Düsseldorf. Menopause-Beschwerden sollten nicht länger nur Privatsache sein. Findet Alexandra Just. Ihr Arbeitgeber Vodafone denkt genauso.
Es traf sie dann doch unerwartet – und unerwartet heftig. „Vor etwa einem halben Jahr ging es los, PMS vom Allerfeinsten“, erzählt Alexandra Just, die das „Prämenstruelle Syndrom“ bis dahin nur als Fremdwort kannte; die die Wechseljahre nie gefürchtet hatte. „Und dann war ich plötzlich mittendrin und unfassbar schlecht drauf.“ Selbst bei der Merci-Werbung habe sie geheult, erzählt die 52-Jährige.
Alexandra Just arbeitet seit 24 Jahren bei Vodafone, sie betreut heute in Hannover die Handyverträge der Mitarbeiter. Ihre Wechseljahrsbeschwerden habe sie „erst hingenommen“; sich dann von der Gynäkologin ein pflanzliches Präparat verschreiben lassen. Mit Kollegen oder Kolleginnen, geschweige denn Chefs, sprach die Teenager-Mutter „natürlich“ nicht über ihre Probleme. Es war ihr peinlich – obwohl sie sich an den Tagen vor den Tagen oder wenn sie nachts mal wieder nicht hatte schlafen können, gerade im Büro „sehr gestresst“ fühlte.
„Rechnerisch befinden sich 2500 unserer Beschäftigten in den Wechseljahren“
Arbeitgeber gehen Wechseljahre nichts an: Das denken viele betroffene Frauen – und vielleicht noch mehr Arbeitgeber. Doch die Dinge ändern sich. Vodafone etwa sagt inzwischen: Die Menopause ist keine Privatsache, sie muss am Arbeitsplatz Thema sein.
Sie haben das nämlich einmal ausgerechnet, erläutert Ute Brambrink, Sprecherin des Düsseldorfer Telekommunikationskonzerns: 15.000 Mitarbeitende in Deutschland, 46 Prozent weiblich, ein Drittel zwischen 45 und 55. „Rechnerisch befinden sich also bis zu 2500 unserer Beschäftigten in den Wechseljahren, Frauen, die wir auf keinen Fall verlieren wollen. Sie sind häufig langjährige Arbeitskräfte mit viel Erfahrung, die wir wertschätzen. Hinzu kommt, dass sie in der Regel nach der Menopause noch zwölf Arbeitsjahre vor sich haben.“
Ein Viertel der Betroffenen reduziert die Arbeitszeit
Nun leidet nicht jede massiv unter Beschwerden. Aber nur ein Drittel merke gar nichts, erklärt Dr. Angelika Krummeck, Leiterin des betriebsärztlichen Teams bei Vodafone Düsseldorf. „Und nicht nur die berühmten Hitzewallungen sind typisch. Auch Fatigue, Stimmungsschwankungen, Selbstzweifel, Schlafstörungen oder Gelenkschmerzen zählen zu den Symptomen. Und die können richtig schlimm sein. So schlimm, dass sich Frauen deswegen auch einmal krankmelden müssen.“
Was Arbeitgeber Geld kostet. Auf 14 Millionen Euro schätzt man in Großbritannien den wirtschaftlichen Verlust durch Wechseljahrs-bedingten Ausfall von Arbeitsstunden! Mit einem Krankenschein seien die Probleme vieler Frauen in den Wechseljahren zudem nicht gelöst; ein Viertel der Betroffenen reduziere die Arbeitszeit, zitiert Brambrink eine Studie zum Thema, den „MenoSupport“ der Berliner Professorin Andrea Rumler. Jede sechste wechsele die Stelle wegen ihrer Beschwerden; ein Fünftel der Frauen über 55 gehe früher als geplant in Rente.
