Paris. Ihn hatte keiner auf der Rechnung, doch Oliver Klemet wächst über sich hinaus, während Star Wellbrock das nächste Desaster erlebt.

Die starke Strömung in der Mitte des Flusses sog alle Kräfte aus dem Körper. Die Arme von Oliver Klemet pflügten nach fast zehn Kilometern trotzdem noch immer entschlossen durch die bräunliche Brühe der Seine. Meter um Meter näherte er sich dem Ziel, in dem Sekunden vor ihm der Ungar Kristof Rasovszky angeschlagen hatte. Die Verfolger aber ließ der 22-Jährige nicht mehr herankommen und schwamm im Freiwasser zum bisher größten Erfolg seiner Karriere.

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Das machte es ihm leicht, den Bedingungen im dreckigen Fluss im Nachhinein nicht viel Beachtung zu schenken. „Ich fand es nicht so schlimm. Soweit ich weiß, geht es bis jetzt allen gut. Wenn ich auf meine Medaille gucke, dann freue ich mich, dass ich hier war“, sagte Klemet, dessen Silbermedaille eine der deutschen Überraschungen in Paris ist. Die Hoffnungen ruhten eher auf Florian Wellbrock, dem Olympiasieger von Tokio, doch der erlebte mit Platz acht die nächste Enttäuschung bei den Spielen.

Klemet dankt Trainer Berkhahn für die tolle Vorbereitung

Sein Trainingspartner hingegen schwamm ein taktisch kluges Rennen. „Gerade die Übergänge waren schon schwierig“, so Klemet, der mit den Konkurrenten auf einem Rundkurs mit der Strömung und gegen sie schwimmen musste. Er hielt sich lange kurz hinter der Spitze auf und spielte auf der Schlussrunde seine Stärke in der Endgeschwindigkeit aus. „Es bedeutet alles. Ich wollte hier einfach eine Medaille gewinnen. Wir haben uns mehr auf das Freiwasser konzentriert, weil die Chancen höher waren, eine Medaille zu gewinnen“, erzählte Klemet, der im Becken bereits die 400 Meter Freistil als Siebter bestritten hatte.

„Wenn ich auf meine Medaille gucke, dann freue ich mich, dass ich hier war.“

Oliver Klemet
Olympiazweiter

Er hätte sogar über die 800 Meter starten können, doch Trainer Bernd Berkhahn riet davon aber, weil diese die Vorbereitung auf das Freiwasser deutlich erschwert hätten angesichts des Zeitplans. Klemet überließ den Startplatz schließlich Wellbrock und zeigte sich sehr dankbar. „Er ist einfach ein wirklich toller Trainer. Er hat uns mit dem intensiven Training wirklich gut vorbereitet, indem er den Veranstaltungsort analysierte, die Strömung analysierte und wo man am besten schwimmen kann. Ich denke, es hat sich ausgezahlt“, so Klemet, der im vergangenen Jahr beim WM-Titel von Wellbrock auf Platz drei landete.

Florian Wellbrock erlebt die nächste große Enttäuschung in Paris mit Platz acht.
Florian Wellbrock erlebt die nächste große Enttäuschung in Paris mit Platz acht. © DPA Images | Michael Kappeler

Für den langjährigen deutschen Vorzeigeschwimmer wurden die Spiele von Paris damit vollends zum Desaster. Erst schied er über 800 Meter im Vorlauf aus und tat das noch als Einschwimmen ab. Als der 26-Jährige über 1500 Meter im Vorlauf einbrach, sorgte das für großes Entsetzen und Ratlosigkeit im Team, weil das überhaupt nicht zu seinen Trainingsleistungen passte. Im Freiwasser schwamm er zwar lange vorn mit, konnte dem Tempo in der letzten Runde aber nicht mehr folgen.

Schwimm-Star Wellbrock erlebt eine große Zäsur in seiner Karriere

Mit dem Olympiasieg von Lukas Märtens über 400 Meter Freistil, der Bronzemedaille von Isabel Gose über 1500 Meter Freistil und nun dem Silber von Klemet haben andere aus der Trainingsgruppe von Wellbrock für Aufsehen gesorgt. Der sechsfache Weltmeister hingegen ging erstmals seit 2019 bei einer Großveranstaltung komplett leer aus und erlebt eine Zäsur in seiner Karriere. Kommentieren wollte Wellbrock sein Abschneiden wie schon nach den 1500 Metern erneut nicht.

Er mochte auch die Siegerehrung mit Klemet nicht live anschauen, anders als Trainer Berkhahn. „Wir haben in der Vorbereitung viel gesprochen, dass er mehr an sich und seine Stärken glauben soll“, sagte der Coach. Selbst die Strömung auf der Zielgeraden konnte Oliver Klemet davon nicht abhalten, dies zu tun.