Gelsenkirchen. Auf Schalke wird aktuell großer Fußball gezeigt, bei der EM. Die Planungen laufen, auch bei Finanzchefin Christina Rühl-Hamers. Ein Interview.
In der dritten Etage der Geschäftsstelle des FC Schalke 04 befinden sich die wichtigen Büros: Vorstand, Direktoren, Besprechungsräume. Es gibt dort auch einen Balkon, auf dem schon Rudi Assauer, Horst Heldt, Christian Heidel und, und, und standen. Christina Rühl-Hamers (47), Finanzvorständin der Königsblauen, schaut vom Balkon auf die Arena, die gerade die Uefa für die EM gemietet hat, spricht gut gelaunt darüber, wie schwierig es für die Königsblauen ist, aktuell das eigene Stadion zu betreten. Dort spielen aktuell große Nationen wie Spanien und Italien. Auf die EM folgen wichtige Konzerte. Das Interview beginnt.
Sind Sie im EM-, Taylor-Swift- und Rammstein-Fieber, Frau Rühl-Hamers?
Ich bin stolz darauf, dass unser Stadion Teil dieses Turniers ist. Beim ersten Spiel dabei zu sein, war etwas Besonderes und wir hatten mit der Begegnung England gegen Serbien natürlich auch ein interessantes erstes Spiel bei uns. (lächelt) Ich bin ganz gespannt darauf, was noch auf uns zukommt in der Veltins-Arena – gerade in diesem Sommer! Bei den Konzerten bin ich allerdings operativ nicht so involviert, freue mich aber sehr, dass die Menschen bei diesen absoluten Highlights eine tolle Zeit haben werden. Wir können die Arena aktuell gerade auch international super präsentieren.
Können Sie denn solche Veranstaltungen genießen – oder denken Sie ganz nüchtern: Gut, dass etwas für Schalke übrig bleibt…
Das hat auch eine wirtschaftliche Komponente, ganz klar – sowohl bei der EM als auch bei den Konzerten.
Können Sie die Mehreinnahmen beziffern?
Es sind Beträge, bei denen es sich wirklich lohnt, sich um eine EM zu bewerben oder diese Konzerte auszutragen.
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Der Sprung von EM und Taylor Swift zur Zweiten Liga fällt jetzt etwas schwer…
(lächelt) Den schaffen wir!
Wie haben Sie die Momente des feststehenden Klassenerhalts am drittletzten Spieltag erlebt?
Natürlich atmet man dann ganz tief durch, weil es endlich Planungssicherheit gibt und weil gewisse Szenarien zur Seite geschoben werden können. In mehreren Strängen zu planen, raubt Energie und Zeit. Man wird ausgebremst.
Wie schwer war es für Sie, das Drittliga-Szenario zu planen? Konnten Sie da noch sachlich bleiben bei den Konsequenzen, die gedroht hätten?
Erst einmal bin ich heilfroh, dass dieses Szenario nicht eingetreten ist. Aber man muss sachlich bleiben, da man nur so die Themen mit klarem Blick bearbeiten kann. Im Abstiegsfall hätten wir bis Anfang Juni eine Liquiditätsbedingung erfüllen müssen, wir hätten die Themen innerhalb von wenigen Tagen lösen müssen. Das geht nur mit guter Vorbereitung. Und ich bin weiterhin überzeugt, dass wir es geschafft hätten.
Nun geht es in der Zweiten Liga weiter – aber die Mannschaft verändert sich. Viel Geld bringt der Verkauf von Assan Ouédraogo. Kann die sportliche Leitung mit einem größeren Transferbudget planen?
Wenn ein Spieler wie Assan Interesse geweckt hat und in seinem Vertrag eine Ausstiegsklausel enthalten ist, ist dieses Szenario natürlich schon früh im Hinterkopf. Die Budgets haben wir schon Anfang des Jahres gemacht. Für die Sommer-Transferplanung bringen frühe Wechsel – und das betrifft ja nicht nur Assans Transfer, sondern beispielsweise auch Marius Müller und Keke Topp - Planungssicherheit. Es hilft uns am Ende auch dabei, den einen oder anderen Spieler eher zu verpflichten. Doch es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt.
