Düsseldorf. Debatte um Kita-Quereinsteiger: NRW geht neue und umstrittene Wege im Kampf gegen die Personalnot. Sind Erzieher ohne Ausbildung eine gute Idee?
Kita-Kinder sollen künftig noch mehr von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern betreut werden. Das NRW-Familienministerium preist den „Qualifizierten Quereinstieg“ als „neue und vielversprechende Maßnahme“ an, um mehr Beschäftigte für die Kitas zu gewinnen. Das Projekt soll zum kommenden Kita-Jahr starten.
Es richtet sich zum einen an Menschen, die bisher nicht in der frühkindlichen Bildung arbeiten, sich dies aber vorstellen können. Die Rede ist hier von „lebenserfahrenen Personen“. Zum anderen sollen sich Frauen und Männer angesprochen fühlen, die schon als Kita-Helfer tätig sind oder waren und sich weiter qualifizieren möchten.
Das sind die Pläne der Politik
Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sollen nach einer Anfangsqualifikation (120 Stunden) zügig in den Kitas zum Einsatz kommen und sich dann zwei Jahre lang berufsbegleitend weiterbilden (weitere 360 Stunden). Danach könnten sie eine verkürzte Kinderpflege-Ausbildung aufnehmen, erklärt die Landesregierung. An einer Pilotphase nehmen Aachen, Mönchengladbach sowie die Kreise Steinfurt und Rheinisch-Bergischer Kreis teil. Später soll das Projekt in ganz NRW greifen.
Kinderministerin Josefine Paul (Grüne) schreibt in einer Mitteilung: „Mit dem qualifizierten Quereinstieg bieten wir neuen Zielgruppen die Chance auf eine zukunftsfeste und interessante Beschäftigungsmöglichkeit in der frühkindlichen Bildung.“ Es würden keine Abstriche in der Bildung gemacht, jeder Teilnehmende erhalte eine „hochwertige Ausbildung mit einem anerkannten Abschluss.“
Was sagen Gewerkschaften zu den Plänen?
Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels sei es sinnvoll, über den qualifizierten Quereinstieg in Kindertageseinrichtungen nachzudenken, erklärt Ayla Çelik, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Es ist jedoch anzuzweifeln, ob das vorgestellte Programm der Landesregierung dabei zielführend sein wird oder lediglich eine Maßnahme mit Placebo-Effekt, bei der ohnehin viele Fragen ungeklärt bleiben“, schränkt Çelik ein. „Die wichtigste davon wäre, wie man die Qualität im Quereinstieg sicherstellt. Denn was die Kinder und Beschäftigten in den Einrichtungen brauchen, sind grundständig ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher.“ Die Maßnahme der Landesregierung bringe Menschen in die Kitas mit einer Qualifikation, die sich auf gerade einmal 480 Stunden stütze.
Anne Deimel, Vize-Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW, beurteilt die Pläne der Regierung ähnlich: „Wenn man Kitas als vorschulische Bildungsinstitutionen ernst nimmt, ist es unumgänglich, qualifiziertes Personal einzustellen. Denn in Kitas muss nicht nur eine gute Betreuung, sondern auch eine adäquate Bildung gewährleistet werden – gerade auch mit Blick auf die Entwicklung sprachlicher Kompetenzen.“
„Berufsbild der Erzieherin darf nicht abgewertet werden“
Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger seien eine gute Unterstützung, allerdings dürfe das lange erstrittene Qualitätsniveau in den Kitas nicht verloren gehen, warnt auch Barbara Nolte. Sie ist Referentin für Erzieherinnen und Erzieher beim VBE NRW und arbeitet als Kitaleiterin.
Bei den Plänen des Landes stellten sich wichtige Fragen, zum Beispiel nach der Vergütung aber auch, welche Aufgabenbereiche die Quereinsteiger übernehmen können. „Wie sieht es etwa mit Elternberatung, Bildungsdokumentation oder Gruppenleitung aus? Da sollten nur pädagogisch ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden“, sagt Nolte. Zudem sei es wichtig, dass das Berufsbild der Erzieherin durch Projekte wie diese nicht abgewertet wird.
Mutter: „Quereinsteiger sind eine Bereicherung“
Durch das fehlende Personal in den Kitas müssen viele Eltern ihre Kinder derzeit zu Hause betreuen. So war es auch bei einer Mutter aus Düsseldorf. Sie hofft, dass die Quereinsteiger den Kitanotstand künftig abfedern können. „In der alten Kita meines Sohnes war es jeden Morgen ein Glücksspiel, ob ich ihn bringen konnte. Dadurch ist es schwierig gewesen, Termine auf der Arbeit zu machen, weil ich nie wusste, ob ich wegen meines Sohnes vielleicht doch zu Hause bleiben muss“, erzählt sie.
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Seit einiger Zeit besucht ihr Sohn eine andere Kita – in der ein ehemaliger Musiker als Quereinsteiger arbeitet. „Er hat ein gutes Gespür für Kinder und macht regelmäßig Musik mit ihnen“, sagt die Mutter, die anonym bleiben möchte. Quereinsteiger seien eine Bereicherung, findet sie. Ihren Sohn kann sie nun wieder regelmäßig in die Kita bringen.
Kita-Alltagshelferin: „Ich möchte nichts anderes mehr tun“
Aber auch für viele Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ist die Arbeit in der Kita eine Bereicherung. Sabine Krüger ist seit 2022 Alltagshelferin in einem Kindergarten in Düsseldorf. Zuvor hat die 60-Jährige über 20 Jahre als Kassiererin in einem Supermarkt gearbeitet. Doch mit der Zeit fehlte Krüger dort die Wertschätzung, ihr Gehalt wurde gekürzt. „Corona hat mir dann den Rest gegeben, ich hatte die Nase voll“, erzählt sie. Sie kündigte ohne einen Plan B.
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Über ihre Tochter, die in einer Kita arbeitet, kam sie schließlich zu ihrem heutigen Beruf als Alltagshelferin – und kann sich nun nichts anderes mehr vorstellen. „Ich liebe die Abwechslung, wir haben alle viel Spaß miteinander.“ Für die neue Arbeitsstelle brauchte Sabine Krüger keine Qualifizierung, es reichte lediglich ein Vorstellungsgespräch und ein paar Schulungen.
In der Kita übernimmt sie vor allem hauswirtschaftliche Aufgaben wie Möbel putzen oder Spielzeug desinfizieren. Wenn eine Erzieherin ausfällt, spielt und malt sie mit den Kindern. „Es ist aber immer eine Fachkraft dabei. Ich freue mich, dass ich ihnen unterstützend zur Seite stehen kann“, sagt Krüger. Ihr Wunsch: Künftig in der Hauwirtschaft einer Kita zu arbeiten.
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