Dortmund. Das Dortmunder Stadion wird 50 Jahre alt und ist weltbekannt. Das Heiligtum der Borussia brachte ikonische Momente hervor.
Über das Westfalenstadion können weitaus mehr Menschen eine Geschichte erzählen als jene 80.000, die alle 14 Tage dorthin pilgern. Nur einige Beispiele.
„Das Stadion ist ein Stück weit Familienstolz“, sagt Carolyn Schnepper. Für Edin Terzic ist es „ein extrem schönes Gebäude, zum Stadion aber machen es die Atmosphäre und unsere Fans“. Oliver Neuville findet, dass dort „in dieser Nacht tatsächlich das Sommermärchen begonnen“ hat. Aber der Reihe nach.
Heute kennt man das Dortmunder Stadion, das heute 50 Jahre alt wird, überall auf der Welt, wo schon einmal ein Fußball gerollt ist. Und das ist praktisch überall der Fall. Es hat weniger mit den sportlichen Darbietungen von Borussia Dortmund zu tun, die zwar gerade in den 1990er und 2010er-Jahren hochklassig waren und an der später auch Jude Bellingham oder Erling Haaland ihre Weltkarrieren starteten.
50 Jahre Westfalenstadion: Der Bau begann in den 1970er-Jahren
Die Prominenz beruht vor allem auf der kolossalen Südtribüne, für die Leute in Flugzeuge steigen, um einmal auf ihren grauen Betonstufen zu stehen oder wenigstens ein Bild davon mit ihrem Smartphone zu schießen. Bis zu 25.000 Fans versammeln sich hier. Springen, singen, schwenken Fahnen, basteln Choreographien. Es knistert, kribbelt, wenn der BVB spielt.
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Vor über 50 Jahren jedoch, als der Profifußball noch rudimentär und seine glitzernde wie exzentrisch Zukunft nicht absehbar war, musste gespart werden. Die Stadt Dortmund benötigte ein Stadion für die anstehende Weltmeisterschaft 1974, das aber doch bitte so wenig wie möglich kosten sollte.
Paul Zühlke, ein bis dahin freischaffender Künstler und Architekt, war gefragt. Er wurde von der Stadt angestellt und beauftragt, einen Entwurf vorzulegen. Die Bedingungen: günstig und so gebaut, dass es als Zwillingsstadion der benachbarten Roten Erde durchgehen kann. Der Dortmunder reiste um die Welt, um sich inspirieren zu lassen. Die Wahl fiel auf ein Palettenstadion in Fertigbauweise, das schließlich 31,7 Millionen D-Mark gekostet haben wird, finanziert vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen. Begonnen wurde mit dem Bau im Jahr 1971.
50 Jahre Westfalenstadion: Der erste BVB-Gast war Schalke 04
Carolyn Schnepper, 22, hat ihren Opa zwar nie kennengelernt – er verstarb im Jahr 1986 - aber „meiner Oma war es sehr wichtig, dass das Wissen darüber auch an die Enkel gegeben wird“, sagt sie. „Überall in der Wohnung hing sein Werk aus.“ Paul Zühlke erhielt ein Leben lang freien Eintritt in sein Stadion.
Noch war das Westfalenstadion nicht ikonisch, Anfang der 1970er-Jahre. Was auch daran lag, dass Borussia Dortmund inzwischen nur noch Zweitligist war. Das Eröffnungsspiel am 2. April 1974 bestritt der BVB gegen Schalke 04, wobei der blau-weiße Rivale auf eine Antrittsprämie verzichtete. Die Borussia hätte sie sich kaum leisten können.
Erst in den 1990er-Jahren kam der BVB zurück in die nationale Spitze, und dafür musste neben einen sündhaft teuren Kader auch eine prunkvolle Heimspielstätte her. Mitte des Jahrzehnts erhielten zunächst Ost- und Westtribüne einen Oberrang, dann auch die anderen beiden. Zwischen 2002 und 2003 schloss man die Ecken zwischen den Tribünen. Weil sich der Klub für den Größenwahn extrem verschuldete, musste nicht nur das Stadion verkauft werden, sondern auch ein Heiligtum dran glauben: der Stadionname. Seit 2005 heißt das Westfalenstadion offiziell Signal-Iduna-Park, die Sponsoren-Partnerschaft trug seinen Teil zum Überleben des BVB bei. Traditionalisten erinnern auch heute noch bei jeder Gelegenheit an den alten Namen.
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Im Westfalenstadion können gewöhnliche Spiele besonders sein, auch das macht den Mythos aus. Zum Beispiel ein 2:1 gegen den MSV Duisburg am 23. November 1991. „Ab dann war für mich klar, für wen mein Herz schlägt“, erinnert sich Edin Terzic, 41, heute BVB-Trainer, an seinen ersten Besuch im Stadion. Momente für die Ewigkeit gab es zuhauf: Bei der WM 1974 wirkte hier Johan Cruyff. Jürgen Wegmann rettete den BVB 1986 in der Relegation gegen Fortuna Köln vor dem Abstieg, Lars Ricken wuchtete den Ball 1994 in der Verlängerung gegen La Coruna unter die Latte, Felipe Santana verhalf 2013 zum Wunder gegen Malaga. Fünf Meisterschaften feierte der BVB hier.
An der Strobelallee begann auch das Sommermärchen. Bernd Schneider schickte David Odonkor in die Tiefe. Der Dortmunder flankte und in der Mitte grätschte Oliver Neuville den Ball zum späten 1:0 gegen Polen ins Netz. „Es herrschte eine unglaubliche Stimmung. Die Atmosphäre war überragend. Nach dem Tor ist das Stadion explodiert. Es war in diesem Moment so laut, wie ich es nie wieder erlebt habe“, sagt Neuville, 50, dieser Redaktion. Zwei Wochen später allerdings endete das Sommermärchen in Dortmund beim 0:2 gegen Italien dramatisch. Bis dahin hatte die deutsche Nationalmannschaft im Westfalenstadion nie ein Länderspiel verloren.
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Heute vereint das Stadion Erinnerung und Gegenwart, Tradition und Moderne. Bis zu vier Millionen Euro verdient Borussia Dortmund pro Heimspiel, das Stadion macht den Verein weltweit bekannt. 81.365 Menschen finden auf den Tribünen Platz.
Andererseits sind die Instandhaltungskosten enorm. Für einen neuen Catering-Bereich etwa wurden 13 Millionen Euro fällig. Dafür ist für die Europameisterschaft im Sommer – unter anderem wird ein Halbfinale in Dortmund ausgespielt – nun alles auf dem neuesten Stand.
Bereit dafür, dass bald neue Geschichten erzählt werden können.