Düsseldorf. Die National Football League hatte mit der NFL Europe von 1995 bis 2007 eine Menge vor. Dann wurde die Sache zu teuer – und plötzlich eingestellt.

An der finalen Vision durfte Düsseldorf einmal schnuppern. Es war Anfang Februar 2002. Die National Football League (NFL) präsentierte am Vorabend des Super Bowls XXXVI ihren idealen Vermarktungswunsch im alten Rathaus am Jefferson Square zu New Orleans. In zehn Jahren würden drei Teams in eine weltweit spielende NFL integriert: Tokio, Frankfurt Galaxy – und Rhein Fire aus Düsseldorf. Der damalige General Manager Alexander Leibkind, auch ein Macher mit Visionen, bestaunte den Mix aus Real- und Comicfilm durchaus fasziniert.

„Bring mir einen Teambesitzer, der 50 Millionen US-Dollar hinblättert, und wir machen es“, erklärte der einstige Olympia-Teilnehmer von 1976 im Judo damals gegenüber der Redaktion. Es kam allerdings nie ein superreicher und vor allem mutiger Unternehmer. Dabei stand Leibkind mit Rhein Fire auf dem Schaffenszenit mit fast 35.000 Zuschauern pro Heimspiel plus einem spektakulären World-Bowl-Finale.

An in die Grasnarbe: Jacque Lewis von Rhein Fire (links) im Spiel bei den Hamburg Sea Devils.
An in die Grasnarbe: Jacque Lewis von Rhein Fire (links) im Spiel bei den Hamburg Sea Devils. © Fishing4 | Fishing4

53.109 Fans kamen zum letzten Spiel ins Rheinstadion. Status Quo spielte im Rahmen des einstündigen Vorprogramms, Tennisidol Boris Becker streichelte aus dem Reigen der Prominenz lächelnd den World Bowl. Am Ende verlor Fire mit Spielmacher Tee Martin knapp gegen Berlin Thunder. Was der einzige Makel war. Das feuerwerkartige Finalpaket ließ sich nämlich kaum steigern. Wenige Wochen später wurde die Rheinstadion-Krake mit ihren 36 Betonarmen gesprengt – für eine Arena, die Olympia an Rhein und Ruhr zaubern sollte. Was bekanntlich missglückte.

500 Millionen US-Dollar investiert

Nur fünf Jahre nach dem Rheinstadion-Ende war auch Rhein Fire, war auch die 1995 aus der Taufe gehobene Europa-Liga der NFL mit sechs Teams Geschichte. Zurück blieben mehr als ein Jahrzehnt amerikanisches Lebensgefühl in Düsseldorf. Eine von März bis Juni fortschreitende, von ohrenbetäubenden Trillerpfeifen und Altbier garnierte Footballparty. Auch sonnige Trainingslager in Tampa Bay. Geschichten von jungen Collegespielern, die via Düsseldorf den Weg zu Millionen-Verträgen in der NFL suchten. Meist vergeblich.

Am Ende stand eine bittere Erkenntnis: Das Investment der 32 NFL-Teambesitzer von über 500 Millionen US-Dollar rechtfertigte der den überschaubaren Ertrag an neuen Talenten für die US-Liga aus der Europe League am Ende kaum. Der Plan, die Liga auf zwölf Teams aufzustocken, einen starken TV-Partner und noch mehr Sponsoren zu finden, erwies sich als Utopie.

Eine chaotische Startsaison 1995

Am 29. Juni 2007 wurde der Stecker gezogen. Sammy Schmale hat jenen Freitag in schlechter Erinnerung. „Das war sicher die schwärzeste Stunde meiner Laufbahn“, sagt der General Manager, der im Herbst 2004 den zwei Jahre später in New York an einer Herzattacke erlegenen Alex Leibkind beerbt hatte. Schmale, der seit mehr als zehn Jahren als Personal Trainer arbeitet, war als Organisationschef einer der wenigen Mitarbeiter der ersten und letzten Stunde bei Rhein Fire.

Immer mit dabei: Die Cheerleader der Pyromaniacs bei Heimspielen von Rhein Fire in Düsseldorf und auf Schalke.
Immer mit dabei: Die Cheerleader der Pyromaniacs bei Heimspielen von Rhein Fire in Düsseldorf und auf Schalke. © imago | imago

Erst nach einer leicht chaotischen Startsaison 1995 und durch einen Lernprozess entwickelte sich Rhein Fire im eigentlich von der Fortuna und der DEG dominierten Düsseldorf zur zwischenzeitlich beliebtesten Sportmarke.

Ab 1996 wurde das frühere Essener und Dortmunder Fußball-Schlitzohr Manfred Burgsmüller vom PR-Gag zum Kult-Kicker. Der verdoppelte beim ersten Auftritt die Zuschauerzahl auf 32.000, erzielte bis 2002 satte 304 Punkte und verschoss Feldtore oder Extrapunkte nach Touchdowns überaus selten.

Die Pyromaniacs galten als beste Cheerleader-Truppe der NFLE. Die Pferde Touchdown und Extrapunkt ritten im Rheinstadion ihre Ehrenrunden. Über die Mikrofone hallten enthusiastische Kommentare zum Spielgeschehen, das gerade in den Anfangsjahren nur wenige Regelkundige überblickten: erst von Frank Seidel, dann Jan Stecker, der bei Pro7 Maxx immer noch über die NFL berichtet.

