Essen. 29 Grundschulen starten ab Montag eine neue Aktion: Kinder werden dazu ermutigt, aufs Elterntaxi zu verzichten und zu Fuß zu gehen.
Knapp jede dritte Grundschule in Essen versucht, mit neuen Methoden das Problem der Elterntaxis einzudämmen. 29 der 84 bestehenden Grundschulen im Stadtgebiet nehmen ab Montag (11. März) an einem Projekt teil, das Kinder auf neue Art dazu ermutigt, zu Fuß zur Schule zu gehen, statt sich von den Eltern fahren zu lassen.
Elterntaxis sind in den vergangenen Jahren an vielen Grundschulen zum echten Problem geworden. Schon vor etwa sechs Jahren bemühte sich zum Beispiel die Rüttenscheider Andreasschule, mit Bring- und Haltezonen, etwa 100 Meter vom Schulgelände entfernt, das Verkehrschaos am Morgen einzudämmen. In Kupferdreh gibt es seit dem vergangenen Jahr Pläne, die Anstockstraße – zwei Kitas und eine Grundschule sind in der Nähe – für Pkw zu sperren. Genau das ist schon in Holsterhausen passiert, wo die Bardelebenschule nicht mehr direkt von Eltern angefahren werden darf. Ewige Diskussionen gibt es auch in Frintrop, wo vor der Altfridschule ein Wendehammer viele Mütter und Väter täglich zu waghalsigen Manövern verleitet. In Altenessen hat die Bückmannshofschule im Frühjahr 2023 einen „Schulexpress“ installiert – die Kinder treffen sich an Haltepunkten und werden von Eltern zu Fuß bis zur Schule begleitet. Und vor der Rüttenscheider Käthe-Kollwitz-Schule haben Kinder schon Zitronen verteilt an Autofahrer, die fahrlässig den Verkehr und somit die Kinder gefährdeten.
Kampf gegen Elterntaxis fing vor über zehn Jahren an
Schon im Jahr 2012 ließ auch Anke Seifert, Leiterin der Ardey-Grundschule in Rellinghausen, Halteverbotsschilder vor der Schule installieren. Doch sie startete seitdem viele weitere Maßnahmen, um Elterntaxis einzudämmen: „Regelmäßig veranstalten wir einen ,Zu-Fuß-zur-Schule-Tag‘“, berichtet Anke Seifert. Auch ihre Schule hat sich entschlossen, jetzt an dem bundesweit organisierten Projekt teilzunehmen, das Kinder dazu motiveren soll, sich nicht länger von Vater oder Mutter mit dem Auto zur Schule fahren zu lassen.
„Das Problem existiert vor allem am Nachmittag“, berichtet Anke Seifert. „Mitten auf der Straße bleiben die Eltern mit dem Auto stehen, warten, bis das Kind eingestiegen ist, und blockieren somit die gesamte Straße.“
Die Kinder lassen von ihren Eltern unterschreiben, dass sie nicht gefahren wurden
„SpoSpiTo“ heißt die neue Aktion, die aus Süddeutschland kommt und sich derzeit in Deutschland verbreitet. Die Abkürzung steht für „Sporteln“, „Spielen“ und „Toben“. Die Aktion: In den kommenden sechs Schulwochen bis Anfang Mai verpflichten sich die Kinder der teilnehmenden Schulen, mindestens 20 Mal aufs Elterntaxi zu verzichten. Die Kinder erhalten einen Pass, in den die Eltern per Unterschrift quittieren, dass ihr Kind entweder zu Fuß, mit dem Rad oder irgendeinem anderen Fortbewegungsmittel zur Schule gekommen ist. Hauptsache, das Auto bleibt zu Hause.
19 Unfälle geschahen im Jahr 2022 im Essener Stadtgebiet auf Schulwegen – ob sie direkt vor den Schulen stattfanden, ist der Statistik nicht zu entnehmen. Klar ist aber, dass Elterntaxis für gefährliche Situationen sorgen. „Eltern warten, bis ihre Kinder in ihren Klassenzimmer angekommen sind und stehen so mit ihren Autos in großer Zahl vor der Schule, sodass andere Kinder die Sitaution gar nicht mehr überblicken können“, berichtet Anja Löwenau, die Leiterin der Carl-Funke-Schule in Heisingen.
Wer mindestens 20 Mal aufs Elterntaxi verzichtet, kann etwas gewinnen
Besonders heikel ist die Lage, wenn neben den Grundschulen direkt Kindergärten liegen: „Die Kindergartenkinder können die Situationen noch weniger einschätzen“, gibt Thorsten Nelles zu bedenken, der Leiter der Laurentius-Grundschule in Steele.
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Wer von den teilnehmenden Kindern seinen Pass komplett ausgefüllt bekommt, nimmt an einem Gewinnspiel teil: Zu gewinnen gibt es Gutscheine einer Sporthandelskette, Tretroller und Rucksäcke – alle von namhaften Markenfabrikaten.
Immerhin gibt es auch jetzt schon Erfolge an Grundschulen, die sich dem Kampf gegen Elterntaxis verpflichtet haben: „Manche Eltern lassen ihre Kinder einige Straßen vor der Schule aus dem Auto, das ist schon mal ein Anfang“, sagt Anke Seifert von der Ardeyschule.
Professor Ulf Gebken von der Uni Duisburg-Essen engagiert sich seit vielen Jahren dafür, dass sich Kinder, vor allem aus sozial schwächeren Vierteln, mehr bewegen. So startete Gebken vor Jahren die Aktion „Open Sunday“, bei der sonntags die Turnhallen von Grundschulen geöffnet werden, damit Kinder dort toben können. „Elterntaxis sind eine enorme Herausforderung“, sagt Gebken. „Wichtig ist die Nachhaltigkeit, ein langfristiges Konzept muss gelebt und umgesetzt werden.“
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