Welchen?
Zu einem so frühen Zeitpunkt im Transfersommer zu wissen, dass das Geld durch Transfers reinkommt, bringt auch für die Eigenkapital-Auflage in diesem Kalenderjahr 2024 enorme Sicherheit.
Wenn Sie das negative Eigenkapital nicht um fünf Prozent reduzieren, droht ein Punktabzug für die Saison 2025/2026. Der ist durch den Ouédraogo-Transfer vom Tisch?
So wie ich aktuell auf die Zahlen schaue, ja.
Viele Spieler stehen unter Vertrag, sollen aber gehen. Müssen Sie einen Teil der Ouédraogo-Ablöse in Abfindungen investieren?
Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Der Sport befindet sich in intensiven Gesprächen - uns ist es wichtig, dass wir in jedem Fall passende Lösungen für alle Seiten finden. Fakt ist aber, dass wir bei allen Entscheidungen von Anfang an die Konsequenzen mitgedacht haben.
Sie sind auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Macht es Ihnen Sorgen, dass noch kein Haupt- und Ärmelsponsor da ist?
Ich kann die Nachfrage verstehen, habe aber Vertrauen in die Partnerschaft mit Sportfive. Die Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht gut gestartet. Es benötigt Anlauf, da wir den Job sehr lange allein gemacht haben und nun ein Partner an unserer Seite ist. Grundsätzlich habe ich lieber früher als später einen Hauptsponsor. Wir wollen nicht zu jeder Summe abschließen, wollen den richtigen Partner finden.
Schalke 04 hat noch keinen neuen Hauptsponsor gefunden
Ärgerlich, dass Sie beim ersten Testspiel wieder mit einer nackten Trikotbrust spielen müssen?
Es ist ärgerlich, dass es wieder Thema wäre und alle darüber reden. Aber wenn das dann die einzigen Probleme sind, halten wir das aus. Wichtiger ist, dass wir zum Ligastart einen Hauptsponsor auf der Brust haben.
Eine weitere mögliche Einnahmequelle wäre die Veräußerung von Teilen der Veltins-Arena, in welcher Form auch immer. Ist das ein Gedankenspiel – oder ist es sogar notwendig, sich diese Gedanken zu machen?
Wir wissen, dass wir über werthaltige Vermögensgegenstände verfügen. Es ist notwendig, diese am Markt zu testen – zum Beispiel das Stadion oder die Cateringrechte. Grundsätzlich wollen wir aber immer vorbereitet sein und Handlungsoptionen haben.
Doch wie ist es konkret mit der Arena?
Es steht nicht an, das Stadion zu verkaufen. Wir sind in unserer Kostenstruktur so aufgestellt, dass wir nicht ungeplant oder kurzfristig aktiv werden müssen, um Kapital aufzunehmen. Dass wir uns aber fortlaufendend Gedanken machen, ist nicht neu. Es ist nicht verboten, sich die Frage zu stellen, welche Möglichkeiten sich bieten. Das Stadion ist ein wertvoller Vermögensgegenstand.
Schalke ist ein besonderer Verein, einer, der stolz auf das Konzept e. V. ist, dass die Arena dem Klub gehört. Ohne die Mitglieder könnten Sie eine solche Entscheidung nicht treffen.
Ja, aus meiner Perspektive muss dahingehend jede Maßnahme zur Schalke-DNA passen – im besten Fall bindet man die Fans und Mitglieder mit ein. Grundsätzlich wollen wir Herr im Haus bleiben und entscheiden können, was passiert.
Könnten Sie mit Arena-Millionen von der hohen Zinslast wegkommen?
