Essen. Die Essenerin Enja Rösseling hatte ihren Traum von den Olympischen Spielen schon begraben. Was Belarus damit zu tun hat, dass sie doch dabei ist.
Mit Berg- und Talfahrten dürfte sich Enja Rösseling nun so richtig auskennen. Denn die 21-jährige Kanutin von der KG Essen hat auf sportlichem Sektor in den zurückliegenden Monaten so einige Auf- und Abs erlebt.
Den Eiffelturm und Paris nicht nur als Touristin zu erleben, sondern an den Olympischen Spielen teilzunehmen, das war der große Traum.
Essenenerin Rösseling sichert den Quotenplatz
Schon im Vorjahr hatten die fünf olympischen Ringe ihren Schatten vorausgeworfen bei der Heim-WM der Kanuten auf der Duisburger Wedau, ging es da doch um die sogenannten Quotenplätze der Verbände in Paris. Und Rösseling hatte dem Deutschen Kanu-Verband mit dem Viererkajak tatsächlich vier wichtige Startplätze gesichert. Daraufhin in den Olympiakader des DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) berufen, hatte sie sich eine gute Ausgangsposition für dieses Jahr verschafft.
Bei den anstehenden nationalen Sichtungen des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) aber werden die Karten immer neu gemischt. Und direkt musste Rösseling einen Rückschlag verkraften. Gesundheitlich angeschlagen, konnte sie nicht an den Start gehen. Der Druck war groß, zur zweiten und abschließenden Sichtung nur zwei Wochen später so richtig abliefern zu müssen.
Essenerin setzt sich im Ausscheidungsrennen durch
Mit einem Sieg im 500m-Einerkajak schaffte sie es tatsächlich, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Rund 100 Tage vor Paris war Enja Rösseling wieder im Rennen um eine Fahrkarte zu den Olympischen Spielen. Und die waren nur spärlich zu vergeben. Denn im Kajak-Damenbereich können nur maximal sechs Aktive in den Zug nach Paris steigen! Nicht nur bei Rösseling war zu diesem Zeitpunkt das Lächeln zurückgekehrt; sondern auch bei Joaquin Delgado, Damentrainer am Essener Bundesstützpunkt. „Dieses Mädel ist einfach unfassbar, was sie so alles leisten kann“.
„Die Vorbereitung mitzumachen, dann aber nicht dabei zu sein und abzureisen, wenn es losgeht, das war schon schwer vorstellbar.“
Durch das fehlende Ergebnis bei der ersten Sichtung stand dann aber ein verbandsinternes Ausscheidungsrennen in Kienbaum an – da galt es, sich auch gegen Vereinspartnerin Caroline Arft und die Karlsruherin Gesine Ruge durchzusetzen. Wieder eine Situation mit viel Druck, die Enja Rösseling als Siegerin für sich meistern konnte. Sie wurde für den Weltcup in Posen als internationale Olympia-Qualifikationsmöglichkeit nominiert; Paris schien näher zu rücken. Es war davon auszugehen, dass sie die sechste Frau im Olympiateam sein würde.
Ernüchterung in München: Kanuverband setzt auf ein anderes Boot
Die anschließend große Ernüchterung folgte nach der Anreise ins DKV-Trainingslager in München. Denn dort erfuhr sie, dass dem Antrag des DKV, einen Startplatz aus dem Kajak-Damenbereich in den Canadier-Damenbereich umzulagern, stattgegeben wurde. „Paris ade“ hieß es da für Enja Rösseling. „Die Enttäuschung war natürlich groß und das musste ich vor Ort erst einmal verdauen und eine Nacht drüber schlafen“, so Enja Rösseling.
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Ihre Entscheidung fiel dann in Absprache mit dem Verband. Statt als Ersatzfahrerin mitzufahren, außerhalb des Olympischen Dorfes untergebracht zu werden und mit dem ersten Start der Teamkolleginnen abreisen zu müssen, wollte sie sich auf die U23-Weltmeisterschaften konzentrieren. „Die Vorbereitung mitzumachen, dann aber nicht dabei zu sein und abzureisen, wenn es losgeht, das war schon schwer vorstellbar“. Alternativ bot sich die Möglichkeit, an der U23-WM teilzunehmen. „Und dann wollte ich mich doch eher darauf konzentrieren.
Vorbereitung auf die U23 WM läuft – dann folgt die Überraschung
Doch damit nicht genug. Gerade erst ergab sich mitten in der Vorbereitung auf die U23-WM in Duisburg die nächste Wende. Da bat sie Joaquin Delgado zu einem Gespräch mit dem DKV-Sportdirektor Jens Kahl. „Und ich dachte schon, oh je, was ist nun?“, erzählte Enja Rösseling einen Tag später. Nicht jubelnd wohlgemerkt, sondern offensichtlich immer noch etwas ungläubig. Denn ihr wurde mitgeteilt, dass einige Verbände (in diesem Fall Belarus) Startplätze zurückgegeben hätten, von denen der DKV ganz oben in der Nachrückerliste stehend profitiert hätte. „Da hat mich Dr. Kahl gefragt, ob ich nachnominiert werden und in Paris im 500m-Einer an den Start gehen möchte?“ Was für eine Frage. „Natürlich habe ich ja gesagt. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich noch so eine Chance bekomme“, konnte Enja Rösseling das nächste Wechselbad der Gefühle noch nicht so richtig realisieren.
Und direkt stand für sie die nächste Entscheidung an: Teilnahme zuvor an der U23-WM ja oder nein? Auch hier wurde eine Lösung gefunden. Da nicht nur ein Start von Enja im Einer, sondern auch Zweier bei der U23-WM vorgesehen war, blieb es bei dem Plan eines WM-Starts, um anschließend mit wenigen Tagen Verspätung zur Olympiamannschaft zu stoßen und sich auf Paris vorzubereiten. Vor Ort in Plovdiv aber musste Enja nach einem Vorlaufsieg im Zweier aufgrund gesundheitlicher Probleme sicherheitshalber den Wettkampf abbrechen.
Keine Frage, dass sich viele nicht nur aus dem Essener Kanulager für Enja Rösseling gefreut haben. Für die die lange Berg- und Talfahrt nun mit einer Bergfahrt und dem erfüllten Traum von einer Olympiateilnahme endet.
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