Dortmund/Bremen. Nelson Valdez spielte von 2006 bis 2010 beim BVB. Hier spricht er über sein Verhältnis zu Klopp, emotionale Tore und das Bremen-Spiel.
Nelson Valdez, 40, kommt gerade aus der Kabine, das Training der U23 von Werder Bremen, bei der er als Trainer-Assistent fungiert, ist beendet. Der frühere Bundesliga-Stürmer hat Zeit für ein längeres Gespräch über das Duell zwischen Werder und Borussia Dortmund am Samstag (15.30 Uhr/Sky), in dem er auch zurückblickt auf seine Zeit beim BVB von 2006 bis 2010, in der der Paraguayer Höhen und Tiefen erlebte.
Herr Valdez, Sie sind mit U23 schon am Freitagabend im Einsatz. Haben Sie also Zeit, das Spiel zwischen Werder Bremen und Borussia Dortmund im Stadion zu schauen?
Nelson Valdez: Ja, und zwar nicht allein. Wir haben Gäste aus der paraguayischen Botschaft in Berlin und schauen die Partie gemeinsam.
Ist der SV Werder in Ihrem Heimatland dank Ihnen eine große Nummer?
Der Verein ist vielen Menschen in Paraguay ein Begriff. Borussia Dortmund kannte man sicherlich schon, bevor ich dort gespielt habe. Als Lucas Barrios und ich dort unter Vertrag standen, hat das die Popularität aber sicher noch einmal gesteigert.
Ist das Spiel für Sie ein besonderes?
Es ist für mich immer ein bisschen Kribbeln da, natürlich. Ich muss aber ehrlich sagen, dass meine Sympathien eher in Richtung Bremen gehen, weil ich beim SV Werder arbeite und schon lange hier lebe. Für den BVB spüre ich denn noch große Sympathie, Dankbarkeit und Respekt.
BVB: Nelson Valdez über seinen Wechsel nach Dortmund 2006
Sie sind 2006 aus Bremen ins Ruhrgebiet gewechselt.
Zunächst mal hat mir imponiert, wie sehr sich die Dortmunder um mich bemüht hatten. Ich hatte vor meiner Unterschrift viele Gespräche mit Michael Zorc und Bert van Marwijk, die sich erkundigt haben. Für mich persönlich sah ich die Chance, den nächsten Schritt in meiner Entwicklung zu gehen, auch mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2010. Der BVB war ist und ist ein riesiger Klub.
Ihr Start aber war sehr unglücklich. Sie haben mal gesagt: „Ich dachte, ich bin verflucht. Als ich nach rechts lief, flog der Ball nach links und umgekehrt. Oder ich traf Pfosten oder Latte.“ Was war los?
Ich erinnere mich an den zweiten Spieltag gegen Mainz 05, da habe ich ein sehr schönes Tor geschossen – stand aber im Abseits. Kurz darauf hatte ich einen katastrophalen Auftritt in Hannover mit einer Roten Karte und zwei verschuldeten Gegentoren. In dieser Zeit habe ich mir viele Gedanken gemacht und sogar überlegt, meine Karriere zu beenden. Im Dezember 2006 kam mein Sohn zur Welt. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis, mir ist bewusst geworden: Du hast dir alles selbst erarbeitet, das hier gerade ist nur eine Hürde, die du überspringen musst, du hast bestimmt nicht das Fußballspielen verlernt. Am 32. Spieltag habe ich dann endlich mein erstes Tor geschossen beim wichtigen Sieg im Abstiegskampf in Wolfsburg. Das hat mir Kraft für die kommenden Jahren gegeben und ist heute der Grund, warum ich sehr gerne auf meine Zeit in Dortmund zurückblicke.
Für Sie ging es vor allem aufwärts, als Jürgen Klopp im Sommer 2008 Trainer wurde. Welchen Anteil hatte er daran?
Ich wollte damals unbedingt Tore, Tore, Tore machen. Bis er mir mal sagte: „Scheiß doch auf die Tore. Du musst nicht immer treffen, sondern einfach deinen Siegeswillen einbringen.“ Er hat auch mal über meine Mentalität gesagt: „Wenn ich elf Valdez im Kader habe, werde ich kein Spiel verlieren.“ Das hat mir viel Kraft gegeben. Gleich in seinem ersten Spiel habe ich gegen Leverkusen ein Tor geschossen, eins vorbereitet und dachte: Jetzt kann es endlich laufen. Es hat funktioniert, und ich konnte mir einen WM-Traum erfüllen.
BVB: Nelson Valdez über die Zusammenarbeit mit Jürgen Klopp
War es also Kopfsache?
