Dinslaken. Paukenschlag beim TV Jahn Hiesfeld: Der Verein aus Dinslaken zieht zum Saisonende seine erste Mannschaft aus der Fußball-Oberliga zurück.

Die Woche begann für Marcus Behnert schon nicht besonders gut. Am Sonntag stürzte der Trainer des TV Jahn Hiesfeld von einer Treppe und kugelte sich die Schulter aus. Eine schmerzhafte Sache, aber die Wunde verheilt sicher wieder in absehbarer Zeit. Der Schlag, der wenige Tage später folgte, traf den 37-jährigen dagegen umso heftiger - und sicher ist: er wirkt noch länger nach. Am Mittwochabend bat Vereinschef Dietrich Hülsemann Coach Behnert und dessen Assistenten Ahmed Mohamad sowie den Sportlichen Leiter Gerd Ott in sein Büro und eröffnete ihnen das Aus sämtlicher sportlichen Ziele: Zum Saisonende zieht der TV Jahn seine erste Fußball-Mannschaft aus der Oberliga zurück. Der Verein strebt einen Neuanfang in der Bezirksliga an.

Die Verantwortlichen ziehen die Reißleine, da sie offenbar keinen anderen Ausweg sehen. Dietrich Hülsemann verfasste einen Tag nach dem Treffen mit Behnert eine WhatsApp-Nachricht an den Coach mit der Bitte, diese an die Mannschaft weiterzuleiten. Darin heißt es: ,,Die Gründe für die Entscheidung sind vielschichtig. Im Wesentlichen ist der Rückzug aber damit begründet, dass eine Finanzierung des Oberliga-Spielbetriebs nicht mehr möglich ist."

Geldgeber sind abgesprungen

Bereits seit Jahren kämpften die ,,Veilchen" um die Chance, mit bescheidenen Mitteln eine schlagkräftige Mannschaft aufzustellen, erst im vergangenen Jahr stieg das Team nach einem Jahr in der Landesliga wieder in die fünfthöchste Spielklasse auf. Der sportliche Erfolg ging jedoch nicht einher mit finanziellen Verbesserungen. Bei Heimspielen verlieren sich seit geraumer Zeit selten deutlich mehr als 100 Zuschauer auf den Rängen, während der Corona-Pandemie fehlten Einnahmen, dem Vernehmen nach sprangen zuletzt auch Geldgeber ab.

Vorsitzender Hülsemann war zuletzt Hauptsponsor

,,Ich war nach Harald Planks Rückzug seit 2016 Hauptsponsor der Mannschaft", sagt Dietrich Hülsmann. Als der langjährige Manager sein Engagement beendet hatte, sprang der Vereinsvorsitzende in die Bresche und stemmte den Großteil des jährlichen Etats, investierte insgesamt nach eigenen Angaben eine sechsstellige Summe in den Verein. In ruhige Fahrwasser kam der TV Jahn trotzdem nicht, zumal Zollbeamte Ende Mai 2018 eine Razzia durchführten und die Staatsanwaltschaft anschließend den Vorwurf erhob, der Verein habe über Jahre sozialversicherungspflichtige Gehälter in Höhe von mehreren 100.000 Euro nicht versteuert. Das anhängige Gerichtsverfahren läuft noch.

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Aktuell fehlen ,,jährlich 30.000 bis 40.000 Euro, um das Budget abzudecken", rechnet Hülsemann vor. Seit Anfang des Jahres werden keine Gelder mehr an die Spieler gezahlt, solange während des Lockdowns nicht gespielt wird. ,,Wir schaffen aktuell keinen sechsstelligen Etat, es sei denn, ich schließe die Lücken aus meinem Vermögen. Meine Kollegen im Vorstand schauen aber mit Argusaugen darauf, dass dem Verein nichts passiert."

TV Jahn Hiesfeld stellt Antrag auf Zurückstufung

Die Konsequenz ist für den Vereinschef unumgänglich: ,,Wir werden beim Fußball-Verband beantragen, uns aus wirtschaftlichen Gründen in die Bezirksliga zurückzustufen", kündigt Hülsemann an. Der Antrag ist vorbereitet, aber noch nicht verschickt. Marcus Behnerts Gemütszustand ist entsprechend: ,,Traurig" fühlt sich der Trainer, der vor kurzer Zeit noch die Hoffnung hegte, auch in der kommenden Saison noch mit seiner Mannschaft in der Oberliga antreten zu können. ,,Die Planungen liefen ja schon", sagt Behnert, jetzt muss er erst einmal die bittere Pille verdauen.

Sofortiger Rückzug ist kein Thema

Einen sofortigen Rückzug aus der Oberliga lehnen die Verantwortlichen durchweg ab, auch wenn der sportliche Wert bei einer möglichen Fortsetzung der Saison gleich Null ist: ,,Der eine oder andere Spieler wird ja die Chance nutzen wollen, sich für einen anderen Verein zu präsentieren", schätzt Behnert. Seine eigene Zukunft lässt er offen: ,,Es werden auch in diesen Zeiten sicher Angebote kommen", glaubt der 37-Jährige.

Neuaufbau mit Talenten

Gerd Ott obliegt es, den Neuaufbau der Mannschaft in der Bezirksliga zu dirigieren. ,,Wir werden auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit der Jugendabteilung verstärken", betont der Sportliche Leiter. Als Vorbild gilt fortan die zweite Mannschaft, die Silvano Bedrina anleitet und auch als Jugendtrainer bei den ,,Veilchen" aktiv war. ,,Wir wollen künftig noch stärker eigenen Talenten und jungen Leuten aus der Umgebung die Chance geben", so Ott.

Spieler ergreifen die Initiative

Eine kleine Hoffnung hegt aber auch noch Marcus Behnert, das Unvermeidbare doch abzuwenden: Am Freitag ergriffen aus dem Kreis der Mannschaft einige Spieler die Initiative. ,,Sie haben gesagt, das Finanzielle ist für sie nicht wichtig, aber sie würden gerne weiter in Hiesfeld spielen. Nur eben nicht in der Bezirksliga, sondern möglichst in der Oberliga", berichtet der Trainer. ,,Das wird sicher nicht die ganze Mannschaft, aber vielleicht ergibt sich ein Kern aus etwa zehn Spielern." Was daraus wird und ob es doch noch zu einem Rückzug vom Rückzug führen kann, muss sich in den nächsten Tagen zeigen.