Dinslaken. 2001 feierte Blau-Weiß Dinslaken die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft. Im Finale gegen Etuf Essen lag das DTG-Team fast aussichtslos zurück.

Nein, an den Matchball kann Marc Hellmich sich nicht erinnern – was allerdings nicht daran liegt, dass schließlich schon fast 19 Jahre vergangen sind, seit die Tennis-Herren der DTG Blau-Weiß für den größten sportlichen Erfolg einer Dinslakener Mannschaft sorgten. Der damalige Teamchef des Außenseiters hat viele Szenen des Finalwochenendes, an dem sich Titelverteidiger Etuf Essen und seine Schützlinge um die Deutsche Meisterschaft duellierten, noch genau im Gedächtnis.

Als aber der Italiener Stefano Tarallo und sein belgischer Doppelpartner Olivier Rochus in der Halle am Bärenkamp, in der das Rückspiel wegen der eingebrochenen Dunkelheit beendet werden musste, den entscheidenden Punkt unter Dach und Fach brachten, hatte Hellmich sich längst nervös abgewendet und nebenan die Siegerehrung vorbereitet. Sein Vater Walter war deutlich näher dran am Geschehen. Der Bauunternehmer und langjährige Vereinsmäzen kletterte unter dem Jubel der Heimfans auf einen Schiedsrichterstuhl und verkündete ausgelassen: „Jetzt gibt es Freibier für alle. Wir feiern bis zum Ende.“

Koen Gonissen, Gerd Kassalik und die Hellmichs muntern auf

Die Freude war wohl auch so groß, weil in Dinslaken eigentlich niemand mit dem Titelgewinn gerechnet hatte. Nicht vor der Saison, die dann mit 8:0 Siegen überraschend souverän gestaltet wurde, aber vor allem nicht mehr nach der 3:6-Hinspielniederlage am Baldeneysee, zwei Tage vor dem Showdown bei der DTG. „Das gegen eine so stark aufgestellte Essener Mannschaft noch zu drehen, haben wir seinerzeit eigentlich für fast unmöglich gehalten“, denkt der Teammanager zurück. Kampflos geschlagen geben wollte sich bei der DTG trotzdem niemand. In den Stunden zwischen beiden Partien wurde vor allem ganz viel geredet. Walter und Marc Hellmich, aber auch das Trainerteam um den Belgier Koen Gonissen und Gerd Kassalik – alle versuchten, den Spielern noch einmal den Glauben an eine mögliche Wende einzuimpfen.

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Auch das Dinslakener Publikum hatte noch Hoffnung und trieb seine Lieblinge den ganzen Tag über frenetisch an. Publikumsliebling Younes El Aynaoui verortete den Anteil der Anhänger am Triumph später bei 50 Prozent, bescheinigte den rund 3000 Zuschauern auf der Anlage „eine bessere Stimmung als beim Daviscup in Marokko.“

Publikumsliebling in Dinslaken: Der Marokkaner Younes El Aynaoui.         
Publikumsliebling in Dinslaken: Der Marokkaner Younes El Aynaoui.          © Foto: Tennis-Bundesliga

El Aynaoui, der knapp anderthalb Jahre später bei den Australien Open für Schlagzeilen sorgte, als er dem US-Amerikaner Andy Roddick erst mit 19:21 im fünften Satz (lange Zeit der längste Entscheidungssatz bei einem Grand-Slam-Turnier) unterlag, war es dann auch, der die Aufholjagd einläutete. Hatte der Marokkaner zwei Tage zuvor noch Lars Burgsmüller gratulieren müssen, fegte El Aynaoui seinen Kontrahenten jetzt regelrecht vom Platz. Die taktischen Vorgaben von Trainerfuchs Gonissen hatten gefruchtet.

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Richtig lag Gonissen auch mit der Entscheidung, im Rückspiel auf den Einsatz von Stephane Huet zu verzichten und dafür den Bulgaren Orlin Stanoytchev zu bringen. Stanoytchev schlug John van Lottum, und weil Christophe Rochus und Christoph van Garsse ihre Erfolge vom Freitag bestätigten, war nach den Einzeln auf einmal wieder alles drin.

Stefano Tarallo wächst über sich hinaus

Für die Doppel zog Koen Gonissen dann mit Tarallo, der heute als Tennislehrer in Rom arbeitet, ein weiteres Ass aus dem Ärmel. „Allerdings“, muss Marc Hellmich im Rückblick immer noch schmunzeln, „hatten wir auf den Punkt aus diesem Match überhaupt nicht gesetzt. Die anderen beiden Doppel sollten es richten.“ An der Seite von Spitzenspieler Olivier Rochus wuchs der Italiener aber über sich hinaus. El Aynaoui und Stanoytchev hatten – in diesem Fall wie geplant – frühzeitig geliefert. Das spanische Spezialisten-Duo mit Alex Lopez-Moron und Juan-Ignacio „Nacho“ Carrasco, das die Dinslakener Anhänger über Jahre auf Center Court 3 begeistert hatte und im dritten Doppel kaum zu schlagen war, musste gar nicht mehr weiterspielen und sprang den Teamkollegen in die Arme. Es war vollbracht.

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Eigentlich hatten die Blau-Weißen den Titel im Jahr zuvor ernsthafter ins Visier genommen. Die Stärke des Aufgebots wurde dabei aber zur Schwäche. Gleich sieben Spieler aus den Top 100 der Weltrangliste standen 2000 auf dem Meldebogen der DTG, doch die kamen dann, vor allem weil sie bei den Turnieren auf der Tour fast immer lange im Wettbewerb blieben, eben kaum noch in der Bundesliga zum Einsatz.

Spaßvogel Nicolas Coutelot

Immer gut drauf: Nicolas Coutelot.            
Immer gut drauf: Nicolas Coutelot.            

Die Dinslakener lernten aus der Enttäuschung und setzten im Meisterjahr schließlich auf eine Mannschaft, die fast durchweg zur Verfügung stand – was auch dem Teamgeist nicht abträglich war. Der harte Kern wurde ein verschworener Haufen, Spaßvögel wie der lebenslustige Südfranzose Nicolas Coutelot hielten die Stimmung hoch. „Es war insgesamt schon eine sehr schöne Zeit. Wenn man mal überlegt, wie viele unterschiedliche Charaktere wir über die Jahre bei uns hatten“, denkt Marc Hellmich unheimlich gerne an die Bundesliga-Zeit zurück. Manch Spieler, der das weiße Shirt mit dem Hellmich-Aufdruck trug, kam später noch zu Weltruhm. Wie der spätere French-Open-Sieger Gaston Gaudio oder Juan Carlos Ferrero, der 2003 sogar die Spitze der Weltrangliste erklomm.

Walter Hellmich geht zum MSV Duisburg

2003 war auch das Jahr, in dem die Dinslakener TG Blau-Weiß zum allerletzten Mal in der Tennis-Bundesliga antrat. Nachdem mit Finalgegner Etuf Essen bereits ein Traditionsverein seinen Rückzug angekündigt hatte, entschieden sich auch die Blau-Weißen für den freiwilligen Gang in die Niederrheinliga. Walter Hellmich war bereits seit Sommer 2002 Vorstandsvorsitzender bei den Fußballern des MSV Duisburg. Die Meisterschaft 2001 mit der DTG Blau-Weiß schien auch der Anfang vom Ende gewesen zu sein. Das große Ziel war erreicht, mehr ging nicht. Freibier für alle.