Magdeburg. Vermeintliche Säulen der Schalker Mannschaft sind konstante Enttäuschungen. Es muss sich etwas ändern – sonst droht die 3. Liga.
Paul Seguin hatte am Samstagabend den undankbaren Job, zu erklären, was eigentlich kaum zu erklären ist. Nach der desolaten Leistung bei der 0:3-Niederlage beim 1. FC Magdeburg war der Mittelfeldspieler der Schalke-Profi, der die vertraglich verpflichtenden TV-Interviews geben musste. Zwar suchte der 28 Jahre alte Mittelfeldspieler nach Erklärungsansätzen, doch immer wieder machte sich bei ihm Ratlosigkeit breit.
Warum? Weil Schalke 04 in der Fremde indiskutabel spielte – mal wieder. „Wir müssen ehrlich sein“, sagte Seguin nach der neunten Auswärtspleite im zwölften Spiel. „Wir sind auswärts einfach schlecht. Es tut mir einfach leid, dass wir jede Woche so eine Scheiße spielen. Mir fehlen die Worte.“
Schalke: Führungsspieler tauchen in Magdeburg komplett unter
Besorgniserregend ist dabei, dass die Mannschaft in Auswärtsspielen regelmäßig auseinanderfällt – so war es beim 1:4 in Kaiserslautern, in Ansätzen auch beim 0:1 in Kiel und nun beim 0:3 in Magdeburg. Schon nach dem 0:1 durch Silas Gnaka nach rund einer Viertelstunde gingen in Magdeburg die Köpfe der S04-Profis nach unten. Die Versuche von Torwart Marius Müller (30), seine Kollegen noch irgendwie wachzurütteln, verpufften. „Nach dem 0:1 gehen die Köpfe natürlich wieder los“, bestätigte Seguin. „Das ist doch normal.“
Mit Ausnahme von Müller, der als Torwart während des Spiels nur wenig Einfluss auf seine Kollegen nehmen kann, tauchten die Führungsspieler in Magdeburg komplett unter. „Ich würde mir schon noch mehr Reibung wünschen“, erklärte Paul Seguin vielsagend. „Wir müssen uns auch mal die Meinung sagen, unangenehm sein – auch, wenn es mein Freund ist, ich muss ihn auch mal anschnauzen, das gehört einfach dazu.“ Wichtig ist laut Seguin: „Wir dürfen nicht alles schönreden und die Verantwortung wegschieben.“
Schalke-Profi Marcin Kaminski ist kein Anführer
Damit beschreibt der Mittelfeldspieler das vielleicht größte Problem der Königsblauen im Abstiegskampf: Kaum jemand übernimmt Verantwortung. Abwehrchef und Vize-Kapitän Marcin Kaminski (31) ist in der laufenden Saison kein Anführer und viel zu sehr mit seinen schlechten individuellen Leistungen beschäftigt. Für die 2. Bundesliga ist er zu langsam, spielt taktisch zu undiszipliniert, verteidigt zu zögerlich. Auch Rechtsverteidiger Cedric Brunner (30), der sich nach ordentlicher Bundesliga-Saison im Sommer noch zutraute, das Kapitänsamt auf Schalke zu übernehmen, spielt seit Monaten schrecklich. In Magdeburg war er erneut ein Schwachpunkt im Spiel der Gelsenkirchener.
Im Mittelfeld geht es mit den Enttäuschungen weiter: Paul Seguin und Ron Schallenberg (25), die im Zentrum zwei Schlüsselpositionen besetzen, kommen mit der Größe von Schalke 04 offenbar nicht zurecht. Dass Sportdirektor Marc Wilmots den Ex-Paderborner Schallenberg noch vor dem Magdeburg-Spiel mit Eurofighter Jiri Nemec verglichen hat, ist mit Blick auf den Samstag schon fast eine Farce.
Schalke: Simon Terodde ein Schatten seiner selbst
Weitere vermeintliche Säulen der Mannschaft standen in Magdeburg gar nicht erst in der Startformation. Simon Terodde (35), der in der Vergangenheit immer ein verlässlicher Torjäger in der 2. Bundesliga war, wurde erst zur zweiten Halbzeit eingewechselt. Gefürchtet wird er in dieser Saison längst nicht mehr, er ist ein Schatten seiner selbst. Nach 23 Spieltagen steht er bei mickrigen drei Saisontoren. Noch bitterer läuft die Spielzeit für Dominick Drexler, der 33 Jahre alte Spielmacher stand in Magdeburg erneut nicht im Kader. Mehrfach wurde er von Trainer Karel Geraerts zuletzt öffentlich kritisiert. Auch die beiden Routiniers und Herzensschalker Ralf Fährmann (35) und Danny Latza (34) spielen sportlich keine Rolle mehr.
Was alle diese vermeintlichen Führungsspieler eint: Eine verzerrte Selbstwahrnehmung. Denn Kritik nehmen viele S04-Profis kaum an. Die Fehler werden gern woanders gesucht, wie aus der Kabine zu hören ist. Mal sind die Mitspieler schuld, mal die taktische Ausrichtung des Trainers…
Eine gefährliche Konstellation, die die so stolzen und traditionsreichen Schalker tatsächlich in die 3. Liga führen könnte. „Wir müssen uns in die Pflicht nehmen“, sagte Paul Seguin. Seine Hoffnung vor dem Heimspiel gegen den FC St. Pauli am Freitag (18.30 Uhr/Sky)? „Ich hoffe, es knallt die Woche ordentlich. Gegen St. Pauli müssen wir die Eier auf den Tisch legen.“
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