte vermitteln
Schon im Vorfeld der Veranstaltung, allein durch eine Ankündigung in den Tagesmedien, dass für Kinder und Jugendliche ein Training von einer ehemaligen Martial-Arts-Kämpferin angeboten würde, gab es kritische Zuschriften und eine besorgte Anfrage der Verwaltung an den Leiter des Jugendzentrums Place2be, Meik Heuser.
Der nahm wie folgt Stellung an seinen Arbeitgeber, die Stadt Oberhausen (in Auszügen):
„Bei der beworbenen Veranstaltung handelt es sich um ein Trainingsseminar, nicht um ein Kampfsportturnier. Dabei sollen Teilnehmenden die Grundlagen des MMA-Sports aufgezeigt und das Interesse an dieser Sportart und am Sport im Allgemeinen geweckt werden.
Vollkontakt ausdrücklich nicht vorgesehen
Dabei steht die Vermittlung von Techniken sowie von Disziplin und Ethik im Vordergrund. Das Training besteht aus Aufwärmen, Ausdauerübungen, Übungen mit Pratzern, Sandsackarbeit, Sparrings- und Partnereinheiten. Übungen mit Vollkontakt sind ausdrücklich nicht vorgesehen.
Nach der Einheit wird es eine Reflexionsrunde mit pädagogischer Begleitung geben, bei der sich die Teilnehmenden mit der Trainerin über die gemachten Erfahrungen austauschen. Nochmals wird der verantwortungsvolle Umgang mit Kampfsporttechniken im Allgemeinen thematisiert.
Zielgruppe sind weibliche als auch männliche Jugendliche ab zwölf Jahren. Unsere männlichen Besucher, die überwiegend aus Familien mit patriarchalischen Strukturen stammen, sollen ein alternatives Frauenbild kennenlernen. Auch für weibliche Besucher stellt Frau Böhm ein Gegenbeispiel zur vorherrschenden Geschlechterrolle dar. So soll das Seminar nicht nur Wissen vermitteln, sondern einen Prozess des Nachdenkens bei allen Besuchenden anstoßen.
Feste Rollenbilder aufbrechen
Frau Böhm wurde von uns bewusst angefragt, weil sie in ihrer Sportart in der höchsten Klasse kämpft (vergleichbar Champions League Fußball) und somit absolute Spitzensportlerin ist und wegen ihrer Persönlichkeit geeignet ist, Geschlechts-Stereotypen aufzubrechen und Jungen als auch Mädchen zum Nachdenken anzuregen.“