Gelsenkirchen/Kiel. Steven Skrzybski spricht im Interview über seine besondere Zeit auf Schalke. Nun kehrt er zurück - als Profi von Holstein Kiel.
Irgendwann für den eigenen Lieblingsklub spielen. Diesen Lebenstraum konnte sich Steven Skrzybski erfüllen, als er 2018 von Union Berlin zu Schalke 04 wechselte. Bei den Königsblauen spielte er in der Champions League, traf in der Arena, wurde von den Fans gefeiert – doch trotzdem wurmt ihn die Zeit in Gelsenkirchen rückblickend, wie der inzwischen 30 Jahre alte Offensivspieler im Interview erzählt.
Im Sommer 2021 endete Skrzybskis Schalke-Zeit nach zweieinhalb Jahren und es zog ihn zu Holstein Kiel. Mit seinem neuen Klub trifft er an diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky) in der 2. Bundesliga auf Schalke und Skrzybski kündigt an: Für diese 90 Minuten wird seine Liebe ruhen.
Steven Skrzybski, nervt es Sie eigentlich, dass Sie in Interviews so häufig auf Schalke 04 angesprochen werden?
Steven Skrzybski: Nein, Schalke ist Teil meiner Geschichte. Schon vor meiner Zeit als Schalke-Profi war ich ein riesiger Fan. Bis heute fiebere ich mit dem Klub. Aber klar ist natürlich: Diese Liebe wird am Freitag ruhen.
Einige Ihrer Kieler Kollegen haben ähnliche Probleme.
Skrzybski: (grinst) Genau, Timo Becker und Timon Weiner tragen Schalke ebenfalls im Herzen. Schalke verbindet Timo und mich. Dabei meine ich nicht nur das Interesse für den Klub. Timo und ich haben uns in Gelsenkirchen kennen und schätzen gelernt. Seitdem sind wir richtig enge Freunde.
Wie schafft man es, als aktiver Fußballprofi von Holstein Kiel Fan eines anderen Klubs zu bleiben?
Skrzybski: Generell äußert sich das Fan-Dasein inzwischen anders als noch in meiner Jugend. Im Laufe der Zeit hat sich viel verändert, trotzdem ist die Nähe zum Verein erhalten geblieben. Auch in meinem persönlichen Umfeld habe ich noch einige Schalke-Fans. Daher wird immer mal wieder über Schalke gesprochen. Aber in den vergangenen Jahren hat sich das Verhältnis zum Klub ein bisschen verändert – allein, weil ich inzwischen Vater bin und andere Prioritäten im Leben habe. Trotzdem bleibt Schalke ein Teil von mir, genau wie Union Berlin. Das sind meine beiden Herzensklubs. Was dabei allerdings nicht zu kurz kommen soll: Auch in Kiel fühle ich mich extrem wohl und bin mit dem Klub mittlerweile sehr verbunden.
Nach der Niederlage in Braunschweig ist in Gelsenkirchen Unruhe aufgekommen. Wie bewerten Sie den Saisonstart von Schalke 04?
Skrzybski: Der Start war nicht optimal, die Ergebnisse passen noch nicht. Noch wirkt die Mannschaft nicht eingespielt. Trotzdem hat der Schalker Kader viel individuelle Qualität, sie haben außergewöhnliche Spieler. Aus meiner Zeit im Klub weiß ich, dass Heimspiele für Schalke ganz besonders sind. Schon am Freitag werden die Wilden in der Nordkurve wieder Stimmung machen. Gegen eine solche Kulisse anzuspielen, ist für jeden Gegner unangenehm. Trotzdem freue ich mich wahnsinnig. Als der Spielplan veröffentlicht wurde, habe ich zuallererst geschaut, wann wir auf Schalke spielen.
Für viele Zweitligisten sind die Spiele gegen Schalke etwas ganz Besonderes. Macht es das für die Schalker besonders schwer?
Skrzybski: Da teilen sich die Schalker ein Schicksal mit Hertha BSC und dem Hamburger SV. Sie alle gehören eigentlich in die Bundesliga. Für die kleineren Klubs sind die Duelle mit Schalke, Hertha und dem HSV echte Saisonhighlights, in denen sie besonders motiviert sind und es manchmal schaffen, über sich hinauszuwachsen. Die drei Zweitliga-Giganten sind deshalb in jedem Spiel besonders gefordert. Der HSV erlebt seit einigen Jahren, wie steinig der Weg zurück nach oben ist. Alle Spiele in der 2. Liga sind 50:50-Spiele. Es gibt nicht mehr den einen haushohen Favoriten, kaum noch hohe Siege. Jeder kann jeden schlagen, das macht den Reiz dieser Liga aus.
Inwieweit spielt das Grummeln auf Schalke Ihnen mit Kiel in die Karten?
Skrzybski: Es kann nie schaden, wenn es beim Gegner noch nicht ganz so läuft. Trotzdem erwarte ich ein heißes Spiel, mit toller Atmosphäre. Trotz der Umstände ist Schalke Favorit, doch das heißt nicht, dass wir das Spiel abschenken. Wir wollen etwas mitnehmen und die Schalker ärgern.