Ja. Mir fällt da immer ein Spiel in Bochum im April 2009 ein. Ich war vorher die gesamte Woche krank. Einen Tag vor der Partie – ich war immer noch erkältet – kam Jürgen zu mir und fragte: „Junge, wie sieht’s aus?“ Ich sagte: „Du kennst mich, wenn du mich reinwirfst morgen, bin ich wieder bei 100 Prozent.“ Also hat er mich spielen lassen. Ich habe den Ball in den rechten Winkel und damit eines der schönsten Tore meiner Karriere geschossen. Da sieht man, was für Dinge ein Spieler aus sich herausholen kann, wenn er das nötige Vertrauen erhält.
War diese Zeit auch eine persönliche Genugtuung für Sie? Sie standen zuvor in der Kritik, galten beim BVB als Chancentod.
Ich glaube kaum ein anderer Verein der Welt hätte einen Stürmer, der 5 Millionen Euro gekostet und kein Tor geschossen hat, so sehr geschätzt. Die Leute haben gemerkt, dass ich es unbedingt schaffen wollte. Leider ist es nicht so gelaufen, wie ich es mir selbst vorgestellt habe. Die Fans haben mich dennoch unterstützt. Das war ganz toll.
Kurz darauf hat der BVB Lucas Barrios und Robert Lewandowski verpflichtet. Ihnen wurde nahegelegt, den Verein zu verlassen, obwohl man den Vertrag noch kurz zuvor verlängert hatte. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Es hat mich schon ein bisschen getroffen, weil die letzten beiden Jahre ja einigermaßen gut waren und die Richtung gestimmt hat. Ich war 26 Jahre alt und fühlte mich sehr gut. Ich habe mit Michael Zorc diskutiert, gesagt, dass ich mich unbedingt durchbeißen möchte. Ich glaube, dass für mich dann kein Platz mehr war.
BVB: Nelson Valdez über seine Trainer-Laufbahn bei Werder Bremen
Sie sind zwei Jahren zurück beim SV Werder und arbeiten an einer Trainer-Laufbahn. Wie läuft es?
Ich mache zurzeit meine Lizenz und möchte irgendwann mal Cheftrainer sein. Der Job macht mir sehr viel Spaß – ehrlicherweise hätte ich das nicht für möglich gehalten, als ich mit dem Fußballspielen aufgehört habe. Ich habe allerdings schnell gemerkt, dass ich ohne Fußball nicht leben kann. Ich muss in einer Kabine sein, mich in Wettbewerben messen, möchte mein Wissen weitergeben und auf dem Platz Fortschritte sehen. Ich hatte es davor auch mal als Berater versucht, aber das ist nicht meine Welt – zu viel Bla-Bla (lacht).
Haben Sie ein konkretes Ziel?
Mein Traum ist es, Cheftrainer zu werden.
Vielleicht von Paraguay bei der WM 2030, wenn in Ihrem Heimatland ein Spiel ausgetragen wird?
Stimmt, aber ich habe keine Eile. Hier in Bremen gibt mir der Verein das Gefühl, dass sie mit mir planen, dass sie mich unterstützen. Alles hat seinen Weg und seine Zeit.
BVB: Nelson Valdez über Dortmunder-Trainer Nuri Sahin
Was erwarten Sie für ein Spiel am Samstag?
Wie immer in Bremen: ein torreiches. Das kann man schon garantieren. Die bessere Mannschaft soll gewinnen. Ich freue mich auf das Spiel.
Kann der BVB Deutscher Meister werden?
Auf jeden Fall, der BVB gehört immer zu den Kandidaten. Es wird natürlich nicht einfach.
Trainer Nuri Sahin kennen Sie noch als jungen Spieler. Welchen Eindruck hat er damals auf Sie gemacht?
Ich freue mich sehr für ihn und wünsche ihm nur das Beste. Nuri ist ein sehr intelligenter Junge, der nicht nur als Fußballer sehr gut war, sondern auch das Drumherum im Griff hatte. Nuri und Dortmund, das passt perfekt, weil er fast seine ganze Karriere dort war. Wir haben damals viel Zeit zusammen verbracht, obwohl er fünf Jahre jünger ist. Er mit 17, ich 22 Jahren, das war ja schon ein relativ großer Unterschied.
Haben Sie ihm vor dem Spiel geschrieben?
Nein, das mache ich nicht gerne. Da fühle ich mich immer wie ein Spion (lacht). Das mache ich nach dem Spiel, vielleicht treffe ich ihn auch am Bus und kann Hallo sagen.
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