Neukirchen-Vluyn. Seit einem Jahr sind Sporthalle und Tribüne des Julius-Stursberg-Gymnasiums in Neukirchen-Vluyn wohl nicht mehr zu benutzen. Ein Lichtblick.

Am Montag, 30. Mai, gab es eine erneute Begehung in der Sporthalle des Julius-Stursberg-Gymnasiums in Neukirchen-Vluyn, um nach dem Wassereinbruch im Juni 2021 vor allem den Stand der Dinge bei der nicht mehr nutzbaren Tribüne zu besprechen. Immerhin sei ja nun offensichtlich festgestellt worden, dass der Boden doch nicht für alle Zeiten zerstört worden ist. Bei dieser Begehung waren von der extrem gebeutelten Handballabteilung vom SV Neukirchen die beiden Spieler Marc von Ohle, Christian Böckel und der Abteilungsleiter Gregor Baar dabei. Baar ist langjähriger Industriemechaniker, Böckel diplomierter Maschinenbauingenieur und von Ohle diplomierter Bauingenieur. Alle mit jeweils mehr als 20 Jahren Berufserfahrung.

Zu von Ohles beruflichen Schwerpunkten gehören unter anderem Stabilitätsfragen im Stahlbau und Schweißtechnik. Sein Job führte ihn zuletzt auch zur Abnahme der Geschossdecke beim Sozialtrakt am Neubau der Fußballplatzanlage des FC Neukirchen-Vluyns. Kurzum ein ausgewiesener Fachmann bei Traglasten, Standsicherheit, gewohnt im Umgang mit den notwendigen DIN-Normen – und vor allem bestens vernetzt in seiner Branche.

Beim Baudezernenten Ulrich Geilmann vorgesprochen

Dieses Trio hatte beim Baudezernenten der Stadt, Ulrich Geilmann, vorgesprochen und konnte tatsächlich Ende Mai diesen ersten Termin in der Halle umsetzen. Seitens der Stadtverwaltung waren noch die Erste Beigeordnete und Kämmerin Margit Ciesielski sowie Christoph Borth, Architekt aus dem Hochbauamt, und der neue Hausmeister Steffen Janßen dabei.

„Wir wollten erst mal einfach nur schauen“, beschreibt von Ohle die sportlich nicht ganz uneigennützige Motivation. „Wir konnten uns schlichtweg nicht vorstellen, dass die Tribüne so komplett kaputtrepariert worden ist, dass sie nicht mehr zu benutzen ist.“ Zumal auf ihr vor dem Wasserschaden regelmäßig an den Heimspieltagen der Handballer meist mehr als 200 Besucher sich pudelwohl und perfekt untergebracht gefühlt haben. Inklusive der Bürgermeister Harald Lenßen und dessen Nachfolger Ralf Köpke.

Rustikale Reparaturversuche

Der Wasserschaden ist mittlerweile ein Jahr her. Seitdem mussten die Handballer in die nagelneue, wie bereits mehrfach berichtet, für Zuschauer absolut untaugliche Sporthalle an der Jahnstraße ausweichen, haben aus diesem Grund – trotz des sportlichen Klassenerhalts – den Gang aus der Verbandsliga in die Landesliga angetreten.

Nun nahmen die Fachleute Ende Mai die Konstruktion der Tribüne unterhalb der Sitzflächen in Augenschein. Einige eher rustikale Reparaturversuche wurden dabei natürlich entdeckt. Das war im Vorfeld bekannt. „Da sind Möbelführungsrollen aus dem Baumarkt als Führungsrollen eingebaut worden“, nennt von Ohle ein Beispiel. Das sei selbstverständlich nicht in Ordnung, könne aber problemlos behoben werden. Auch das „Rollensystem mit Lastplatten, auf dem die Tribüne, wenn sie herausgezogen ist, steht, sollte überprüft und repariert werden“, so der Experte.

Geänderte DIN-Normen und Vorschriften

Einfach um dem alten Boden, der nun wohl drin bleiben und weiter benutzt werden soll, nicht mutwillig zu schaden.

Auch Hallenfußball wurde regelmäßig in der Julius-Stursberg-Halle gespielt. Hier im Frauen-Kreisturnier mit dem SV Budberg (weiß) gegen FC Neukirchen-Vluyn.
Auch Hallenfußball wurde regelmäßig in der Julius-Stursberg-Halle gespielt. Hier im Frauen-Kreisturnier mit dem SV Budberg (weiß) gegen FC Neukirchen-Vluyn. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Dass allerdings laut der Machbarkeitsstudie vom Unternehmen „Walter Architektur“ die gesamte Tribünenkonstruktion so nicht mehr genehmigungsfähig sei, hält von Ohle eher für fraglich. „Wir können ja nicht jedes Mal irgendwelche Hallen oder andere Gebäude schließen und abreißen, weil sich DIN-Normen oder Vorschriften ändern.“ Er versteht allerdings auch den Hintergrund dieser Studie. „Damals wurde noch davon ausgegangen, dass der Boden auf jeden Fall erneuert werden müsse.“

Das ist aber weitgehend vom Tisch. Die Stadt will nun erst einmal den Schulsport wieder zulassen – und die Belastung mit einem Monitoring beobachten, wie sich der Hallenboden verhält. Christian Böckle schlägt hingegen vor, die Handballer in den Sommerferien reinzulassen und die Belastungen zu beobachten.

