Essen. Unglaublich, welche Trikots Benjamin Meyer gesammelt hat! Er hat sie uns gezeigt und verrät, wie das perfekte Rot-Weiss Essen-Jersey aussieht.
Der Schuldige ist schnell gefunden und er heißt Christian Telch. Als das Spiel am 19. Mai 2013 bei den Sportfreunden Lotte abgepfiffen war, schenkte Rot-Weiss Essens Rechtsverteidiger einem Fan sein dreckiges, vollgeschwitztes Trikot. „Damit ist die Sammelwut losgegangen“, sagt Benjamin Meyer heute.
Telch hatte ihm, dem rot-weissen Vielfahrer, sein erstes, so genanntes „Matchworn“-Trikot überreicht; ein getragenes Jersey. „Innerhalb weniger Wochen“, erzählt Meyer, „waren schnell 50 Trikots zusammen. Manche sammeln Lego, andere Autos und übertreiben es dann. Bei mir...“, und hier muss der 38-Jährige selbst grinsen, „sind es eben Trikots.“
Rot-Weiss Essen: Fan Meyer besitzt Trikots aus sämtlichen Jahrzehnten
Sammelwut, dieses Wort mag martialisch klingen, es ist aber eine treffende Beschreibung: Benjamin Meyer besitzt inzwischen 530 RWE-Trikots, rund 480 davon „Matchworn“. Er nennt sich auf Instagram „Trikotkiste Bergeborbeck“.
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Unter diesem Namen ist er in der Fanszene bekannt wie ein buntes Torwarttrikot aus den 90er-Jahren – ein Exemplar davon hat er, natürlich, in seinem Schrank hängen, und auch: die klassischen Trikots, rot und weiß, sind dort aufgereiht. Herrlich, wie sie Geschichte verströmen.
Das blau-gelbe Ukraine-Sondertrikot, die grauen, die blauen, die grünen, die schlichten, die schrillen Jerseys. Ein lilafarbenes aus der Saison 2006/07 ist auch dabei – die Strunz-Ära: Trikots und Fußball, von dem einem die Augen schmerzen. Für Meyer ist es das hässlichste seiner Sammlung. „Es hat mit den Stadtfarben oder dem Verein überhaupt nichts zu tun.“
Man kommt gar nicht hinterher: abgedrehte 80er- und 90er-Leiberl, welche mit Glitzer, damit sie unter Flutlicht gut zu erkennen sind, Sondereditionen. Und natürlich springt das rot-weiße, dicke Baumwolltrikot ins Auge, das jeder von Schwarz-Weiß-Fotos kennt. Das sieht doch aus, als hätte es Willi „Ente“ Lippens in der Bundesliga getragen! Richtig, es gehörte der RWE-Ikone schlechthin. „Jemand hat das für 660 Euro bei eBay reingestellt, ich habe es dann für 350 Euro gekriegt.“ Was für ein Schnäppchen, dazu ein ganz besonderes. „Die Nummer elf, das war immer Willi Lippens. Sein Trikot mit der elf steht für sich.“
Um rare Trikots ist ein Hype ausgebrochen
Viel verbindet Meyer mit dem Shirt, das Simon Engelmann bei einem seiner ersten Spiele für RWE in Kleve trug. Was dann alles folgte: DFB-Pokal-Lauf, Aufstieg, Klassenerhalt, Abschied als Legende. Meyer hat ebenso ein Trikot aus Engelmanns letztem RWE-Spiel, dem Niederrheinpokalfinale gegen Oberhausen.
Alle Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:
- Dabrowskis Dilemma: Wie Götze RWE-Kapitan Bastians verdrängt hat.
- An diesem Auftritt muss sich Rot-Weiss Essen messen lassen.
- „Man erkennt eine DNA“: Wie sich RWE verändert hat.
Kurios ist die Geschichte, wie das „I love Ruhrgebiet“-Spezialshirt den Weg in seine Trikotkiste fand. „RWE hat 2005 Werbung für die Kulturhauptstadt gemacht und das Trikot einmal getragen. Der Besitzer konnte nichts damit anfangen.“ Meyer aber konnte.
Längst haben getragene und seltene Trikots einen immensen Wert. Rund sieben, acht „Jäger“ gibt es im rot-weissen Kosmos, ein paar verborgene Sammler dazu. Man versteht sich, man hilft sich, man ist vernetzt – und fair zueinander. „Wenn ich ein Trikot sehe, das zu einem zu niedrigen Preis angeboten wird, dann sage ich das auch transparent und biete mehr“, sagt Meyer. Einmal flatterte ein ganz und gar unverschämtes Angebot bei ihm selbst herein. 80.000 Euro für die ganze Sammlung? Er lehnte ab.
Der Hype ist real, mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen. Inzwischen sieht man sie oft in den Bundesliga-Stadien, die Plakate von Fans, die Spieler um Trikots bitten. „Bei uns“, ergänzt Meyer, „sind es noch nicht so viele. Es fällt daher auf, wenn ein Spieler ein Trikot abgibt und es ein paar Tage später irgendwo angeboten wird.“
Vintage ist in, Retro beliebt. Ein Riesenmarkt ist deutschlandweit und darüber hinaus mit alten Trikots entstanden. Manch ein Kultstück liegt womöglich noch im Keller umme Ecke vergraben. Andere haben hunderte Kilometer hinter sich, bevor sie bei Verrückten wie Meyer landen. Er hat welche aus Südamerika, Thailand und der Ukraine zurück nach Essen geholt.
Rot-Weiss Essen: Dieses Trikot sucht Sammler Benjamin Meyer
Wie das? Aussortiert, Altkleiderspende – und heute reißen sich Sammler drum. Welches ihm noch fehlt? Meyer muss überlegen. „Das Deichmann-Trikot aus der Saison 76/77, es war das erste RWE-Trikot mit Sponsor. Ich habe es einmal im Stadion gesehen.“ Da klingt Wehmut mit.
Im Schnitt schlägt er dreimal im Monat zu; mal mehr, mal weniger. Verkaufsplattformen wie eBay sind eine Anlaufstelle. Dazu hilft es, bekannt zu sein. Meyer bekommt Tipps und wird angesprochen, er beobachtet den Markt aufmerksam. Ohnehin sieht der Altenessener manchmal mehr als der Otto-normal-Hafenstraßengänger. Ist Ihnen etwa aufgefallen, dass Jahn Regensburg das eigene Wappen auf dem Stutzen trägt?
„Ich finde das total cool“, sagt Meyer, das werde er dem RWE auch mal vorschlagen, der Draht glüht: Schon oft hatte er mit Marcus Uhlig Kontakt, beim Design des Aufstiegstrikots 2021/22 half er. Die Idee, die Essener Stadtteile auf dem Jersey abzubilden, initiierte Meyer mit. Nur das aktuelle gefällt ihm nicht, der Stoff: zu dünn. Und zu teuer. „Klar gibt es genügend Fans, die alles kaufen, aber ein Trikot für 80 Euro kann sich die breite Masse nicht leisten.“
Und so bleibt eigentlich nur eine Frage: Wie sieht es aus, das perfekte RWE-Trikot? Da gibt es keine Diskussion für Benjamin Meyer: „Standard rot mit weißem Kragen, ohne Schnickschnack, ohne Streifen, keine Spirenzkes.“
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