Sprockhövel/Hagen. Christoph Böll hat den Abriss von Kirchen genauso gefilmt wie die Faszination des Stahls. Zum Tod eines großen Künstlers.

Der Abriss einer Kirche in Bochum-Stiepel wurde im Film zum Ereignis. Mit einem großen Gespür für die Sinnlichkeit der Bilder zeigte der Filmemacher Christoph Böll wie die einzelnen Teile des Gebäudes zusammenbrachen. Man glaubte, den Staub in der Luft einzuatmen. Bei der Ausstellung „Pforten der Wahrnehmung“ im Hagener Osthaus Museum erlebte das Publikum den Film auf mehreren Wänden als Installation. Nun ist Christoph Böll im Alter von 74 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben.

Er war ein Neffe Heinrich Bölls und wurde in Köln geboren. Eine prägende Zeit war sein Studium an der Ruhr-Universität Bochum, wo er erste Kurzfilme drehte. Dann kam der größte Erfolg. 1983 startete Christoph Böll mit seinem ersten langen Spielfilm „Der Sprinter“ richtig durch. Eine schräge Komödie um einen jungen schwulen Mann, der seinen Eltern den Gefallen tun will, „normal“ zu werden. Er meldet sich bei einem Sportverein an und probiert sogar eine Romanze mit einer blonden Frau. Motive aus der germanischen Kultur, seltsam schwülstige Musik, ein leicht verpeilt wirkender Hauptdarsteller – das sind Elemente der für Christoph Böll typischen, abgründigen Komik.

Sein nächster Film war dann eine internationale Koproduktion. „Sisi und der Kaiserkuss“ floppte trotz bekannter Besetzung (Jean Poiret, Sonja Kirchberger, Nils Tavernier). Das führte zum Karriereende als Spielfilmregisseur. Christoph Böll erfand sich neu und drehte mit ebensolcher Hingabe Dokumentar- und Musikfilme. Seine Auftraggeber waren große Unternehmen im Ruhrgebiet („Faszination Stahl“) oder auch der TÜV Rheinland, für den er zum Beispiel auf einer Kirmes drehte.

Filme, die gemacht werden mussten

Manchmal gab sich Christoph Böll auch selbst einen Auftrag und drehte Filme, die – wie er sagte – „gemacht werden mussten“. Ein Riesenepos ist seine Dokumentation über den Bochumer Kunstprofessor Max Imdahl. Böll hatte die Gabe, mit Wissenschaftlern genau so offen und klar zu sprechen wie mit Arbeitern. Er war ein offener, vorurteilsfreier Mensch.

Seine Ehrlichkeit ging so weit, dass er auch seine Krankheit öffentlich machte. „Hallo, liebe Freundinnen und Freunde“, begann ein YouTube-Video von Böll. „Ich melde mich heute mit der Nachricht, die nicht so gut ist, dass ich nämlich einen Tumor hab. Und bevor irgendwelche wilden Gerüchte über mich in die Welt gesetzt werden, möchte ich sagen: Ich werde versuchen, offen mit diesem Thema umzugehen und euch auch auf dem Laufenden zu halten.“ Später fügte er hinzu: „Die Angst wird noch kommen, wenn es sein muss. Aber solange sie nicht da ist, hab ich sie auch nicht.“

Zusammenarbeit mit Orchestern

In die Kinos haben es die Filme Christoph Bölls nur noch vereinzelt geschafft. Zu Premieren und Sondervorstellungen. Aber die Museen wurden auf ihn aufmerksam. Wie das Osthaus Museum in Hagen, das eine Werkschau auf eine Weise zeigte, die für einen Filmemacher ungewöhnlich war. Auch mit Orchestern wie den Duisburger Philharmonikern arbeitete Böll zusammen. Da liefen seine Filme, während die Musiker live Gustav Mahler spielten, exakt auf die Bilder dirigiert. Eng arbeitete er mit der Band „Dream Control“ zusammen, die er manchmal als Video Jockey auf ihren Konzerten begleitete.

Christoph Böll war ein Perfektionist, ein Tüftler, der manchmal tagelang an einer Szene schneiden konnte. Bis sie seinen Ansprüchen entsprach. Und manchmal hielt er einfach mit dem Handy drauf, als einmal ein Kind in seiner Ausstellung tanzte. Auch dieser Film schaffte es in sein offizielles Werk. Ob er Geld bekam oder nicht, war ihm oft egal. Er lebte eine Art von Künstlertum die sich nicht von marktwirtschaftlichen Kriterien einschränken ließ. Was nicht zu Reichtum führte, aber zu einer besonderen Mischung aus Heiterkeit und Weisheit. Die bleibt nun konserviert in seinen Filmen.