Dortmund. Über Niklas Süle ist in den vergangenen Wochen viel gesprochen worden. Beim BVB soll der Innenverteidiger noch mehr Verantwortung erhalten.
Dort, wo die beiden deutschen Fußballer, über die in dieser Sommerpause so kontrovers diskutiert wurde, ihr erstes Spiel in der neuen Saison bestreiten sollen, ist fast nichts. Einige hundert Meter entfernt rauschen die Autos auf der A2 durch Felder. Ein paar Häuser stehen hier. Das örtliche Naturschutzgebiet nennt sich „Schöne Aussicht“. Willkommen in Hamm-Rhynern.
BVB bestreitet am Mittwoch das erste Testspiel
Westfalia Rhynern hat sich hier ein neues Stadion hinbauen lassen, in dem 1500 Zuschauer Oberliga-Fußball ansehen können – und am Mittwochabend (18 Uhr) auch einen Bundesligisten. Borussia Dortmund hat sich zum ersten Testspiel des Sommers angekündigt.
Es mag zum Vorbereitungsstart nur ein Rumpfkader des BVB sein, aber auch der ist mit prominenten Namen gespickt: Marco Reus, Mats Hummels. So weit, so gut.
Doch da wäre auch Felix Nmecha, 22, neuer Mittelfeldspieler, potenzieller Nachfolger des zu Real Madrid gewechselten Jude Bellingham. Der eine, über den schon vor seinem ersten Auftritt in Schwarz-Gelb eine Menge geredet und geschrieben wurde. Der Transfer aus Wolfsburg ist ein Politikum, der gläubige Christ hat homophobe und transphobe Inhalte geteilt. Viele Fans sehen Nmecha kritisch, halten seine Weltanschauung für nicht vereinbar mit den Werten des BVB.
Der andere Dortmunder, der in der Sommerpause in den Fokus rückte, ist Niklas Süle: 27, seit einem Jahr Innenverteidiger im Ruhrgebiet, potenzieller neuer Führungsspieler einer Mannschaft, die gerade eine neue Hierarchie verpasst bekommt. Auch auf ihn werden in Rhynern viele schauen. Genauer: auf seinen Körper.
BVB: Hansi Flick kritisierte Niklas Süle scharf
Dabei hat Süle nichts getan oder gesagt, was moralisch verwerflich gewesen wäre. Gesprochen wurde über ihn in den vergangenen Wochen, weil Hansi Flick dessen Fehlen bei den Länderspiele im Juni gegen die Ukraine (3:3), Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) mit mangelnder Arbeitseinstellung begründet hatte. „Sein Potenzial ist riesig. Aber ich finde, er lässt noch einiges liegen“, rüffelte der Bundestrainer. Ein Zitat, das Flick schnell um die Ohren geschleudert wurde, weil ein Innenverteidiger von Süles Klasse womöglich das eine oder andere Gegentor der DFB-Elf gegen mittelmäßige Teams verhindert hätte – aber das ist eine andere Geschichte.
Die fehlende Fitness. Ein Thema, das den 27-Jährigen schon seit seiner Zeit bei der TSG Hoffenheim und Bayern München begleitet. Süle selbst macht keinen Hehl daraus, dass er nicht unbedingt einen asketischen Lebensstil pflegt, „dass er gerne mal einen Burger isst oder ein Bier trinkt“, sagte er mal. „Ja und? Meinst du, andere Profis machen das nicht? Die reden nur nicht drüber.“ Seine Trikots trägt Süle lieber im Schlabber-Look aus dem Fanshop – nicht in der Profi-Version, die sich wie eine zweite Haut an den Körper schmiegt und dabei jedes überflüssige Kilogramm offenlegt.
Beim BVB weiß man natürlich, dass Süle Optimierungsbedarf hat, dass er nicht der Modellathlet ist, den man sich vorstellt, wenn man an Profifußballer denkt – aber man toleriert diese Defizite, weil man in Süle eine Menge sieht.
BVB: Wer wird neuer Kapitän?
Innerhalb des Teams ist sein Ansehen hoch, als Neuzugang wurde der gebürtige Frankfurter nach seinem Wechsel aus München gleich in den Mannschaftsrat berufen. Süle, Torwart Gregor Kobel (25), Nico Schlotterbeck (23), Emre Can (29), Julian Brandt (27) – das sind die Spieler, auf die Borussia Dortmund die nahe Zukunft aufbauen möchte. Nachdem Marco Reus sein Kapitänsamt zur Verfügung gestellt hat, könnte Süle in der Hierarchie weiter aufsteigen. Kobel gilt als Favorit, denkbar ist jedoch, dass Süle als möglicher Vertreter auch das eine oder andere Mal das bedeutende Stück Stoff tragen darf.
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Kommentieren wollten die Dortmunder Flicks Kritik in Absprache mit dem Spieler nicht. Lieber lobten sie nach Trainingsstart ihren Abwehrchef: „Er hat im Urlaub deutlich mehr gemacht als alle anderen. Er wollte sich auf diese Saison besser, intensiver vorbereiten“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. „Wenn Niklas gesund bleibt, an seinen Themen arbeitet, dann wird er noch viel, viel besser werden.“ Süles Premierensaison in Dortmund war grundsolide. Aber das reicht nicht, wenn sie nach zwölf Jahren wieder mit der Meisterschale um den Borsigplatz fahren wollen.