Essen. Dominique van de Pol aus Essen, Autorin von „Achtsam und erfüllter leben“, öffnet ihre Tür. Wie lebt man umweltschonend und zugleich zufrieden?
Wie kann man anfangen, nachhaltig zu leben? Was lässt sich im Alltag leicht integrieren und schenkt dauerhaft Glück und Zufriedenheit? Wir besuchen die Essener Sachbuchautorin Dominique Ellen van de Pol. Ihr Ansatz: Wer bei sich selbst beginnt und Kraft durch Achtsamkeit schöpft, kann auch das Weltklima schützen.
„Parkplätze gibt es hier wenig“, sagt Dominique Ellen van de Pol, freie Autorin, Expertin für nachhaltige Mode und Achtsamkeits-Coach. Die Wohnung, in der sie mit Ehemann Joël und Tochter Noëmi lebt, liegt im dritten Stock eines Altbaus. Der befindet sich mitten in der Fußgängerzone von Essen-Steele. Ein so genanntes Mittelzentrum mit Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Wo sich Schnäppchenläden, Bäcker, Blumenhändler, Fleischer und Boutiquen, aber auch ein Nachbarschaftsladen mit „Repair-Café“ aneinanderreihen, hat van de Pol ein helles, freundliches Zuhause eingerichtet. Zu Geschäftszeiten tobt draußen das hektische Leben, drinnen herrscht angenehme Ruhe. Die Entschleunigung beginnt gleich an der Wohnungstür. Wir lassen die Schuhe im Flur. Und atmen erst einmal tief durch, nach vielen Treppenstufen beim Aufstieg.
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Achtsam und erfüllter zu leben, wünschen sich viele Menschen, weiß die 41-Jährige. Doch sie denkt globaler. Ihre Botschaft: „Man kann gleichzeitig Gutes fürs Klima, den Geldbeutel und für sich tun.“ Gerade hat die studierte Mode-Designerin darüber ein Sachbuch verfasst. Nach „Achtsam anziehen“ (2020), einem Nachhaltigkeitsratgeber für den Kleiderschrank, folgt nun „Achtsam und erfüllter leben“. Der Inhalt klingt vielversprechend: Neueste Erkenntnisse der Klima- und Nachhaltigkeitsforschung kombiniert mit Übungen und Alltags-Tipps zu Persönlichkeitsentwicklung und Resilienz. Leserinnen und Leser sollen lernen, wie sie ihr Verhalten an veränderte Lebensbedingungen anpassen. Um den CO₂-Abdruck geht es dabei auch. Doch in Maßen. Van de Pol erhebt nicht drohend den Zeigefinger. Überzeugen will sie mit Fakten und zwingt keinen zum ständigen Nachrechnen.
Nachhaltigkeit: Weniger ist mehr
Vom langen Flur gehen links und rechts die Zimmer ab. In der Küche mit der überdachten Veranda dominiert ein selbst gebauter, massiver Eichentisch. Zum Sitzen lädt eine passende Bank ein. Van de Pol bietet uns ein Glas Wasser an. Aus dem Streamer. „Das Aufbereiten des Wassers ist preiswerter und besser für die Umwelt.“ Die Küchenzeile mit Backofen, E-Herd und weißen Schränken auf dem abgebeizten Holzparkett wirkt wohltuend „clean“. „Wir besitzen nicht so viele Möbel“, kommentiert van de Pol. Auch hier spiegelt sich ihre Lebensphilosophie: „Weniger ist mehr und schont das Klima.“
Der freiwillige Verzicht auf eine Flut von Dingen fällt der ursprünglich aus Franken stammenden Nachhaltigkeitsexpertin nicht schwer. Eine ganz bewusste Entscheidung, die sie vor Jahren traf, um sich mental mehr Ruhe und Klarheit zu verschaffen. Gleichzeitig weiß sie vorhandene Stücke wertzuschätzen und kreativ zu nutzen. Im Rahmen eines Praktikums 2005 in Indonesien erhielt sie Einblicke, wie unsere Mode am anderen Ende der Welt entsteht. „Mir wurde klar, wie viel Schweiß, Geduld und Ressourcen in jedes einzelne Stück fließen – selbst in günstige Teile.“
Nachhaltigkeit: Kleidung gebraucht kaufen
Im Schlafzimmer gibt es keine Schrankwand. Dafür bieten ein alter Werkstattrollwagen und eine selbst gebaute, offene Garderobe Platz für eine überschaubare Anzahl Textilien. Van de Pol zeigt die Kleidung, die auf Bügeln an einer Stange hängt. Links und rechts befestigt an zwei rohen Birkenstämmen. Ein Möbel-Unikat, gebaut von ihrem Mann. Jacken, Hosen, Pullover und Kleider kauft die Familie gern gebraucht. Auf Flohmärkten oder in Second-Hand-Shops entdeckt sie alte Schätzchen. Manches lässt van de Pol vom Schneider ändern. „Das ist oft günstiger als neue Sachen“, fügt sie hinzu. Vor allem bei hochwertigen Stücken. Auch Tauschbörsen empfiehlt sie. Und sie ist Mitglied in einer Klamottentauschgruppe. All dies biete „maximalen Mode-Spaß bei minimalem Klima-Impact“ verspricht die Expertin.
„Selbstfürsorge, bewusstes Loslassen und Nichtstun sind für das Gleichgewicht von Körper und Geist sehr wichtig.“ Wohlfühlen und erfülltes Leben beginne im Körper. „Die meisten Menschen leiden unter Stress“, betont van de Pol auf den ersten Seiten ihres neuen Ratgebers. Und verrät, wie man effektiv und schnell sein Stresslevel senken kann: durch zehn tiefe, ruhige Atemzüge. „So befreit man sich aus den Flucht- und Kampfmodus. Denn tiefes Atmen beruhigt das ganze Nervensystem.“ Ein Ort der Erholung ist der Coaching-Raum mit dem mintgrünen Stoffsessel. Hier bringt van de Pol ihren Klienten Stressbewältigung und Achtsamkeit näher.
Auch längere Auszeiten nimmt sich die Familie. „Im Urlaub versuchen wir aufs Fliegen zu verzichten und verreisen meist mit dem Auto – gern in Europa, etwa zum Campen.“ Abschalten vom Alltag kann die Expertin gut bei Spaziergängen. „Gleich morgens bringe ich meine Tochter zu Fuß in die Schule.“ Die Einkäufe erledigt die Familie größtenteils Ressourcen schonend ohne Wagen. „Das ist ein echter Vorteil dieser Wohnlage.“
Achtsamkeit: Die kleinen Pausen sind wichtig
Und ein Ruhepol ist zudem der hübsche, kleine Balkon, der vom Wohnzimmer abgeht. Ein Tisch und zwei Stühle bieten Luft für „die so wichtigen Pausen zwischendurch“. Auch für Joël Mozes van de Pol, der Musiker ist und seine Auftritte vom Home-Office organisiert. „Von oben hat man zu Geschäftszeiten perfekte Aussichten auf das pralle Leben. Beste Gelegenheit, über das Leben und die Welt zu reflektieren.“
Dominique Ellen van de Pol: Achtsam und erfüllter leben. Gut fürs Klima, den Geldbeutel und dich, Topicus Verlag, 377 S., 11,99 €