Gelsenkirchen. Seit Montag ist Youri Mulder als Interims-Sportchef im Amt. Rund um das Regensburg-Spiel zeigte er, was er Schalke geben kann.
Es war so ein Moment, wie ihn beim FC Schalke 04 gerade nur Youri Mulder liefern kann. Locker winkte der Interims-Sportchef des FC Schalke 04 in der Mixed Zone den TV-Journalisten zu, spazierte lockeren Schrittes ein paar Meter weiter, setzte sein typisches Lachen auf, für das Schalke ihn liebt, und sagte etwas zu munter nach dem langweiligen 2:0-Pflichtsieg über Jahn Regensburg am Sonntag zu den übrigen Reportern: „Ich hatte den Spielern vorher gesagt: Ich bin da, jetzt braucht ihr keine Angst mehr zu haben.“ Danach lachte er schelmisch, wurde etwas ernsthafter: „Na, ganz so einfach ist es nicht.“
Schalke-Sportchef Mulder erzielte 43 Tore in 202 Spielen
Eigentlich trat der 55-Jährige erst gestern sein Amt als vorübergehender Nachfolger von Marc Wilmots an – oder wie er sich selbst in einem seiner typischen Augenzwinkern-Sätze nannte: „Zwischenpapst“. Doch schon rund um das Spiel gegen Regensburg drehte er seine Runden in der Arena. Schüttelte hier eine Hand, da eine Hand, verfolgte die Mannschaftsbesprechung vor dem Spiel und in der Pause, erfüllte danach den Job, das Gesicht der Schalker in der Öffentlichkeit zu sein. Er gibt sich hemdsärmelig, lustig, sagt Sätze wie: „Ich muss keine Angst haben, in drei Monaten weg zu sein. Denn ich gehe ja sowieso wieder.“
Und in Mulders Nähe wird ständig gelacht. Auch wenn es eigentlich gar nicht viel zu lachen gibt. Schalke-Fans reden gern über die 43 Tore, die der Stürmer in 202 Schalke-Spielen schoss. Alte Geschichten kann kaum einer besser erzählen als er – wenn er mit seiner näselnden Stimme schildert, wie er auf dem Rückweg von einem Trainingslager 1993 mit Manager-Legende Rudi Assauer in die Feier eines Assauer-Freundes in Oldenburg geriet, dann würden selbst Fans von Borussia Dortmund schmunzeln.
Mulder und Wilmots verbindet, dass beide Eurofighter waren, 1997 mit Schalke den Uefa-Cup gewannen, eine wichtige Rolle spielten. Aber während Wilmots in seiner Knurrigkeit oft Jahrhunderttrainer Huub Stevens Konkurrenz machte, nie das Bad in der Fan-Menge suchte, ob während oder nach seiner Karriere, ist Mulder der Typ, den sich viele als Stehplatz-Nachbarn in der Nordkurve wünschen, am liebsten mit Bierchen in der Hand. Mulder sieht noch so aus wie zu aktiven Zeiten, naja, der Bauch ist etwas runder geworden. Sein VW-Kleinwagen mit niederländischem Kennzeichen wirkt auf dem Vorstandsparkplatz neben den größeren Karossen der Bosse immer niedlich.
Es ist schwer, Mulder richtig böse zu sein - denn er lässt durch seine sympathische Art vergessen, dass ein Profi durch und durch ist. Im Umgang mit Medien ist er seit Jahrzehnten bestens geschult. Schon als aktiver Spieler ging er keiner Kamera aus dem Weg und lernte ständig dazu, im niederländischen Fernsehen ist er ein gern gesehener Experte. Deshalb trat er sein neues Amt auf Schalke auch leicht verspätet an – für den TV-Sender Ziggo Sport weilte er beim Europa-League-Spiel seines Jugendklubs FC Twente an der Cote d‘Azur beim OGC Nizza.
Unschuldig an Schalkes schwieriger Situation, auch das gehört zur Wahrheit, ist er zudem nicht. Seit dem 5. Mai 2021 gehört Mulder dem Schalker Aufsichtsrat an und ist Teil des Sportausschusses. Da das Gremium sämtliche Entscheidungen mit einem Wert von über 500.000 Euro genehmigen muss, gingen fast alle Trainerverpflichtungen (und -rauswürfe), alle neuen Sportchefs (und die Trennung von den Vorgängern) und die teuersten Zugänge über seinen Schreibtisch. Mulder – einziger Ex-Fußballprofi in dem Gremium – hat allem zugestimmt, auch den bösen Fehlgriffen. Seine Rolle im aktuellen Konstrukt Schalke 04 ist viel größer als viele vermuten. Als Karel Geraerts im Oktober 2023 kam, war er ein wichtiger Ratgeber - er hatte den Trainer kurz davor in einer belgischen TV-Sendung kennengelernt. Mit dem aktuellen Coach Kees van Wonderen arbeitete als als Co-Trainer beim FC Twente zusammen. Schon vor einigen Jahren war van Wonderen als S04-Trainer im Gespräch.
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Was kann Mulder nun bewirken? Wahrscheinlich hätte Schalke auch ohne ihn Jahn Regensburg mit 2:0 geschlagen. Inhaltlich kann er aber Akzente setzen. Wollte Kaderplaner Ben Manga den vereinslosen Sturm-Oldie Anthony Modeste (36) verpflichten, winkte Mulder ab: „Ich habe viele Ideen, aber die hatte ich nicht. Jemanden aus Not dazuzuholen, bringt Unruhe.“ Manga wird genau zugehört haben. Mulder will die meisten Trainingseinheiten beobachten, mit Spielern Einzelgespräche führen, „Positivität“ bewirken. Wer sollte das besser können als er?
Und damit ist eins klar: Mulder belebt Schalke, und sein Nachfolger, der spätestens rund um den Jahreswechsel übernehmen soll, sollte nicht versuchen, so locker zu sein wie er. Mehr Einfluss dürfte er wohl bekommen. Aber egal, was er entscheidet – einer muss immer zustimmen: Youri Mulder. Der sitzt dann wieder im Aufsichtsrat.
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