Dortmund. Borussia Dortmund kann sich derzeit auf Emre Can verlassen. Der Kapitän trumpft plötzlich in der Abwehr auf. Andere profitieren davon.
Was eignet sich besser an einem grauen November-Tag im Ruhrgebiet als ein Rätsel? Borussia Dortmunds Trainer Nuri Sahin muss einen Ersatz für Ramy Bensebaini suchen, der bereits fünfmal in der Saison eine Gelbe Karte gesehen hat und das Auswärtsspiel an diesem Samstag bei Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky) wegen einer Sperre verpassen wird. Es gibt zwei Alternativen: Yan Couto, 22, aus Brasilien, und den vier Jahre älteren Norweger Julian Ryerson. Beide eint, dass sie gerade aus einer Verletzungspause kommen. Sie unterscheidet wiederum, dass Couto vor allem für die rechte Seite geholt worden ist, während die Stärken des Allrounders Ryerson im Vergleich zu Couto eher in der Defensivarbeit liegen – und damit zu Bensebainis Profil passen. Eindeutige Sache also?
Sicherlich, wäre da nicht der Hinweis von Trainer Sahin zum Gesundheitszustand des Duos. „Wir hoffen und gehen davon, dass es klappen wird. Bei dem Einen ein bisschen länger als bei dem Anderen.“ Hm.
BVB: Die neue Viererkette funktioniert gut
Die Antwort auf diese Rätsel kennt also nur Sahin, der sich „nicht unbedingt in die Karten schauen lassen“ wollte. Klar ist nur, dass der 36-Jährige die zuletzt gut funktionierende Not-Viererkette aus Bensebaini (29), Nico Schlotterbeck (24), Emre Can (30) und Pascal Groß (33) justieren muss. An proaktive Rotation ist weder in der Abwehr noch auf anderen Positionen zu denken, ihre letzten Körner werden derzeit von den Dortmundern benötigt, um sich in die anstehende Länderspielpause zu retten. Wer den selbstbewussten Sahin in seinen ersten Monaten im Job erlebt hat, weiß, dass Herausforderungen den BVB-Trainer anstacheln.
Deswegen hat Sahin in den vergangenen Wochen seinen Kapitän auf dem Feld nach hinten verschoben. Der defensive Mittelfeldspieler Emre Can hat die beiden verletzten Innenverteidiger Waldemar Anton (28) und Niklas Süle (29) vertreten und seinen Job gut gemacht, wie auch seine drei Nebenleute Schlotterbeck, Bensebaini und Groß, der selbst ja eigentlich Mittelfeldspieler ist. „Nur Emre hervorzuheben, wäre nicht gut“, sagt Sahin daher. „Ihm tut es natürlich gut nach all der auch sportlich manchmal berechtigten Kritik. Er ist sehr stabil, sehr zweikampfstark. Aber das kann ich über seine Partner auch sagen.“
BVB: Emre Can hat schon häufiger in der Abwehr gespielt
Es ist keine neue Position für den 30-Jährigen, schon unter Edin Terzic half er in der Abwehr aus, in seiner Zeit beim FC Liverpool verdrängte er einst sogar den früheren Weltklasse-Abwehrmann Kolo Touré aus der Startelf. Dem BVB kommt dabei vor allem Cans Geschwindigkeit zugute. „Wir können eine brutal hohe Kette spielen“, sagte Schlotterbeck kürzlich. „Deswegen macht es sehr viel Spaß.“ Nach vielen Wochen mit auch stümperhaften Gegentoren stand gegen Sturm Graz in der Champions League (1:0) mal wieder die Null, drei Tage zuvor hatte das Duo schon die Torchancen von RB Leipzig beim 2:1 auf ein Minimum reduziert. Und auch beim Pokal-Aus in Wolfsburg (0:1 nach Verlängerung) war Can einer der Lichtblicke.
Zudem eröffnete Sahins Umstellung der Viererkette für andere die Möglichkeiten, zu glänzen. Zum Beispiel für Felix Nmecha, 24, der endlich ankommen will nach einer schwierigen ersten Saison in Dortmund. Er überzeugte in seiner neuen Rolle als Can-Ersatz vor der Abwehr so sehr, dass er von Bundestrainer Julian Nagelsmann für den Jahresabschluss der deutschen Nationalelf gegen Bosnien-Herzegowina und in Ungarn nominiert wurde. „Jetzt ist er reingekommen, stabiler, entwickelt sich gut. Dass das vom Bundestrainer belohnt wird, freut mich sehr“, sagte Sahin am Freitag.
BVB hat jetzt mehr Spielstärke auf dem Feld
Mit Nmecha, mit Groß als rechtem Verteidiger und durch Alexander Meyer, Torwart-Stellvertreter von Gregor Kobel, der nach den Länderspielen zurückerwartet wird, hat der BVB viel mehr Spielstärke im Zentrum. Sodass sich gleich die Frage stellt, welche Schlüsse Sahin zieht, wenn die vielen Verletzten zurückkehren, was im Laufe des Novembers der Fall sein wird. Dazu zählt dann auch die Verwendung für Kapitän Emre Can, der qua Amt häufig im Fokus steht, der gleich zum Thema wird, wenn er nicht spielt. Can wird zum X-Faktor.
„Konkurrenzkampf“, meinte Sahin nur. „Die Jungs machen es gut momentan. Ich frage Waldi, ich frage Niki jeden Tag, wann sie wieder zurück sind. Lieber einen vollen Kader und Entscheidungen treffen, als ein Kader, wo wir flicken müssen.“ Da blieb kein Raum zum Rätseln.
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