Wesendorf. Katastrophaler Start, Aufholjagd, Schwankungen, Fankritik, Unruhe: Christoph Dabrowski spricht über Rot-Weiss Essens Saison und seine Lehren.

Das erste Jahr an der Hafenstraße, nun ja, das war turbulent für Christoph Dabrowski. Im Trainingslager in Wesendorf macht der Chefcoach von Rot-Weiss Essen einen gelösten Eindruck. Gute Laune hat der 45-Jährige, mit RWE hat er noch einiges vor. Redakteur Justus Heinisch sprach mit Dabrowski über Fankritik, Lehren und sein persönliches Ziel für die neue Saison.

Herr Dabrowski, bitte beschreiben Sie ihr erstes Jahr bei Rot-Weiss Essen in einem Satz.

Christoph Dabrowski: Ein Jahr RWE fühlt sich an wie drei woanders (lacht). Es ist alles dabei gewesen: Rieseneuphorie, katastrophaler Start, Anpassung, geile Hafenstraßen-Momente, Randgeräusche, Fanproblematiken, der Sportdirektor war weg, Schwankungen in der Rückrunde. Es gab viele Spiele, in denen wir späte Gegentore bekommen haben. Wir hätten die Stimmung mit besseren Ergebnissen beruhigen können. Aber wir haben es als Mannschaft geschafft, die Liga zu halten – unter maximalem Druck.

Rot-Weiss Essens Dabrowski: „Ich wusste, dass es hier viel Leidenschaft gibt“

Als Sie den Job angetreten haben, sagten Sie, dass Sie sich auf die Hafenstraße freuen. Auf die Emotionen. Hat es Sie überrascht, wie groß der Druck in Essen tatsächlich ist?

Ich wusste schon, dass es hier viel Leidenschaft, aber auch viel Schwarz-weiß-Denken gibt. Dadurch ist ein Verein lebendig. Ich hatte schon eine Prüfung in Hannover hinter mir, das Ruhrgebiet ist jedoch noch mal anders. Hier ist die Wucht ganz anders, alle Entscheidungen und Ergebnisse haben eine andere Tragweite. Überrascht war ich nicht, aber das erste Jahr war eine extrem spannende und gute Grenzerfahrung. In vielen entscheidenden Momenten waren wir als Mannschaft da und haben die Stimmung nicht komplett kippen lassen, beispielsweise beim Heimsieg gegen Dortmund II.

Lesen Sie hier: So lief der erste Tag im RWE-Trainingslager.

Welche Lehren haben Sie aus der vergangenen Saison gezogen – sportlich und persönlich?

Wir haben mit Slawo Freier ein neues Mitglied im Trainer-Staff, er tut uns extrem gut und die Kombination mit Lars Fleischer ist super. Und mein persönliches Ziel ist es auch, den Leuten zu zeigen, dass ich offen und kommunikativ bin. Klar, ich bin 1,95 Meter groß, das mag auf den einen oder anderen unnahbar wirken, aber das stimmt nicht. Ich begegne den Leuten mit aller Offenheit, auch der aktiven Fanszene. Wir brauchen sie.

Nach der Niederlage in Meppen haben Sie gesagt, dass sie keine Lust hätten, sich „jede Woche für die Rufe von 200 Leuten zu rechtfertigen“. Eine unglückliche Aussage?

Ich habe mich mit Leuten unterhalten, die in der Kurve stehen, aus der Szene sind und habe ihnen versucht, meine Sicht der Dinge aufzuzeigen. Ich habe ihnen auch gesagt, dass sie sich mal in meine Rolle hineinversetzen sollen. Ich wurde wochenlang kritisiert – und das auf einem Niveau, über das man diskutieren kann. Kritik geht immer, aber sie muss sachlich sein, das habe ich immer wieder betont. Es war keine Anfeindung meinerseits, ich wollte damit versuchen, das Gleichgewicht deutlich zu machen, dass man nie von allen geliebt werden kann, schon gar nicht als Trainer. Das weiß ich. Wenn 18.000 Menschen im Stadion sind, ist es klar, dass es Personen gibt, denen nicht gefällt, was man macht. Ich hatte nie das Ziel, die Leute gegen mich aufzuhetzen, im Gegenteil. Meine Herangehensweise ist immer, mich auf die positiven Dinge zu fokussieren.

Christoph Dabrowski geht in seine zweite Saison als Trainer von Rot-Weiss Essen.
Christoph Dabrowski geht in seine zweite Saison als Trainer von Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | RHR-FOTO

Dabrowski: „Ich liebe Herausforderungen“

Vor dem Spiel gegen 1860 München gab es in der Kurve Transparente und Schals mit der Aufschrift „Dabrowski raus“…

Geil fühlt sich das nicht an.

… wie gehen Sie damit um?

Die Rufe kriege ich mit, die Bilder sehe ich auch. Ich bin aber lange dabei, es ist meine zweite Trainer-Station im Profifußball. Meine Stärke ist, glaube ich, dass ich in gewissen Drucksituationen eine Souveränität und Resistenz ausstrahlen kann, bei der sich der eine oder andere fragt: Wann platzt ihm denn mal der Kragen?

Und wie kurz war Ihr Kragen davor, zu platzen?

Da muss schon ein bisschen mehr passieren (lacht). Ich habe nie mit dem Gedanken gespielt, den Koffer zu packen und nach Hause zu gehen. Ich liebe Herausforderungen. Sie sind dazu da, sie zu meistern. Ich will ausstrahlen, dass ich in der Krise stabil bin, aber spurlos geht solch eine Kritik nicht an mir vorbei. Natürlich motivieren mich Wertschätzung und Anerkennung, so versuche ich auch, meinen Mitmenschen gegenüberzutreten. Man muss für sich selbst Mittel und Wege zu finden, die Kritik beiseitezulegen.

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Gibt es denn konkrete Routinen, die Ihnen in solchen Momenten helfen?

Ich weiß, was ich kann. Das habe ich schon sehr lange im Fußball unter Beweis gestellt. Aufgrund meiner Geschichte habe ich einen stabilen Charakter. Es gab schon mehrere Situationen in meinem Leben, die nicht einfach waren. Ich habe Freunde, einen engen Kreis, mit dem ich diskutiere und philosophiere, verschiedene Blickwinkel einnehmen kann. Grundsätzlich ist es für mich aber ein Fehler, aus der Emotion heraus zu handeln. Ich schlafe lieber eine Nacht drüber und suche nach Lösungen. Darauf lege ich meinen Fokus.

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