„Niemand soll sich dafür schämen, so zu sein, wie er ist“
Der Vodafone-Mutterkonzern in London entschied nach einer eigenen Studie mit ähnlich „deutlichen Erkenntnissen“ das Thema künftig offensiv anzugehen. Nicht nur in der betriebsärztlichen Sprechstunde Mitarbeiterinnen zu beraten, wie es Angelika Krummeck tut. („Als erster Ansprechpartner hilft es oft schon, wenn man die Symptome einer Patientin sortiert, interpretiert, ihr mögliche Diagnostik und Therapien vorstellt oder erklärt, dass ihr Haarausfall mit der Menopause zusammen hängen könne.“) Sondern zudem: aktiv aufzuklären, um das Thema aus der Tabuzone zu holen. „Niemand soll sich dafür schämen, so zu sein, wie er ist. Egal ob schwul, divers oder in den Wechseljahren“, skizziert Ute Brambrink die Unternehmensphilosophie. „Nur wer sich wertgeschätzt fühlt, ist motiviert. Wer motiviert ist, fühlt sich im Arbeitsumfeld wohl und bringt zudem bessere Leistung.“
Der Konzern lud zu einem Webinar ein: „Der Hormonstoffwechsel und die Lebensphasen“; die Personalabteilung stellte Info-Unterlagen ins firmeninterne Netz; Mitarbeiterinnen gründeten eine Selbsthilfegruppe, den „Cycle of Life“. Und jüngst legte Brambrink ein „Toolkit Wechseljahre“ vor, eine dicke Mitarbeiter-Broschüre zum Thema. Darin enthalten: ein Leitfaden fürs Gespräch mit dem Chef („übe vorher mit Freund:innen“) und einer fürs Gespräch mit der Betroffenen („jeder sollte ein Glas Wasser haben“).
„Heute bin ich nicht nicht gut drauf, ich komme morgen rein“
Alexandra Just sagt, es sei vor acht Wochen passiert. Dass sie es „rausließ“, im Team-Meeting endlich auf ihre Wechseljahre zu sprechen kam. „Plötzlich war es ganz leicht, wie Dominosteine, die ins Fallen geraten.“ Als Schwäche habe ihr das auch im Nachhinein niemand ausgelegt. Ganz im Gegenteil. Kolleginnen beglückwünschten sie zum „Outing“ und erzählten von den eigenen Problemen. Die Chefin, selbst noch jung, habe sofort Hilfe angeboten. „Wenn es mir jetzt schlecht geht, ich aber in der Niederlassung erwartet werde, rufe ich kurz an und sage, dass ich emotional nicht gut drauf bin, im Homeoffice arbeite, und lieber morgen komme. Das ist dann okay. Es ist so viel leichter, seit die anderen wissen, was mit mir los ist.“
„Es braucht gar nicht immer die großen Veränderungen“, weiß Angelika Krummeck. Entscheidend sei, „dass keiner komisch guckt, wenn ich mit hochrotem Kopf aus dem Meeting renne“. Eine große Info-Veranstaltung zum Thema ist daher gerade in Planung – und eine nur für Männer..
Unternehmerverband Duisburg: Arbeitgeber haben großes Interesse
Andere Länder sind weiter, aber auch im Revier hat mancher inzwischen verstanden. Das Jobcenter Bochum etwa, das Mitarbeiterinnen gezielt anspricht und Führungskräften Seminare anbietet. Oder der Unternehmerverband Duisburg. „Um Fachkräfte zu binden“, stelle man die Bedürfnisse der Beschäftigten zunehmend in den Fokus, auch in kleineren und mittleren Betrieben, erklärt Martin Jonetzko, stellvertretender Hauptgeschäftsführer. Frauen, „die zeitweise nur eingeschränkt leistungsfähig sind“, sollten sich an ihre Arbeitgeber wenden. „Diese“, versichert Jonetzko, „haben großes Interesse daran, passende und funktionierende Lösungen zu finden.“
Immer häufiger fragen Unternehmen inzwischen auch bei Ute Brambrink nach: Wie packt man das Thema an? Wie weit seid Ihr? „Noch sind wir nicht am Ziel, aber wir sind losgegangen“, sagt sie ihnen dann. Und – in Anlehnung an ein bekanntes Buch: „Die Zeit der Scham ist vorbei!“