Oberhausen. Vorstand und Mitarbeiter haben das Stadion vermessen: Wie viele Zuschauer passen unter Einhaltung des Mindestabstandes auf Sitzplätzen hinein?
Es schwingt durchaus Pathos mit, als RWO-Vorstand Thorsten Binder im Stadion Niederrhein vor versammelter Geschäftsstellen-Belegschaft verkündet: „Es geht um die Existenz des Vereins.“ Aber das stimmt. Wer wüsste das besser als Jörg Groth (Ticketing), Max Gregorius (Marketing), Thorsten Sterna und Philipp Ronden (Medien). Sie haben die Innenansicht und sie sind in Kurzarbeit. „Ich hoffe, nur noch bis September“, sagt Sterna.
Damit das geschehen kann, nahmen die Rot-Weißen, unterstützt von Vorstand Jürgen Kempe, Montag im Stadion Niederrhein Maß. Um zu ermitteln, mit wie vielen Menschen das Stadion unter Einbehaltung des derzeitigen Mindestabstandes gefüllt werden kann.
Dringend Einnahmen erzielen
RWO will das unbedingt leisten, denn der Verein pfeift aus dem letzten Loch, braucht dringend Einnahmen. Und die lassen sich in der Regionalliga nur über Sponsoren, aber vor allem über Zuschauer erzielen. Fernsehgelder oder jene vom Bund avisierte Nothilfe, die sich an entgangenen Zuschauereinnahmen festmachen sollen, gibt es perfiderweise nur bis Dritte Liga (wir berichteten).
„Aktive Sterbehilfe“, nennt Sterna das für die professionell geführten Regionalligisten. Genau daraus hat TuS Haltern die Konsequenz gezogen und sich Montag aus der Regionalliga abgemeldet. Der Verein sah sich eben nicht in der Lage, 42 Spiele in professionellem Rahmen über die Bühne zu bringen.
Mit dem Zollstock angetreten
So machten sich jetzt die Praktiker Binder und Kempe mit dem Zollstock zunächst mal testweise über den Block C 1 der Haupttribüne her. Es wurde zweierlei Maß genommen, 1,5 Meter beträgt der derzeit geltende Mindestabstand. Die Deutsche Fußball-Liga lässt die Bundesliga-Stadien aber jetzt schon mal mit einem Meter Abstand zwischen den Sitzplätzen vermessen – in der Hoffnung, dass sich die Corona-Schutzverordnung bis zum angedachten Saisonstart in diese Richtung entwickelt.
Beispiel Block C1: Der Platz für Rollstuhlfahrer bliebe gleich, für Begleiter auch. Somit wäre die erste Reihe belegt. Es folgen acht weitere, von denen jede zweite frei bleiben müsste. In der Reihe sind 21 Sitzplätze, regulär wären das 189 Plätze. Mit 1,5 Meter Abstand (drei Sitzschalen) blieben neun Plätze übrig, ebenso fünf Reihen, da vier frei bleiben müssten. Somit würden von 189 Plätzen 45 übrig bleiben.
4000 Sitzschalen gibt es im Stadion
Groth weiß: „Wir haben hier im Stadion 4000 Sitzschalen und noch 50 in Reserve.“ Jetzt beginnt das Rechenspiel in groß, Block für Block wird das Stadion durchgemessen, um zu ermitteln, wie die Schalen verteilt werden können.
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Denn klar ist zumindest dieses: „Es wird keine Stehplätze geben.“ Somit müsste die Revierkraft-Tribüne auch in eine Sitztribüne umgestaltet werden. Kempe hat schnell nachgemessen: Mit 1,5 Meter Abstand würde die 3165 Zuschauer fassende Stehtribüne kümmerliche 300 Sitzgelegenheiten bieten.
Schalen entnehmen und umsetzen?
Wie das letztlich umgesetzt wird, ist noch völlig offen. Ob aus dem jetzigen Sitztribünenbereich Schalen entnommen werden und auf die Revierkraft-Tribüne geschraubt werden oder Bereiche abgeklebt oder günstig Schalen zusätzlich erworben werden: „Wir sammeln jetzt erst einmal Ideen und prüfen die Umsetzung“, so Binder.
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Erstere Lösung wäre die handwerklich korrekte, würde aber sehr viel Zeit, da Handarbeit bedeuten. Die Sitzschalen können einzeln abgeschraubt werden. Offen ist, ob der Verein die neue Stehtribüne mit einem Meer von Bohrlöchern perforieren dürfte. Fanclubs haben auf jeden Fall ihre handwerkliche Mitarbeit bereits angeboten. Auch die ungeliebte Kanalkurze fließt jetzt in die Planungen mit ein.
Auch die Laufbahn nutzen
Die vorgenommenen Berechnungen werden jetzt in ein Grafikmodell im Computer überspielt, so dass sich daraus dann die Gesamtkapazität im Stadion Niederrhein für verschiedene Mindestabstände berechnen ließe. Ticket-Mann Groth hatte noch eine Idee: Drei Bahnen der Laufbahn, zum Spielfeld hin durch einen hüfthohen Zaun abgetrennt, ließen sich auch als Stellfläche für Stühle nutzen.
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RWO-Chef Hajo Sommers ging vor Wochen von bis zu 3000 möglichen Zuschauern aus, Groth stellte jetzt nach ersten Einschätzungen auch diese Größe von 2500 bis 3000 in Aussicht.