Bochum. Ernährungstipps und Rezepte bei Arthrose oder Rheuma. Ärztin Meike Diessner aus Bochum rät im neuen Buch: Leinöl wirkt wie Schmieröl.
Was wäre der Mensch nur ohne seine Gelenke: „Laufen, springen, tanzen und in der Nase popeln sind möglich, da verschiedene Gelenke unsere Knochen miteinander verbinden“, sagt die Ärztin Meike Diessner. Doch meist denkt der Mensch erst dann an diese wichtigen Verbindungen im Körper, wenn es das erste Mal so richtig zwickt. Später hört man womöglich die Diagnose: Arthrose oder Osteoporose, Gicht oder Rheuma. Hinnehmen müsse man die Schmerzen nicht.
Die Bochumerin gibt Tipps in ihrem neuen, unterhaltsam geschriebenen Buch: „Die beste Ernährung für schmerzfreie Gelenke“. Darin veröffentlicht sie auch über 70 Kochrezepte, teils à la Mama oder Papa, leicht abgewandelt nach Empfehlungen der Ernährungsmedizin.
„Durch die westlich geprägte Ernährung bekommt der Körper nur Mist“
Die Knochen freuen sich, wenn die Pfunde purzeln. Dann haben sie nicht mehr so schwer zu tragen. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum es gut ist, den Kühlschrank anders zu befüllen, so die Ernährungs- und Sportmedizinerin sowie Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Diessner empfiehlt eine antientzündliche, pflanzliche und basische Ernährung. Denn in ihr würden Heilimpulse schlummern. „Durch unsere westlich geprägte Ernährung bekommt der Körper nichts als Mist, mit dem er verzweifelt versucht, eine bröckelnde Bruchbude zu stabilisieren“, schreibt die 47-Jährige.
Was darf denn in Meike Diessners Kühlschrank niemals fehlen? „Lauch“, verrät sie im Gespräch mit dieser Zeitung. „Über Lauchgemüse kann man sehr stark entzündlich gegensteuern.“ Es könne auch Knoblauch sein, Zwiebel, Frühlingszwiebel. Dazu empfiehlt sie noch Gemüse und Obst, das eine rote, dunkelrote, violette oder dunkelblaue Schale hat. „Darin sind sogenannte Antioxidantien“, so Diessner. Sie minimieren Entzündungsprozesse im Körper.
Was mal weg ist, ist weg. Trotzdem kann man den übriggebliebenen Knorpel kräftigen
Meike Diessner verspricht keine Wunder. Wenn der Knorpel, der den Gelenken als Puffer dient, immer weniger wird, „rücken sich die Gelenkpartner zu nahe auf den Pelz“. Und dieser Verschleiß, Arthrose genannt, ist nicht heilbar. „Denn was nun mal weg ist, ist eben weg. Sorry, Jungs – aber da geht’s der Knorpelglatze nicht anders als dem männlichen Kahlkopf“, schreibt die Bochumer Ärztin. Doch wie sich die Gelenkerkrankung weiter entwickelt, wie stark die Schmerzen werden, darauf könne man schon mit der richtigen Ernährung Einfluss nehmen. „Man kann den Restknorpel kräftig halten.“
Außerdem gebe es entzündliche Erkrankungen wie Rheuma, bei denen zuerst eine Entzündung auftritt und dann in der Folge der Verschleiß. Da unterstütze ebenfalls eine pflanzenbasierte, antientzündliche Ernährung, weil in Fleisch – „vor allem in Schweinefleisch“ – entzündungsfördernde Säuren enthalten sind. Und auch der Verzicht auf industriell stark verarbeitete Lebensmittel, „die ja letztendlich durch Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Trennmittel, Schutzgase in Chipstüten und so weiter Entzündungen im Körper richtig anfeuern.“ Wer stattdessen auf frisches, saisonales Obst und Gemüse aus der Region setze, gebe dem Körper die Nährstoffe, die er braucht. „Die Entzündungen im Körper lassen sich so herunterregulieren und die voranschreitende Erkrankung ausbremsen.“ Diessners Ziel: Operationen vermeiden.
Das hilft bei Gelenkschmerzen: Frauen in den Wechseljahren
Frauen in den Wechseljahren klagen oft über Gelenkschmerzen. „Man fragt sich da: Was ist Henne? Was ist Ei?“, sagt Diessner. Sind die Gelenkschmerzen ein typisches Symptom der Wechseljahre? Oder hatte man die Erkrankung schon vorher und während der Wechseljahre kommt sie mehr in den Blick, weil sich die Hormone verändern? Durch den Mangel an Östrogene nehme man zum Beispiel Schmerzen stärker wahr, so Diessner. Aber auch hier könne man in jedem Fall mit Lebensmitteln gegensteuern.
