Lenzerheide. Biathlon in der Schweiz wird immer beliebter und soll bei der WM in Lenzerheide groß rauskommen. Die ersten Schritte erfolgten jedoch woanders.
Quer über der Hauptstraße 3, am Ortseingang von Lenzerheide, ist ein mächtiges Banner gespannt. Es kündet vom großen Ereignis, das wenige Kilometer außerhalb der 2200-Seelen-Gemeinde die Biathlon-Fans ab Mittwoch in ihren Bann ziehen wird. An den Fahnenmasten, am Rande der kurvigen Strecke, flattern die WM-Fahnen im Wind. Und von einigen Schaufenstern grüßt Auerhahn „Lenzi“, das lustige Maskottchen der bevorstehenden Weltmeisterschaften.
Die Touristen in der Graubündner Ferienregion scheint dies nur am Rande zu interessieren. Sie genießen in der Pferdekutsche die beinahe frühlingshaften Temperaturen oder streben voller Tatendrang, die Latten geschultert, den Skibussen und Seilbahnen entgegen. Unweit des Dörfchens Maienfeld, wo die weltberühmte Romanfigur „Heidi“ ihre Wurzeln hat, zeigt sich deutlich: Das Alpin-Skifahren ist und bleibt der Schweizer größte Leidenschaft. Rund ein Drittel der gesamten Bevölkerung soll regelmäßig auf den Brettern stehen, die ihre Welt bedeuten.
Interesse am Biathlon steigt in der Schweiz
Doch das Interesse am Biathlon ist hier in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Außer in Lenzerheide sind noch in Realp und Engelberg nationale Leistungszentren entstanden, wo die Top-Talente ausgebildet werden. War Lenzerheide bereits Station für den alpinen Weltcup und die Tour de Ski der Langläufer, fand der Ort spätestens mit der Eröffnung der „Roland Arena“ im Dezember 2013 auch seinen Platz auf der Landkarte der Skijäger.

Als wäre es abgesprochen gewesen, sorgte Selina Gasparin wenige Wochen später, bei den Olympischen Spielen in Sotschi, mit der Silbermedaille über 15 Kilometer für eine Sensation. Bis heute ist es der größte Erfolg für das Schweizer Biathlon. Mittlerweile arbeitet die 40-Jährige als Nachwuchs-Cheftrainerin für den Verband. Bei der WM ist sie als Botschafterin und Expertin für das italienischsprachige Fernsehen im Einsatz.
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Vielleicht wird sie dabei auch aufklären, dass die allseits proklamierte WM-Premiere in der Schweiz gar keine ist. Vor exakt 40 Jahren wurden nämlich in Egg am Etzel im Kanton Schwyz bereits Weltmeisterinnen gekürt. Damals gehörte Biathlon noch dem Verband des modernen Fünfkampfs an und ermittelte seine Besten getrennt nach Geschlechtern. Deutsche Starterinnen sucht man in den Ergebnislisten von damals vergeblich. Die Goldmedaillen in den drei Disziplinen gingen damals ausschließlich an die Sowjetunion und Norwegen.
Vor 40 Jahren: Schießen auf Kartonscheiben
Einer, der großen Anteil an der Pionierarbeit hatte, ist Heinz Steger. Der ehemalige Sportlehrer war Biathlon-Chef in Egg und erinnerte sich schmunzelnd an die Anfänge: „Die Schießanlage wurde damals nur stationär und behelfsmäßig aufgebaut. National wurde oft noch auf Kartonscheiben geschossen; mit dem Fernrohr das Zielbild überprüft.“ Später ersetzte man die Kartons durch Klappscheiben, die mittels Zugseilen wieder in die Ausgangsstellung gebracht wurden.
Handgriffe, die heute kaum vorstellbar sind, wenn man die hoch technisierten Wachstrucks, automatisierten Schießstände und digitalen Videowände in der „Roland Arena“ betrachtet. Biathlon ist längst hochmodern – und soll durch die WM in der Schweiz weiteren Rückenwind erfahren. Die Organisatoren rechnen mit insgesamt 80.000 Zuschauern. Für sie wurde unter anderem das mit 900 Quadratmetern größte Fan-Chalet des Landes aufgebaut – Livemusik und tausende Liter Bier inklusive.
Lenzerheide ist bereit für eine große Party – und die erste WM-Medaille. Diese fehlt in der Schweizer Biathlon-Historie nämlich noch.