Jubel mit Jim Arellanes und Danny Wuerffel

Auf der Internetplattform Fire Planet tauschten sich die Fans euphorisch aus. Es wurde stets auf den World Bowl hingefiebert. Das Finale des Vorrundenersten gegen den -zweiten bündelte sich im zauberhaften Doppelwort, das den Mund zum Kuss spitzt. Die gläserne Trophäe des Siegers wog übrigens stattliche 18,6 Kilogramm.

Rhein Fire holte die Kugel 1998 mit Ersatz-Spielmacher Jim Arellanes für den verletzten Mike „Mighty“ Quinn, dazu mit Quarterback Danny Wuerffel zwei Jahre später, jeweils im alten Frankfurter Waldstadion.

Doch schon im Jahr 2002, trotz der eingangs erwähnten Vision, war ein Abschwung spürbar. Rhein Fire musste wegen dem Arena-Neubau in Düsseldorf weichen. Auf Schalke versprach sich Manager Rudi Assauer einen dauerhaften Gewinnbringer. Doch irgendwie wurde Rhein Fire mit Königsblau nicht warm. Da zündete auch Burgsmüllers Kicker-Nachfolger Ingo Anderbrügge nicht so recht.

Schalker Asyl kostet 10.000 Zuschauer pro Heimspiel

Das Schalker Asyl endete 2004 und kostete Fire im Schnitt pro Heimspiel mehr als 10.000 Fans, die auch in der neuen Düsseldorfer Arena nicht mehr wiederkamen.

„Trotzdem bin ich überzeugt, dass die NFLE heute stärker als je zuvor wäre – auch wegen der mittlerweile sehr guten NFL-Fernsehpräsenz in Deutschland“, sagt der einstige stellvertretende Fire-Geschäftsführer Markus Müller, heute mit seiner eigenen PR-Agentur vor allem im Musikbusiness tätig, „doch 2007 waren die rettenden Stellschrauben in den höchsten Positionen der NFL einfach nicht mehr da.“

Was bleibt vom Experiment Rhein Fire in Zahlen? 13 Saisons, gut 700 Spieler, 135 Spiele, 70 Siege, fünf Finalteilnahmen und vier Cheftrainer: Galen Hall (wird am 14. August 80 Jahre alt), Pete Kuharchek, zuletzt bei der Frühjahrsliga XFL angestellt, Jim Tomsula, der in der NFL bei den Dallas Cowboys arbeitet, sowie Rick Lantz. Und es bleiben eine aufregende Zeit, eine amerikanische Lebensfreude in Düsseldorf, die sportlich so vermutlich nicht mehr wiederkommt.

Der World Bowl war bis 2007 im Juni stets das Objekt der Begierde in der NFL Europe.
Der World Bowl war bis 2007 im Juni stets das Objekt der Begierde in der NFL Europe. © NRZ | Marianne Müller

Das waren die World-Bowl-Finals der NFL Europe:

World Bowl I (als World League/WLAF), 9. Juni 1991, Wembley Stadion, London

London Monarchs – Barcelona Dragons 21:0 (61.108 Zuschauer)

World Bowl II, 6. Juni 1992, Olympiastadion, Montreal

Sacramento Surge – Orlando Thunder 21:17 (43.789)

World Bowl III (erstmals als NFL Europe), 17. Juni 1995, Olympiastadion, Amsterdam

Amsterdam Admirals – Frankfurt Galaxy 22:26 (23.847)

World Bowl IV, 23. Juni 1996, Murrayfield-Rugbystadium, Edinburgh

Scottish Claymores – Frankfurt Galaxy 32:27 (38.982)

World Bowl V, 22. Juni 1997, Olympiastadion Mont Juic, Barcelona

Rhein Fire – Barcelona Dragons 24:38 (31.100)

World Bowl VI, 14. Juni 1998, Waldstadion, Frankfurt

Frankfurt – Rhein Fire 10:34 (47.846)

World Bowl VII, 27. Juni 1999, Rheinstadion, Düsseldorf

Barcelona Dragons – Frankfurt Galaxy 24:38 (39.643)

World Bowl VIII, 25. Juni 2000 im

Waldstadion, Frankfurt

Rhein Fire – Scottish Claymores 13:10 (35.860)

World Bowl IX, 30. Juni 2001 in der Amsterdam ArenA, Amsterdam

Barcelona Dragons – Berlin Thunder 17:24 (32.116)

World Bowl X, 22. Juni 2002 im Rheinstadion, Düsseldorf

Rhein Fire – Berlin Thunder 20:26 (53.109)

World Bowl XI, 14. Juni 2003 im Hampden Park, Glasgow

Frankfurt Galaxy – Rhein Fire 35:16 (28.138)

World Bowl XII, 12. Juni 2004, Arena Auf Schalke, Gelsenkirchen

Berlin Thunder – Frankfurt Galaxy 30:24 (35.413)

World Bowl XIII, 11. Juni 2005, LTU arena, Düsseldorf

Berlin Thunder – Amsterdam Admirals 21:27 (35.134)

World Bowl XIV, 27. Mai 2006 (früher Termin wegen der Mitte Juni startenden

Fußball-WM in Deutschland), LTU-Arena, Düsseldorf

Amsterdam Admirals – Frankfurt Galaxy 7:22 (36.286)

World Bowl XV, 23. Juni 2007 (sechs Tage später wird das Liga-Aus verkündet), Commerzbank-Arena, Frankfurt

Hamburg Sea Devils – Frankfurt Galaxy 37:28 (48.125)