Mülheim / Ruhrgebiet. Kapitäns- und Stoppregel gelten im Fußball jetzt auch in den Amateurligen. Funktioniert das? Drei Schiedsrichter mit einem Zwischenfazit.

  • Seit dieser Saison gelten die Kapitänsregel und die Stoppregel in allen Ligen im deutschen Fußball.
  • Die Schiedsrichter haben so zwei Mittel mehr, um Respektlosigkeiten und Eskalationen zu sanktionieren.
  • In den unteren Ligen im Ruhrgebiet scheinen ihre Erfahrungen damit bisher unterschiedlich, aber eher positiv zu sein.

Seit einigen Wochen gilt es. Schiedsrichter können die sogenannte Kapitänsregel sowie „Stoppregel“ auch im Amateurfußball anwenden. Von der Regional- bis runter zur Kreisliga bedeutet das, dass bei Diskussionen oder Rudelbildungen nur noch die Kapitäne der Mannschaften mit dem Unparteiischen reden dürfen. Andere Spieler, die sich daran nicht halten, sehen Karten. So soll, wenn nötig, für eine friedlichere und respektvollere Atmosphäre bei den Spielen gesorgt werden.

Aber wie sieht es in der Realität nach drei Spieltagen plus Saisonvorbereitung in den unteren Ligen des Ruhrgebiets aus? Dass es hier und woanders verbal hektisch oder physisch aggressiv, bis hin zu gewältig, hergehen kann, ist leider Tatsache. Bringen die neuen Regeln etwas? Machen die Schiedsrichter überhaupt Gebrauch von ihren neuen Möglichkeiten? Und: Verstehen das alle Spieler?

„Aber ich bin doch der Kapitän!“ – einige Spieler verwirrt

Martin Kadzioch pfeift im Kreis Duisburg, Mülheim und Dinslaken in der Bezirksliga. Er hat bereits Kurioses erlebt: „In meinem ersten Meisterschaftsspiel dieser Saison musste ich einem der Kapitäne Gelb-Rot geben. Erst hat er nach einer Unterbrechung wütend den Ball weggeschlagen, dann nach einem Foul gemeckert. Er war ganz verdutzt, und meinte: ‚Aber ich bin doch der Kapitän!‘ Da musste ich ihm erklären, dass Kapitänsregel nicht heißt, dass der Kapitän meckern darf.“

Meckern bleibt Meckern. Ansonsten, so Kadzioch, sei er aber überrascht, dass alle Spieler und Kapitäne sich auf die neuen Regeln vorbereitet hätten. „Ich finde die Einführung absolut zielführend und habe den Eindruck, dass es momentan ruhiger auf den Plätzen geworden ist“, zieht er ein erstes Zwischenfazit.

Kapitänsregel kommt öfters zum Einsatz, Stoppregel eher in Extremsituationen

Kadzioch, der auch als Schiedsrichterbeobachter in seinem Fußballkreis tätig ist, berichtet sogar von einer positiven Erfahrung mit der Stoppregel: „In einem Testspiel zwischen zwei Vereinen aus der Kreisliga C kam es zu einer Rudelbildung mit ersten körperlichen Auseinandersetzungen. Der Schiedsrichter hat dann das Stoppkonzept angewendet, und konnte die Situation sehr gut beruhigen.“

Fußball-Testspiel: 1. FC Mülheim-Styrum - Fatihspor Mülheim
Die Stoppregel ist kein Allheilmittel. Auseinandersetzungen, die damit nicht mehr zu lösen sind, führen nach wie vor zu Spielabbrüchen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die Stoppregel sollen Schiedsrichter vor allem in solchen physischen Extremsituationen anwenden, in denen größere Gruppen beider Teams aufeinander losgehen. Per Pfiff und Handzeichen werden alle Spieler dann in ihren jeweiligen Strafraum geschickt, die Kapitäne, und hierbei auch die Trainer, kommen mit dem Schiedsrichter im Mittelkreis zusammen, um über die Beendigung des Konflikts zu reden. Funktioniert das nicht, bleibt nach wie vor der Spielabbruch.

„Wenn man die Anerkennung so hat, braucht man nicht zu neuen Mittel greifen“

Wesentlich öfters sind aber natürlich Szenen, in denen einzelne oder mehrere Spieler mit der Spielleitung diskutieren wollen. Dann wird die Kapitänsregel angewendet. Oder besser gesagt: Kann angewendet werden.

„Ich persönlich gehe genauso empathisch in die Spiele wie sonst“, sagt Sebastian Steinbrink, der als Unparteiischer von der Landesliga bis zur Kreisliga A unterwegs ist. „Generell finde ich die Methoden sinnvoll, aber wenn man die Anerkennung auch so hat, braucht man nicht zu neuen Mitteln greifen.“

Sportfreunde Mülheim - Rot-Weiß Mülheim III / Fußball Kreisliga C in Mülheim an der Ruhr
Keine besonderen Ansprachen aufgrund der neuen Regeln: Schiedsrichter Devon Spliedt redet vor dem Spiel wie gewohnt mit den Kapitänen der Mannschaften. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Seinen Erfahrungen nach, hielten sich die meisten Spieler auch von selbst ans Regelwerk. „In einem Spiel hat sich ein Spieler zweimal über Abseits bei mir beschwert. Da hat ihn sein Kapitän selbst zur Räson gerufen, da muss ich nicht mit der Kapitänsregel kommen und diesem Spieler Gelb geben.“

Kapitänsregel: „Zählt das auch in der Kreisliga?“

Devon Spliedt aus Saarn hingegen hat, wie sein Schiedsrichterkollege Martin Kadzioch, Erfahrungen mit Irrungen und Wirrungen gemacht: „Den Spielern sind die neuen Regeln schon bewusst. Aber manche, ob Jugendliche oder Senioren, kommen vor dem Spiel zu mir und fragen zum Beispiel, ob die Kapitänsregel denn jetzt auch in der Kreisliga gelten würde.“

Fragen beantworte er gerne, mache vor dem Spiel aber keine besonderen Ansagen zu den neuen Regeln. „Ich muss davon ausgehen, dass Fußballspieler die Regeln ihres Sports kennen.“