Essen. Michiah Quick ist Hoffnungsträger der Assindia Cardinals. Seit April lebt der US-Amerikaner mit einem Teamkollegen in Essen. Wir haben ihn besucht.

Über dem Bett hängt ein großes Bild von der Golden Gate Bridge in San Francisco, auf der linken und rechten Seite steht jeweils ein Nachttisch. Michiah Quick schaut in den Spiegel, der an der Wand befestigt ist, und lässt die Augen über sein Outfit schweifen, bevor er in ein paar Minuten zum Training abgeholt wird. Dann dreht sich der US-Amerikaner um, verweist auf die Jalousie am Fenster.

„Wenn ich sie heruntermache, ist es komplett dunkel“, sagt Quick. „So kann ich mich am besten entspannen.“ Sein Zimmer ist der Rückzugsort des 28-Jährigen, der seit dieser Saison Football bei den Assindia Cardinals in Essen spielt. Im Nordwesten der Stadt teilt sich Quick seit eineinhalb Monaten eine Wohnung mit seinem neuen Teamkollegen Rashaan Miller.

Cardinals: Quick und Miller teilen Erfahrung gemeinsam

„Mein Mitbewohner ist wundervoll, er kommt auch aus Kalifornien“, erzählt Quick, der in Fresno in Kalifornien geboren ist. Miller ging dort zur Schule. Beide hatten in der Vergangenheit denselben Trainer, über den der Kontakt zu Essens Coach Sherman „DJ“ Anderson zu Stande kam – allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten. „Wir können die Erfahrung hier gemeinsam teilen. Das macht es einfacher“, meint Quick. „Wir machen viel zusammen, was uns beiden sehr hilft.“

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Die Wohnung ist simpel eingerichtet: Jeweils ein Schlafzimmer, Küche, Bad, Wohnzimmer – und sogar einen kleinen Balkon hat das Duo. Wenn sie sich nicht gerade in ihrem eigenen Zimmer entspannen, halten sich Quick und Miller zusammen im Wohnzimmer auf: Quick chillt auf der Couch, Miller an einem kleinen Tisch. Nachdem der Wide Receiver von den Vereinigten Staaten nach Deutschland reiste, sich an den Zeitunterschied von neun Stunden gewöhnen musste, habe er es sehr genossen, viel Entspannung und Ruhe zu bekommen.

Rashaan Miller und Michiah Quick von den Assindia Cardinals.
Rashaan Miller und Michiah Quick von den Assindia Cardinals. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Zumal die tägliche Routine dem Körper einiges abverlangt: Der Wecker klingelt um fünf Uhr, eine Stunde später geht es ins Fitness-Studio. Danach wartet das Frühstück, eine Dusche und ein „Nap“ (Nickerchen). Wenn Quick wieder wach ist, dehnt er sich, schaut Fernsehen, macht sich etwas zu essen. „Wir kochen viel“, sagt er. Reis, Gemüse und Fleisch sind hoch im Kurs bei Quick und Miller – „nichts Besonderes“.

Cardinals-Profi Quick: „Döner hat mir sehr gut geschmeckt“

Zum Frühstück gibt es normalerweise Eier und Kartoffeln. Und haben sie auch schon die deutsche Küche getestet? „Ich habe gelernt, dass Döner eine türkische Mahlzeit ist“, erklärt Quick schmunzelnd. „Also nicht wirklich. Ich habe gedacht, dass es aus Deutschland kommen würde, aber es hat mir sehr gut geschmeckt.“ Sein erster Aufenthalt hierzulande ist es nicht: Bereits 2021 lebte Quick für knapp ein halbes Jahr in Deutschland, spielte in der Ersten Liga (GFL) für die Munich Cowboys.

Michiah Quick von den Assindia Cardinals im Interview mit Julian Lötte, Freier MItarbeiter der WAZ-Sportredaktion.
Michiah Quick von den Assindia Cardinals im Interview mit Julian Lötte, Freier MItarbeiter der WAZ-Sportredaktion. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

„Ich habe es hier geliebt, das war eine großartige Möglichkeit.“ Nach der Saison kehrte er zurück in die USA, gründete 2022 eine gemeinnützige Organisation mit den Namen „Quicker Essentials“, für die er auch von Deutschland aus dem Home-Office arbeitet. Die Organisation veranstaltet Football-Trainingscamps und andere Aktivitäten für Kinder in den USA. Die Kinder sollen lernen, Football zu spielen, so motiviert werden, raus zu gehen, aktiv zu bleiben.

