Essen. Rhinos Rüttenscheid haben ihre Premiere in der Übergewichtigen-Liga gefeiert. Warum die BMI-Grenze gar nicht so strikt ist. 21 Fotos.

Aller Anfang ist schwer: Dass das mehr als nur ein Sprichwort ist, bekamen zuletzt die Rhinos Rüttenscheid schmerzhaft zu spüren. Zum Ligastart unterlagen die Essener den Big Boys des SC Buschhausen in Oberhausen deutlich mit 0:27.

„Mund abwischen und weitermachen“, lautet die Devise von Benjamin Meyer, Spieler und Betreuer der Rhinos. Denn im Vordergrund stand das Ergebnis für die Gastgeber ohnehin nicht, die Rhinos sind eben kein „normaler“ Fußballverein.

Rhinos Rüttenscheid trainieren auf Ascheplatz der Sportfreunde 07

Was die Spieler von Landes-, Bezirks- oder Kreisliga-Kickern unterscheidet: Sie sind übergewichtig, was gar nicht weiter schlimm ist, denn genau aus diesem Grund hat Michael Zocholl die Mannschaft im Sommer des vergangenen Jahres als erste dieser Art in Essen gegründet. Das Duell mit dem Meister der Vorsaison war die Pflichtspiel-Premiere der Rhinos, die den Sportfreunden 07 angegliedert sind und auf deren Ascheplatz trainieren, in der ersten Übergewichtigen-Fußball-Liga in NRW (ÜFL), die im vergangenen Jahr gestartet ist.

Das erste Ligaspiel der Rhinos Rüttenscheid ging gegen die Heavy Kickers aus Oberhausen mit 0:27 verloren.
Das erste Ligaspiel der Rhinos Rüttenscheid ging gegen die Heavy Kickers aus Oberhausen mit 0:27 verloren. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

„In einem normalen Team hat man fast keine Chance mit einem BMI von über 30 oder 35. Dort ist man eigentlich abgeschlagen, kommt sportlich nicht hinterher“, erklärt Meyer. Um in der Übergewichtigen-Liga, in der künftig auch der TVD Velbert mit seinem Team „Big Bäumer“ antreten möchte und aktuell noch Mitspieler und Mitspielerinnen sucht (Kontakt über bigbauemer@t-online.de oder Instagram), spielberechtigt zu sein, ist ein BMI von über 30 Pflicht. Vier Spieler einer Mannschaft dürfen einen BMI von 28 bis 31 haben, davon aber nur zwei gleichzeitig spielen. Nimmt ein Spieler durch den Sport ab und unterschreitet den 31er BMI, darf dieser bis maximal auf 28 sinken.

„Leute sollen sich wieder bewegen“: Das wollen Rhinos mit dem Projekt erreichen

„Wir haben die Mannschaft ja gegründet, damit sich die Leute mal wieder bewegen“, sagt Meyer. „Das ist der Kernpunkt und zum anderen, dass die Leute wieder einen Gemeinschaftssinn haben.“ Viele sitzen abends nach der Arbeit auf der Couch, erklärt der 39-Jährige, der Fan von Rot-Weiss Essen und leidenschaftlicher RWE-Trikotsammler ist. „So hat man irgendwie wieder einen Anreiz, einmal in der Woche zum Training zu gehen.“

Der Zulauf ist groß, ein zweiter Trainingstag sei momentan in Planung. Viele Spieler hätten danach gefragt, so Meyer. Dabei galt das Projekt im Winter des vergangenen Jahres schon fast als gescheitert, im November und Dezember trainierten die Rhinos nur mit einer kleinen Gruppe von Spielern. Über Weihnachten und Neujahr aber rührten die Verantwortlichen noch einmal die Werbetrommel: Thema Neujahrsvorsätze, auch das Radio berichtete.

Lesen Sie hier: Fußballteam für Übergewichtige - so entstand die Idee der Rhinos Rüttenscheid.

„Seitdem haben wir einen enormen Zulauf, sodass wir nahezu jede Woche zwei neue Anfragen bekommen“, sagt Meyer. Die vielen Anfragen zwangen die Rhinos zu einem Aufnahmestopp. Bereits 30 Spieler zählen zum Kader, nur 15 dürfen am Spieltag im Aufgebot stehen. Das sei fast schon ein Fall für eine zweite Mannschaft, erklärt Meyer mit einem Schmunzeln. Vom Arzt über den Schuldirektor bis hin zu „normalen“ Kaufleuten und Online-Trainern: Jeder ist willkommen, aus allen Berufsfeldern sind Spieler dabei, darunter übrigens auch Frauen.

Rhinos: Spieler werden wieder akzeptiert und verstanden

Auch aus anderen Städten wie Gelsenkirchen, die noch keine Übergewichtigen-Teams haben, kommen die Leute nach Essen. In ihren Vereinen sind sie nicht mehr zum Zuge gekommen, erhielten keine Spielzeit mehr, als ein paar Kilos dazugekommen sind. In Essen werden sie jetzt wieder akzeptiert und verstanden. „Hier ist halt alles möglich“, meint Meyer. „Wir spielen alle im selben Tempo, haben alle ungefähr dieselben Gewichte zu tragen. Dementsprechend kann jeder wieder mithalten.“

Künftig könnte auch zwei Mal in der Woche bei den Rhinos trainiert werden.
Künftig könnte auch zwei Mal in der Woche bei den Rhinos trainiert werden. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Dass die Rhinos mithalten können, haben sie bereits bewiesen: Das Testspiel gegen die ebenfalls neu gegründeten Wedau Grizzlys aus Duisburg, die auch in der ÜFL an den Start gehen, entschieden die Rüttenscheider mit 4:2 für sich. Im zweiten Testspiel gegen die Damen der Sportfreunde 07, denen sie beim ersten Vergleich noch mit 1:6 unterlagen, trennten sich die Rhinos 2:2. Dass der Liga-Auftakt gegen die Big Boys weniger erfolgreich verlief, hatten die Essener eingeplant.

Rhinos müssen sich erst einmal an den Wettkampf gewöhnen

Einen Kritikpunkt hat Meyer aber dennoch: „Der Gegner war gespickt mit guten Amateursportlern, die hoch bis zur Regionalliga gespielt haben“, erklärt der gebürtige Recklinghäuser, der seit über 15 Jahren in Essen wohnt. „Das verstößt zwar nicht gegen die Regeln, ist aber trotzdem mit dem eigentlichen Gedanken der ÜFL nicht zu vereinbaren.“ Am 27. März (19.30 Uhr) steht nun das Duell mit den Heavy Kickers aus Selm an – diesmal in Essen.

„Ein bisschen Routine ist drin, aber das kommt im Laufe der Saison. Nächstes Jahr sind wir dann auf jeden Fall konkurrenzfähig.“
Benjamin Meyer, Trainer und Betreuer der Rhinos Rüttenscheid

In der ersten Spielzeit rechnen sich die Rhinos aber ohnehin nicht viel aus, erst seit knapp zwei Monaten trainieren sie in dieser Konstellation. Erst einmal akklimatisieren, wieder an den Wettkampf gewöhnen, darum geht es. „Ein bisschen Routine ist drin, aber das kommt im Laufe der Saison“, sagt Meyer. „Nächstes Jahr sind wir dann auf jeden Fall konkurrenzfähig.“