Dabei betont sie, dass es kein teures, sogenanntes Superfood sein muss. „Das ist im Prinzip eine Marketing-Schöpfung“, kritisiert Diessner. „Superfood ist gar nicht richtig definiert.“ Das Obst werde teils um den halben Globus geflogen. „Durch die langen Transportwege verlieren sie ihre Super-Eigenschaften.“ Hinzu kommt, dass sie oft mit Pestiziden besprüht werden. „Und das finden die Gelenke eben gar nicht super.“ Dann lieber auf heimische Helden setzen, wie Leinöl, dunkle Beeren, Haferflocken.
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Ebenfalls kritisch sieht sie eine strikte vegane Ernährung. Zwar sei es zum Beispiel bei Osteoporose ratsam, auf einen hohen Fleisch-, Milch- und Käsekonsum zu verzichten. Aber stattdessen zu einer veganen Frikadelle zu greifen, sei auch nicht sinnvoll. „Bei vermeintlich gesunden veganen Produkten ist die Liste an toxisch-chemischen Zusatzstoffen oft länger als die Packungsbeilage einer Paracetamol-Tablette.“ Dann doch lieber mal zum Dessert einen Magerquark anrühren, in dem vieles drinsteckt, was der Muskulatur und den Gelenken guttut. Und diesem Nachtisch noch eine Kirsche aufsetzen: „Studien konnten belegen, dass Kirschen einen antientzündlichen und gleichzeitig schmerzhemmenden Effekt bei Arthrose und Gicht haben.“
Wer es lieber deftig mag, schraubt ein Glas mit milchsauer eingelegtem Gemüse auf. Da freut sich der Darm – und mit ihm die Gelenke. Also: Statt zu einem Würstchen greife man lieber mal zu einem Gürkchen. Und legt sich dann entspannt zurück? Nein, gelenkschonende Bewegung sei natürlich auch wichtig, so Diessner. „Wenn wir uns nicht bewegen, dann würde unser Knorpel verhungern, weil er keine Möglichkeit hat, sich wie ein Schwamm vollzusaugen mit der nährstoffreichen Gelenkschmiere.“
Ernährung bei Gelenkproblemen umstellen: Hühnerbrust statt Schweineschnitzel
Der Wille ist da, und dann sitzt man vor seinem Teller mit Brokkoli und Blumenkohl und denkt: „Schlimm genug, dass ich Schmerzen habe, muss man mir jetzt auch noch das leckere Essen nehmen?“ Für einige mag die Ernährung recht freudlos klingen. „Nee, freudlos ist das überhaupt nicht“, widerspricht Diessner. Wer vermehrt zu Gemüse greife, merke ganz schnell, wie viel fitter er sich fühlt. Und das motiviere.
Aber wie fängt man an, wenn „SchniPo“ das Leibgericht ist? „Ich würde das Schnitzel gegen eine Hühnerbrust ersetzen“, rät Diessner. Und dazu schmecken statt Fritten auch „Rustikale Kartoffelrösti“ – ein Rezept aus Diessners Buch. Die Ärztin hat viele Wochenenden in ihrer Küche Rezepte ausprobiert, die frische Kräuter enthalten, und auch mal Kurkuma oder Kreuzkümmel, aber insgesamt recht bodenständig wirken: Mediterraner Nudelsalat und Kürbissuppe, Risotto mit Erbsen oder Pellkartoffeln mit Wildlachs und Frühlingsquark. „Die Zutaten lassen sich in jedem Supermarkt einkaufen.“
Die Fleisches-Lust kann das immer noch nicht trüben? Diessner betont: „Ich bin kein Verfechter der Askese.“ Wer sich am Tag zu 80 Prozent pflanzenbasiert ernähre, könne zu 20 Prozent auch mal über die Stränge schlagen.
Grünes Pesto: Ein Rezept aus dem Buch „Die beste Ernährung für schmerzfreie Gelenke“
glutenfrei – für 4 Personen
Zubereitungszeit: etwa 10 Minuten
Zutaten: 100 g Pinienkerne, 25 g frisches Basilikum, (etwa die Ernte eines Töpfchens), 70 g Pecorino oder Parmesan, 2 Knoblauchzehen, 5 EL kalt gepresstes Olivenöl, Salz & Pfeffer
- Pinienkerne in einer Pfanne ohne Fett rösten, bis sie bräunlich sind und schön duften. Kurz abkühlen lassen.
- In der Zwischenzeit Basilikumblätter, Käse und geschälte Knoblauchzehen in einen Mixer geben. Dann abgekühlte Kerne und Öl dazu und durchmixen, bis eine schöne grüne Masse entsteht. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und in ein Glas umfüllen.
- Tipp der Ärztin: Zum Abschluss etwas Olivenöl aufgießen, so bleibt das frische Pesto länger haltbar.
Das Buch
Meike Diessner: Die beste Ernährung für schmerzfreie Gelenke, Trias Verlag, 164 Seiten, 22,99 €
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