Alle Konsequenzen muss man gut abwägen. Wir haben eine Zinslast von rund acht Millionen Euro pro Jahr, auch in der Zweiten Liga. Da müssen Gedankenspiele erlaubt sein. Mit einer signifikanten Einnahme könnten wir natürlich die Verbindlichkeiten tilgen, die Zinslast reduzieren und zum Beispiel einen zusätzlichen Etat für die Mannschaft bereitstellen.
Können Sie die 73 Millionen Euro Personalkosten reduzieren?
Für die Einordnung dieser Zahl ist wichtig zu wissen, dass da wirklich alle Personalkosten enthalten sind: Lizenzmannschaft, Knappenschmiede, Verwaltung. Auch das Catering, das wir selbst machen, hat einen Einfluss. Als Verein mit über 180.000 Mitgliedern und einer anderen Umsatzstruktur als viele andere Klubs benötigen wir eine andere Verwaltungsstruktur als andere Vereine – gleichzeitig können wir nicht mehr in den Champions-League-Strukturen bleiben. Davon haben wir uns schon deutlich wegbewegt, haben beispielsweise nur noch fünf Direktoren und zwei Vorstände. Aber welchen Zustand streben wir an? Unsere Haltung ist klar: Wir brauchen eine Struktur, die ligaunabhängig zu uns passt.
Schalke 04 hat die Eintrittspreise erhöht - „komplexes Thema“
Im Jahr 2026 wird wieder eine Unternehmensanleihe fällig. Bereitet Ihnen die Rückzahlung Bauchschmerzen oder ist das im Sommer 2024 noch zu weit weg?
Aktuell ist das kein Thema. Wenn der Tranfersommer vorbei ist und wir in die Saison 2024/2025 gestartet sind, richten wir unseren Blick auf derartige Themen – wie immer mit viel Vorlauf.
Ist eine Steigerung der Einnahmen durch eine Internationalisierung geplant?
Der Plan, den wir konsequent verfolgen, hat ein klares Ziel: Innerhalb von drei Jahren sportlich erfolgreicher werden, aufsteigen und dann in der Bundesliga verbleiben. Das Thema Internationalisierung steht deshalb nicht ganz oben auf der Liste. Es ist aber so, dass wir den Markt genau beobachten und zuschlagen, wenn sich Möglichkeiten ergeben. Gleichzeitig arbeiten wir im Sport jetzt neu mit internationalen Partnervereinen zusammen.
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Sie generieren mehr Geld durch eine Erhöhung der Eintrittspreise. War das so notwendig?
Das ist in der Tat ein komplexes Thema. Nach so einer verkorksten Saison will man so etwas gar nicht entscheiden, für die Reaktionen der Fans habe ich deshalb höchstes Verständnis. Wir haben die Preise nicht erhöht, um als Verein unendlich reich zu werden, sondern um zumindest eine gewisse Marge zu halten. Jeder erlebt in seinem Privatleben, dass die Kosten in einigen Bereichen über einen langen Zeitraum stark gestiegen sind. So ist das auch bei uns. Diese Kosten hatten wir jahrelang nicht weitergegeben, jetzt mussten wir etwas machen.
Sie sind lange auf Schalke. Haben Sie schon einmal in so kurzer Zeit so viele verschiedene Änderungen mitgemacht?
War das in meinem 15. Jahr der größte Umbruch? (überlegt) Ich bin nicht sicher. Neu ist das nicht, weil die Verantwortlichen die Struktur im Verein regelmäßig den aktuellen Bedürfnissen angepasst haben. Dass wir auf mehreren Ebenen parallel aktiv geworden sind, ist neu. Es war uns wichtig, jeden auf diese Reise mitzunehmen. Wir brauchen Zusammenhalt und Gemeinschaft, damit aus der Umstrukturierung Energie entsteht. Natürlich bringt so etwas immer auch Unruhe in die Belegschaft. Mein Eindruck, dass viele Mitarbeiter mit der Situation sehr professionell und verständnisvoll umgehen. Am Ende geht es nicht um einzelne Personen, sondern immer um das große Ganze.
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