Durch die Camps sollen sie sich allerdings auch weiterbilden, die Teilnehmer werden mit Materialen wie Rucksäcken und Stiften versorgt. Die Teilnahme ist kostenlos, das Projekt richtet sich an Kinder aus allen sozialen Schichten. Schon während seiner Zeit auf dem College arbeitete Quick für verschiedene gemeinnützige Organisationen.

„Eines meiner Ziele ist es, hier Camps zu veranstalten“, erklärt Quick. „Ich weiß, dass American Football hier wächst. Mit meinem Hintergrund glaube ich, tolle Dinge für das Land machen zu können, um den Sport für die Kinder weiterzuentwickeln und ihnen dieselben Möglichkeiten wie in Amerika zu eröffnen, zum College zu gehen oder Profi zu werden.“ Ob er nach der Regionalliga-Saison mit den Cardinals gleich zurück nach Amerika reist? Das steht dementsprechend noch nicht fest.

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Cardinals: Fahrgemeinschaft zum Training und den Heimspielen

Dabei ist das eigentlich der übliche Weg bei Verstärkungen aus dem Ausland: Die Spieler reisen kurz vor Saisonbeginn – normalerweise im April – nach Deutschland, der Verein bezahlt die Flüge, stellt ihnen eine Wohnung, sie bekommen ein monatliches Gehalt. Im August oder September, wenn die Saison vorbei ist, geht es zurück in ihr Heimatland. Quick ist viel mit der Bahn oder dem Bus unterwegs, zum Training und den Heimspielen wird er allerdings von einem Teamkollegen abgeholt – und das nicht alleine.

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In seiner Straße wohnen noch weitere Cardinals-Spieler, bilden zusammen Fahrgemeinschaften. „Wir haben hier unsere kleine Community“, erklärt Quick. Rund eine halbe Stunde fahren Quick, Miller und Co. zum Trainingsgelände der Assindia Cardinals. Viel von Essen habe er neben dem Fitnessstudio und dem Trainingsplatz noch nicht gesehen. Was ihm aber einfällt: „Ich mag die Mall in Oberhausen, das Centro. Das war sehr cool“, erklärt der US-Amerikaner. „Ich liebe die Anlage und die Bedingungen von den Cardinals.“

Die ersten beiden Saisonspiele in der Regionalliga gingen allerdings verloren: 20:34 bei den Münster Blackhawks und 21:56 bei den Krefeld Ravens. Am Sonntag (15 Uhr, Am Hallo) empfangen die Cardinals die Ravens in ihrem ersten Heimspiel gleich zum Rückspiel – und Quick ist einer der Hoffnungsträger. „Ich hoffe, dass wir bei den Spielen in Essen viele Fans sehen“, sagt der Wide Receiver. In Krefeld erzielte Quick zwei Touchdowns und möchte im Rückspiel daran anknüpfen.

„Es hat sich gut angefühlt, für das Team zu scoren. Ich mag es, Touchdowns zu erzielen“, erklärt er. „Aber das muss ich noch mehr machen, wenn wir gewinnen wollen.“ In den USA spielte Quick in Oklahoma und seiner Heimatstadt Fresno auf dem höchste College-Niveau, verpasste allerdings den Durchbruch zum Profi, München war seine erste Profi-Station.

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Cardinals-Coach über Quick: „Bei uns macht er den Unterschied“

„Bei uns macht er auf jeden Fall den Unterschied. Er ist ein ruhiger Kerl, eine sehr umgängliche Person“, erklärt Cardinals-Coach Anderson. „Er reißt die Offensive an sich. Jedes Mal, wenn er den Ball in der Hand hat, ist es ein potenzieller Touchdown – egal, wer der Gegner ist.“

Nach dem Training geht es wieder nach Hause: Schnell etwas essen, eine weitere Dusche. Regelmäßig hat Quick Kontakt zu seiner Familie, er hat zwei Brüder und vier Schwestern. Nach der Dusche geht es wieder ins Bett, bis um fünf Uhr morgens wieder der Wecker klingelt – und Michiah Quick den nächsten Tag seines Profi-Traums in Deutschland leben darf.

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