Paris. Die Bedeutung des Turniers erscheint eher gering – auf den ersten Blick. Bei den Frauen sieht es ganz anders aus.
Andreas Rettig klingt entspannt, als er sich aus Lyon meldet. Die Mannschaft habe auf ihnen einen guten Eindruck vermittelt. Eine gewisse Nervosität kann der DFB-Geschäftsführer Sport aber nicht abstreiten. „Ich hoffe, dass Horst das verdiente Abschiedsgeschenk bekommt“, sagt Rettig. Es ist das Ende der Reise für Horst Hrubesch.
Die Wunschdestination: der von vorn gesehen rechte Platz auf dem olympischen Siegertreppchen. Die Durchführung des Trips dorthin liegt in den Händen, Pardon, mit Ausnahme von Torhüterin Ann-Katrin Berger in den Füßen der deutschen Fußballerinnen, die an diesem Freitag (15 Uhr/ZDF) im Spiel um Bronze auf Weltmeister Spanien treffen.
Olympische Spiele in Paris: Ist Männerfußball bei Olympia noch zeitgemäß?
„Vom Willen her sind wir alle bereit und wollen auf keinen Fall mit leeren Händen nach Hause fahren“, sagt Abwehrspielerin Guilia Gwinn vom FC Bayern München. „Dann Bronze am Freitag“, betonte Kapitänin Alexandra Popp (VfL Wolfsburg) direkt nach dem mit 0:1 nach Verlängerung gegen die USA verlorenen Halbfinale am Dienstag. Für die Fußballerinnen besitzen Olympische Spiele nahezu den Stellenwert einer Weltmeisterschaft.
Bei den Männern? Dass das Endspiel an diesem Freitag (18 Uhr) in Frankreich viel Aufmerksamkeit erfährt, liegt in erster und gefühlt einziger Linie daran, dass der Gastgeber im Pariser Prinzenpark gegen Spanien um Gold spielt. Im Vergleich zum Premiumprodukt WM des Weltverbands Fifa ist die Ausgabe des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) weitaus bedeutungsloser.
Die Fifa passt ihren Rahmenspielplan nicht den Olympischen Spielen an
Salopp formuliert pfeift die Fifa im männlichen Bereich sogar darauf, synchronisiert die Rahmenterminpläne nicht mit denen des IOC. Eine Abstellungspflicht für die Vereine, die sich längst in der Vorbereitung auf die anstehende Saison befinden oder sie teilweise schon begonnen haben, gibt es nicht.
Seit 1992 besteht eine Art gütige Einigung der beiden mächtigsten Sportverbände, nach der Akteure, die im Austragungsjahr der Spiele noch nicht 23 sind, teilnehmen dürfen. Verstärkt werden kann die Mannschaft mit bis zu drei älteren Spielern. Das letzte Wort haben aber die Clubs.
Frankreichs Kader hat trotz Absagenflut einen höheren Marktwert als der von 15 EM-Teams
Rettig bringt Verständnis für die Vereine auf, stellt aber zwei deutliche Unterschiede heraus: Den Stellenwert im Frauenfußball „und die unterschiedliche Bedeutung bei den teilnehmenden Nationen“. In Tokio 2021 mussten die damals qualifizierten deutschen Männer vier verfügbare Kaderplätze ungenutzt lassen. Besonders in afrikanischen und südamerikanischen Ländern ist das anders.
Der Kader von Ausrichter Frankreich bringt es auch ohne Superstar Kylian Mbappé auf einen Marktwert von 392,60 Millionen Euro – höher als der von 15 Teilnehmern der EM 2024. Trainer Thierry Henry beschwerte sich dennoch über eine Flut von Absagen.
DFB-Sportgeschäftsführer Andreas Rettig: „Fußball hat bei Olympia zurückzutreten“
Es gibt Stimmen, die daher fordern, das olympische Fußballturnier der Männer doch gleich ganz aus dem Programm zu nehmen. In der aktuellen Fassung würde der ohnehin omnipräsente Weltsport Nummer eins auch noch das letzte bisschen TV-Präsenz der Randsportarten klauen. Ein emotional vielleicht nachvollziehbares, faktisch aber weiches Argument. Allein wegen der Geschlechterparität, die das Internationale Olympische Komitee als Ideal anstrebt, sowieso nicht vorstellbar.
„Die Bühne bei Olympia gehört aber ganz klar denen, die sich entbehrungsreich und häufig für ein vergleichsweises Taschengeld ein Leben lang auf ein oftmals einzigartiges Erlebnis vorbereiten. Der Fußball hat in diesem Fall einen Schritt zurückzutreten in der Anspruchshaltung öffentlicher Aufmerksamkeit“, sagt Rettig. Der 61-Jährige kann daher auch die Kritik am ZDF nachvollziehen, am vergangenen Sonnabend das nahezu komplette Viertelfinale der DFB-Frauen gezeigt zu haben, anstatt zwischenzeitlich zum 100-Meter-Finale der Leichtathletinnen zu schalten. „Da war die Priorisierung nicht angemessen“, sagt Rettig.
Spiel der deutschen Fußballerinnen um Bronze zum Ende der Reise von Horst Hrubesch
Allerdings verweist der Kölner auch auf die positive Seite olympischen Männerfußballs. „Speziell jüngere Spieler unterstützt es in ihrer Entwicklung, auch mal gegen Mannschaften von anderen Kontinenten zu spielen. Für sie kann man es als krönenden Abschluss ihrer Ausbildung ansehen. Zumal Olympische Spiele für alle Athleten etwas Besonderes sind. Für mich ist Olympia die Seele des Sports“, sagt Rettig. Aussagen auch gestandener Fußballer wie der Zwillinge Lars und Sven Bender, Nils Petersen sowie Max Kruse unterstreichen dies.
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Dennoch sei ein dosierter Fokus auf Fußball bei Olympia angebracht. Mit einer Ausnahme: An diesem Freitag gebührt einem der ganz großen (Männer-)Fußballer in möglichst großem Umfang die Bühne: Horst Hrubesch.