Gelsenkirchen. Schalke 04 verhandelt mit Karel Geraerts, steht vor dem Abschluss. Doch wer ist der Belgier, der den Zweitligisten aus dem Keller führen soll?
Natürlich wird sich Karel Geraerts in den vergangenen Tagen schon ausführlich mit dem FC Schalke 04 beschäftigt haben. So wie sich das gehört, wenn der 41 Jahre alte Belgier in Kürze einen Vertrag als neuer Trainer der Königsblauen unterschreiben soll. Die Verhandlungen mit dem sportlich in Schieflage geratenen Fußball-Zweitligisten sind weit geschritten, eine Einigung mit Sportvorstand Peter Knäbel und Sportdirektor André Hechelmann steht unmittelbar bevor. Am Sonntag, wenn Hertha BSC (13.30 Uhr/Sky) nach Gelsenkirchen kommt, kann sich Geraerts noch mal ein genaues Bild von Schalke machen. Was viele Fans aber vor allem interessiert: Was bekommt denn Schalke mit dem Ex-Coach von Union Saint-Gilloise?
Schalke: Wunschtrainer Geraerts bevorzugt das 3-5-2
Wie Phoenix aus der Asche traten Geraerts und Union in der vergangenen Europapokalsaison auf, erst im Viertelfinale der Europa League mussten sie gegen Bayer Leverkusen das Ausscheiden hinnehmen. Die Werkself hat der belgische Klub so sehr beeindruckt, dass er gleich mal Torjäger Victor Boniface abwarb – der Torjäger erweist sich nach den ersten Auftritten in der Bundesliga als Volltreffer.
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Dass Boniface so eine Entwicklung nahm, hat er auch Karel Geraerts zu verdanken – auf einen ähnlichen Effekt hofft man natürlich jetzt auch auf Schalke. Vor einem internationalen Auftritt in der angelaufenen Spielzeit hatte sich Geraerts, der in seiner Karriere als Spieler ausschließlich bei belgischen Topklubs verteidigte, als „bodenständiger Mensch“ bezeichnet, als einer, der versucht, „so professionell wie möglich zu arbeiten, am Puls der Zeit zu sein“.
Schalke: Geraerts begleitete Aufstieg von Saint-Gilloise
Dies bewies Karel Geraerts auch bei Saint-Gilloise in seiner Premierensaison als verantwortlicher Coach (davor war er bereits als Co-Trainer tätig) – und dennoch konnten sich Klub und Trainer am Ende nach Platz drei in der Meisterschaft und den positiven internationalen Auftritten nicht auf die Fortführung der Zusammenarbeit einigen. „Einerseits ist das sehr traurig, denn wir verabschieden uns nicht nur von einem Top-Trainer, sondern vor allem von einem wunderbaren Menschen“, sagte Saint-Gilloise-Vorsitzender Alex Muzio, dessen Klub erst 2021 in die höchste belgische Liga aufgestiegen war und auf Anhieb Vizemeister wurde. „Doch vor allem gibt es ein Gefühl des Stolzes. Karel hat uns in diesen vier Jahren so viel gegeben, und wir können seine Bedeutung für die Entwicklung unseres Klubs nicht genug betonen. Wir haben ihn wachsen sehen und er hat die sich bietenden Chancen mehr als genutzt. Er hat als Trainer eine großartige Karriere vor sich und wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“
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Geraerts selbst sagte zu dem Abschied: „Es ist bedauerlich, dass eine gute Zusammenarbeit von vier Jahren zu Ende gegangen ist. Ich bin stolz auf die Ergebnisse, die wir in Belgien und in Europa erzielt haben.“
In der Europa League bevorzugte Saint-Gilloise beispielsweise gegen Union Berlin eine defensive Spielweise, Karel Geraerts soll das 3-5-2-System priorisieren. Folge war: Die Köpenicker hatten viel Ballbesitz und wurden mit Gegenzügen beim 3:3 eiskalt erwischt. Zur generellen Ausrichtung seiner Mannschaft sagte der 41-Jährige in der abgelaufenen Saison: „Ich denke, der Konter ist ein großer Teil des Fußballs. Jeder Trainer möchte, dass seine Mannschaft den Konter spielt, wenn sie kann. Aber wenn wir von hinten Fußball spielen können, bin ich mir sicher, dass wir das auch schaffen werden. Wir wollen den Ball behalten und spielen, aber manchmal wird man in der Übergangszeit dazu gedrängt, zu spielen.“
Auf Schalke herrschen andere Bedingungen als bei Saint-Gilloise
Allerdings muss man auch die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anbringen, die Karel Geraerts in Saint-Gilloise, einer Vorstadt von Brüssel, hatte und die bei Schalke 04 anders sein werden. Union wurde 2018 von Tony Bloom übernommen, dem seit 2009 schon 75 Prozent des Premier-League-Vereins Brighton Hove & Albion gehören. Der britische Milliardär ist studierter Mathematiker, gründete einst die Datenfirma Starlizard, mit der er im Fußball nichts dem Zufall überlassen möchte. Mithilfe von mathematischen Formeln und Datenbanken werden Spieler bewertet und dann gegebenenfalls unter Vertrag genommen.
Das Ganze erinnert an den Hollywood-Streifen Moneyball mit Brad Pitt, der auf der wahren Geschichte des Baseball-Teams Oakland Athletics beruht, der vermeintliche Stars abgab und mit nach Algorithmen ausgesuchten Nobodys beinahe die Major League gewonnen hätte. Beispiele dafür, wie sich Spieler entwickeln können: Neu-Nationalspieler Pascal Groß ging 2017 vom FC Ingolstadt nach Brighton und entwickelte sich zum Nationalspieler. Deniz Undav, 2020 vom Drittligisten SV Meppen zu Saint-Gilloise gewechselt, schoss Union zum Aufstieg, wurde belgischer Torschützenkönig mit 25 Treffern und ist nun beim VfB Stuttgart erfolgreich. Der Karriereweg von Victor Boniface ist bereits erwähnt.
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Wenn Karel Geraerts nach erfolgter Unterschrift bei den Königsblauen und dem Hertha-Spiel am Sonntag in der Länderspielpause das Zepter übernehmen soll, wird er erst einmal andere Aufgaben vorfinden. Schalke braucht Stabilität in der Abwehr, Kreativität in der Offensive – und vor allem Punkte, um sich von dem Relegationsplatz 16 nach oben orientieren zu können. Klingt aber irgendwie doch alles nach einer Herausforderung, die Geraerts auch bei Saint-Gilloise bevorstand. Dass Belgiens Trainer des Jahres sich gegen Angebote aus der französischen Ligue 1 entschied und nun für Schalke 04, verspricht auf jeden Fall ein spannendes Projekt zu werden.