Marc von Ohle hat jedenfalls große Hoffnung, dass die Tribüne bei entsprechender Instandsetzung weiter benutzt werden könnte. Sowohl ein Sanierungskonzept, statische Nachweise und vor allem eine qualifizierte Kostenschätzung und Eigenüberwachung sowie unentgeltlich oder eben zu Minimal- beziehungsweise Materialkosten könnten die „vereinseigenen“ Fachleute qualifiziert abliefern. Eine Offerte, die den Verantwortlichen der Stadt übrigens bereits mündlich unmittelbar nach dem Wassereinbruch und der Machbarkeitsstudie gemacht wurde.

Von Ohle versteht die Motivation

Von Ohle versteht auch die Motivation der beiden Sachverständigen für Sportstättenbau, von denen es nur wenige Experten in Deutschland gib, die eine gutachterliche Beurteilung abgegeben haben und gleichzeitig bei einer Weiterbenutzung der bestehenden Tribüne nicht für eine Betriebsgenehmigung zur Verfügung stünden. Immerhin sind das mit der Kölner Walter Weber Bau GmbH und der Stuttgarter Götz GmbH Raumtragwerke zwei Unternehmen, die selber im Tribünenbau tätig sind und selbstverständlich keine Tribüne von Fremdfirmen abnehmen möchten.

Lukrativer wäre für beide Firmen, wenn sie eine neue Tribüne einbauen könnten. Das würde mittlerweile allerdings geschätzte 330 000 Euro kosten. Die vor einem Jahr veranschlagten 250 000 Euro sind nach nur einem Jahr Schnee von gestern – in der momentanen Wirtschaftssituation Tendenz steigend.

Kosten von 250.000 auf mittlerweile geschätzte 330.000 Euro

Marc von Ohle setzte sich schließlich mit den beiden Unternehmen in Köln und Stuttgart in Verbindung, hatte „prima Gespräche unter Kollegen“ und erhielt schließlich von einem Sachverständigen dort den Kontakt zu einem unabhängigen Sachverständigen, der zwar für deren Firma tätig ist, jedoch keine Tribünen verkaufen möchte. Unabhängige Sachverständige gibt es nicht viele. In Deutschland wohnen sie ganz verstreut.

Doch der Vorgeschlagene heißt Olaf Brandt ist Dipl-Ing. und wohnt quasi um die Ecke – in Baerl. Er habe auch sofort zugesagt, sein Fachwissen bei einem ersten Termin einzubringen. „Wenn der sagt, es klappt nicht, dann wäre es höchstwahrscheinlich das Aus“, so von Ohle.

Sachverständiger aus Baerl bietet sein Fachwissen an

Bei einem anderen Ergebnis hätten die SVN-Handballer dank ihrer Beharrlichkeit der finanziell extrem klammen Stadt Neukirchen-Vluyn viel Geld gespart. „Das wäre doch gelebte Nachhaltigkeit“, ist von Ohle sicher, damit tausende .

Doch mit dem Vorschlag den Fachmann aus Baerl zügig kommen zu lassen, begann nun ein kräftiges Termingerangel – vom 9. Juni über weitere Ansetzungen möglichst vor der Ratssitzung am morgigen Mittwoch, 17 Uhr, bis es schließlich Ende Juli wurde. Für die SVN-Handballer und alle Hallensportler aus der Stadt Neukirchen-Vluyn wieder anderthalb Monate verschenkt. Offensichtlich war ein Zusammenkommen nicht möglich. Wegen unüberbrückbare Terminüberschneidungen und Urlaubszeit.

Die nächste Handballsaison für den SVN, bis 2021 immerhin das sportliche Aushängeschild der Stadt Neukirchen-Vluyn, ist dann schon fast wieder vorbei, bevor sie angefangen hat. „Mittelfristig bedeutet der jetzige Zustand das komplette Aus für die Handballer“, befürchtet Abteilungsleiter Gregor Baar. Eine Abteilung, die in den vergangenen zehn Jahren gerade erst wieder eine komplette, nach wie vor wachsende Jugendabteilung mit mehr als 100 handballspielendem Nachwuchs aufgebaut hat. Allein das sind Kinder und Jugendliche die sich in dieser Stadt ansonsten über keinerlei ganzjährige kommunale Angebote freuen können.

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