Wie soll das gelingen?
Skrzybski: Am wichtigsten ist, dass wir die individuellen Fehler abstellen, die uns bei der Niederlage gegen Magdeburg das Genick gebrochen haben. Auch mit dem Ball müssen wir mutiger werden und konsequenter spielen.
Die drei Pflichtspiele vor der Niederlage gegen Magdeburg wurden allesamt gewonnen. Wie ist der Kieler Saisonstart einzuordnen?
Skrzybski: Ergebnistechnisch war es ordentlich. Spielerisch müssen wir uns noch verbessern, doch in der Defensive lief es schon ganz gut, wenn wir das Spiel gegen Magdeburg ausklammern. Eine konzentrierte Defensivleistung könnte auch der Schlüssel sein, um auf Schalke zu punkten. Schaffen wir das nicht, könnten wir gegen einen solchen Gegner auch böse unter die Räder kommen.
Was haben Sie sich persönlich für die Saison vorgenommen?
Skrzybski: Es klingt abgedroschen, doch am wichtigsten ist es mir, durchgängig fit zu bleiben. Als Offensivspieler wäre ich auch nicht abgeneigt, wenn ich ein paar Tore und Vorlagen beisteuern kann. (grinst)
In der Vorsaison waren es 15 Tore und sieben Vorlagen.
Skrzybski: Es ist eine Marke, die jetzt viele von mir erwarten. Aber ich versuche, mich von den nackten Zahlen zu lösen, denn mein Beitrag zum Spiel beschränkt sich nicht nur darauf. Und wenn ich durchgehend gesund bleibe und spiele, werde ich weiter in Situationen kommen, viele Tore zu schießen. Das zu schaffen, ist mir viel Wert.
Sie haben Ihren Vertrag in Kiel vor einigen Wochen bis 2026 verlängert. Warum passt es zwischen Ihnen und den Störchen so gut?
Skrzybski: Die gegenseitige Wertschätzung ist extrem hoch. Der Verein weiß, was er an mir hat – und umgekehrt. Der Klub ist spannend und das Leben in Kiel ist sehr angenehm. Meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl. Die Ostsee ist direkt vor der Tür und auch der Umgang ist toll. Sowohl im Stadion als auch in der Stadt bekomme ich viel Zuspruch, was es für mich als Fußballer natürlich leichter macht.
Wenn Ihr Vertrag in Kiel ausläuft, sind Sie 33. Können Sie sich vorstellen, Ihre Karriere in Kiel zu beenden?
Skrzybski: Ich hoffe, dass ich mit 33 noch nicht aufhören muss. (lacht) Aber klar: Ich kann mir vorstellen, noch lange bei Holstein Kiel zu bleiben und meine Karriere hier zu beenden. Im Sommer war es mir wichtig, noch einmal einen langfristigen Vertrag zu unterschreiben, um etwas Planungssicherheit zu haben. Aktuell passt es hier einfach für mich. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Verein mir so sehr vertraut und auf mich baut. Auch in Phasen, in denen es bei mir nicht gut lief, wurde mir der Rücken gestärkt. Das habe ich nicht vergessen und weiß es zu schätzen.
Ihr Zweitliga-Debüt im Trikot von Union Berlin liegt schon knapp 13 Jahre zurück. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer bisherigen Profikarriere?
Skrzybski: Es geht immer besser. Generell bin ich nicht der Typ, der Dingen hinterhertrauert und herummeckert. Ich bin unfassbar dankbar für alles, was ich bisher erleben durfte. Meine Schalke-Zeit wurmt mich dennoch manchmal.
Warum?
Skrzybski: In den zweieinhalb Jahren auf Schalke war ich sehr viel verletzt. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Sportlich war die Zeit sehr turbulent, mit dem Abstieg als Tiefpunkt. Privat war es trotzdem eine schöne Zeit – schon, weil ich mir mit meinem Wechsel zu Schalke 04 einen Lebenstraum erfüllen konnte. Ich durfte in der Champions League spielen, konnte in der Arena einen Doppelpack erzielen. Die Wertschätzung, die ich danach von den Fans gespürt habe, war unglaublich. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich noch heute Gänsehaut. Es ist das größte, wenn die eigene Leistung von Fans gewürdigt wird. Das bedeutet mir sehr viel.
Wegen Ihrer Sympathie für den Klub waren Sie auf Schalke immer beliebt bei den Fans. Was für einen Empfang erwarten Sie am Freitag?
Skrzybski: Da bin ich sehr gespannt. Ich persönlich freue mich extrem, wieder in der Arena zu sein. Zu den Schalke-Fans hatte ich immer eine gute Beziehung, weil sie wussten, dass ich ihnen nichts vorgaukle. Meine Sympathie für Schalke ist echt, sie wird auch immer bestehen bleiben. Ich wünsche dem Klub alles Gute – nur nicht für die beiden Spiele gegen Holstein Kiel in dieser Saison. (lacht)
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