Oberhausen. . Am 31. Mai 2008 stiegen die Kleeblätter in die zweite Bundesliga auf. Zwei, die damals das „Wunder von Bruns“ maßgeblich prägten, erinnern sich.
Es ist ein Bild, das haften geblieben ist. „Fußballgott“ Mike Terranova und Dimitrios Pappas schreien ihren Jubel über das wichtige 1:0 an der Alten Försterei heraus. Der Auftakt zum späteren 3:0-Sieg von Rot-Weiß Oberhausen bei Union Berlin und dem Aufstieg in die zweite Bundesliga. Auf den Tag genau ist das nun zehn Jahre her. Wie damals ist es auch diesmal eine richtig heiße Angelegenheit, als die Sportredaktion die zwei Helden von einst zum gemeinsamen Interview trifft.
Angeblich soll es der heißeste Mai aller Zeiten sein. Am 31. Mai 2008 war es allerdings auch nicht viel kühler...
Mike Terranova: Fürs Freibad war das Wetter ideal, zum Fußballspielen eine Katastrophe. Aber ich habe solche Spiele immer geliebt, weil man sich so schön quälen konnte.
Dimitrios Pappas: Ehrlich gesagt, habe ich nicht die besten Erinnerungen. Ich war nämlich wohl der einzige, der nach dem Sieg mit einem Sonnenstich im Zug nach Oberhausen saß und sich ständig übergeben musste. Terra ist ja nicht so der Feiertyp, deshalb hat er mir Gesellschaft geleistet. Bis heute sagt er mir immer: „Dimi, du weißt doch, wer dir zu Seite stand, als es dir so schlecht ging.“
Und besonders viel geschlafen habt ihr vor dem Spiel ja auch nicht, oder?
Pappas: Um 22 Uhr war in unserem Hotel Nachtruhe. Neben dem Hotel befand sich ein Kanal. Etwa 150 Berliner Fans hatten sich ein Boot besorgt und uns mit Gesängen aus dem Schlaf geholt.
Terranova: Und dann haben sie auch noch Silvesterraketen auf uns geschossen. Zum Glück hab ich rechtzeitig das Fenster geschlossen.
Allerdings war der Spuk danach noch nicht vorbei...
Pappas: Um 4 Uhr ging plötzlich der Feueralarm. Die ganze Mannschaft ist dann in Unterwäsche nach draußen gegangen. Nur Helmut Bormann (Anm: Zeugwart) hatte noch eine Plastiktüte mit dabei.
Eine Plastiktüte?
Pappas: Ja. Wir wunderten uns auch, haben uns aber nichts weiter dabei gedacht. Nach der Partie sind wir dann zu Helmut gegangen und haben ihn gefragt, was denn in der Tüte war. Er hat nur gelächelt und gesagt: Die Aufstiegs-T-Shirts natürlich.
Die Hotelaktion war ja nicht das einzige Mal, dass sich Union unfair benahm, Stichwort Stadionsprecher oder später beim Einlass der Fans. Die Revanche kam dann auf dem Platz.
Terranova: Dabei hätten wir nach zwei Minuten 0:2 hinten liegen können. Da dachte ich, wir kommen hier nicht lebend heraus. Als ich aber das 1:0 gemacht habe, ging der entscheidende Ruck durch die Truppe.
Inklusive ein paar Grußworte an Trainer Uwe Neuhaus und den Berliner Anhang...
Terranova: Der Dimi ist dann zu mir gelaufen, hat mir noch den Mund zugehalten und gesagt „Terra werd’ wach“. Da habe ich mich direkt entschuldigt. In der Halbzeitpause haben sie mich dann alle gejagt. Aber ich bin ruhig geblieben und habe nur an das Spiel gedacht.
Die Euphorie nach dem Aufstieg 2007 aus der Oberliga war groß. Mit welchen Erwartungen seid ihr in die neue Saison gegangen?
Terranova: Klares Ziel war Platz zehn und damit die Qualifikation für die neue Dritte Liga. Im Vergleich zur Vorsaison hatten wir uns kaum personell verändert. Wir hatten auf dem Platz Typen, die hungrig waren. Eigentlich hatte jeder von uns im Training Schaum vorm Mund.
Gleich zum Auftakt gab es das historische 4:1 an der Hafenstraße. Dennoch lief es danach alles andere als rund...
Pappas: Es war am sechsten Spieltag gegen Dynamo Dresden (0:1), als wir auf dem Rasen gesessen haben und uns selbst fragten, woran es liegt. Da ist die Mannschaft nochmal enger zusammen gerückt und hat sich selbst herausgearbeitet.
Die Konstanz war also der Schlüssel zum Erfolg?
Pappas: Definitiv. Nach Dresden gewannen wir in Verl mit 2:1. Markus Kaya machte sein erstes Spiel auf der Sechs, wovon er danach nicht mehr wegzudenken war. Bis zum Saisonende haben wir unser Ding dann knallhart durchgezogen.
Gab es einen speziellen Moment wo euch klar war, das könnte was werden mit dem Aufstieg?
Pappas: Wir haben uns eigentlich nie unter Druck setzen lassen. Wir waren ja auch Spieler, von denen viele schon Rückschläge erlitten hatten. Letztlich wollten wir es allen zeigen und einfach so viele Spiele wie möglich gewinnen.
Terranova: Ich glaube, nach dem 3:0-Sieg gegen Lübeck hab ich meine Klappe in dieser Richtung erstmals aufgemacht: „Wir wollen raus aus der Kaffee-Liga“.
Nach dem Sieg in Babelsberg hattet ihr den Aufstieg im Heimspiel gegen RW Erfurt am vorletzten Spieltag in der eigenen Hand...
Pappas: Eigentlich war alles angerichtet. Das Stadion war so voll wie selten und es gab Freibier für die Fans. Und wir haben auch richtig gut gespielt, aber eben auch unsere vielen Chancen nicht genutzt.
Mike, du hattest die größte Chance des Spiels, als du den Torwart von Erfurt bereits umkurvt hattest und dann...
Terranova: ...kratzt den noch einer von der Linie. Da muss ich sagen, das war nicht leicht zu verkraften. Da kamen die Gedanken auf, vielleicht lassen wir diese Riesenchance jetzt in Berlin noch liegen. In der Woche vor dem Spiel habe ich mir extra zwei Tage frei genommen, weil ich von mir selbst enttäuscht war. Aber schließlich waren wir dann auf den Punkt bereit.
Wie habt ihr die Unterstützung der Fans in der Hauptstadt und dann bei der Rückkehr in Oberhausen wahrgenommen?
Terranova: Was die Fans da abgeliefert haben, war einfach unglaublich. Wie wichtig diese Unterstützung für uns letztlich war, kann man gar nicht in Worte fassen.
Pappas: Wir wussten zwar, was uns in Oberhausen erwartet. Dennoch, die Straße so voll und dabei den Jubel der Fans zu erleben, war schon einzigartig. Es war praktisch unser Sommermärchen.
Nach dem Erfolg ging die Party dann auf Mallorca weiter...
Pappas: Da haben wir nochmal richtig Gas gegeben. Ich kann mich noch an einen Nachmittag erinnern, wo wir am Strand saßen und wegen des schlechten Wetters eigentlich zurück zum Hotel gehen wollten.
Terranova: Da sind wir an einem Supermarkt vorbei gekommen und ich habe gesagt: Lasst uns rein gehen, die dreckigsten Getränke holen und draußen Karten spielen. Der Verlierer musste dann immer einen trinken. Und ich weiß ja nicht, ob die Jungs getrickst haben, aber irgendwie hab ich immer verloren.
Pappas: Ich werde nie das Bild vergessen, wie Julian Lüttmann und Tuncay Aksoy sich in den Armen lagen und einfach gefeiert haben. Eigentlich waren die zwei Konkurrenten um einen Platz in der Startelf. Das zeigt die Einheit, die uns als Mannschaft so ausgezeichnet hat.
War das auch der entscheidende Faktor, warum die Mannschaft so über sich hinausgewachsen ist?
Terranova: Das besondere an dieser Mannschaft war, dass jeder wusste, was er kann. Da war keiner neidisch auf den anderen, sondern die Mischung hat einfach gestimmt.
Zwar gab es mit dem Gewinn des Niederrheinpokals zuletzt wieder einen tollen Erfolg, dennoch: Wann sehen wir Oberhausen wieder eine oder sogar zwei Ligen höher?
Pappas: Ich würde mir wünschen, dass der Verein so schnell wie möglich wieder nach oben kommt, auch wenn das nicht leicht wird. Ein Verein wie RWO kann nur über den Zusammenhalt kommen, gesunden Ehrgeiz und mit den richtigen Transfers.
Terranova: Ein Aufstieg ist nicht planbar. Du musst gute Spielertypen und die richtige Mischung finden, Spielglück und kein Verletztenpech haben. Für die neue Spielzeit bin ich aber optimistisch, dass wir eine gute Rolle spielen. Was dabei herausspringt, werden wir dann sehen.
Lesen Sie am Samstag die Erinnerungen der RWO-Fans an den 31. Mai 2008.