Monheim. Ein Jahrzehnt lang galt Monheim als schuldenfreie Vorzeigestadt. Das hat sich völlig geändert. Woran das liegt, kann man vor Ort sehen.
Der Nachmittag ist verregnet, die Laune ist es nicht. „Es wird öffentlich immer so getan, als entstehe hier ein Super-Luxusprojekt. Aber sieben Turnhallen brauchen wir allein für den Schulsport“, sagt Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann (41), als er das Richtfest für Europas einzige 8fach-Turnhalle eröffnet. Je vier Hallen auf zwei Ebenen unter einem Dach, tiefergelegt das Ganze, damit seine 19 Meter Höhe die kleine Stadt nicht verschatten. „Die achte Halle haben wir aus Symmetriegründen dazugenommen“, scherzt Zimmermann. Eine über den Durst. Wer hat, der hat.
Der Vorwurf der „Super-Luxusprojekte“ verfolgt die kleine Stadt am Rhein zwischen Düsseldorf und Köln jetzt schon seit längerem. Fußläufig kann man die laufenden Vorhaben abgehen, wenigstens die größeren: vom Richtfest der 8fach-Turnhalle zur ersten Erweiterung des neuen Einkaufszentrums, das in der Innenstadt in den Himmel wächst; zu der neuen Veranstaltungshalle mit 4800 Plätzen, über der sich die Baukräne drehen; zu dem See, der ein Yachthafen werden soll, wenn erst mal der dazu nötige Kanal zum Rhein gebaut ist. Mit etwas Glück kommt man dabei auch an dem künstlichen Geysir vorbei, mit dem der Ärger begann.
Kita und OGS sind beitragsfrei, der Nahverkehr ist gratis
Ziemlich viele ambitionierte Vorhaben für eine Stadt, die nicht viel mehr Einwohner hat als Datteln oder Haltern. Wie macht sie das? Daniel Zimmermann wurde Bürgermeister mit 27 Jahren und hat mit der Ratsmehrheit seiner jungen Partei „Peto“ (lateinisch, „Ich fordere“) in den 10er-Jahren systematisch die Gewerbesteuer auf den tiefsten Stand in NRW gesenkt. Wegen der niedrigen Steuern kamen viele Firmen in die Stadt - und mit ihnen Geld.
Viele andere Kommunen sehen daher noch heute Rot beim Thema Monheim, aber die andere Seite ist: Das „Institut der Deutschen Wirtschaft“ bescheinigt der Stadt „ausgezeichnete wirtschaftliche Bedingungen.“ Bester Standort in NRW. Für die Einwohner heißt das: Kita und OGS sind beitragsfrei, das City-Parkhaus ist in den ersten drei Stunden gratis, falls man nicht mit dem Nahverkehr gekommen sein sollte, der ebenfalls für Einheimische gratis ist. Die halbe Innenstadt ist neu, das Glasfaser-Netz in der ganzen Stadt fertig, und darüber wachsen die Bäume in den Himmel. Wie es scheint. Denn die zwischendurch erreichte Schuldenfreiheit ist vorbei.
Steuerzahlerbund: Alles wird zugleich gemacht „ungeachtet der Kosten“
Mit dem künstlichen Geysir in einem Kreisverkehr begann die Kritik an den Ausgaben der Stadt. Der kostete eine sechsstellige Summe und bricht seitdem nach jeweils 64 Stunden Sonnenschein aus. Weshalb sie, wenn das Wasser kommt, an einem Kreisverkehr die eigens dafür gebauten Ampeln einschalten müssen. Damit landete Monheim gleich zweimal, 2018 und 2020, im Schwarzbuch des NRW-Steuerzahlerbundes - und seitdem mit anderen Vorhaben jedes Jahr.
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„Wir haben den Eindruck, dass alles zugleich umgekrempelt, gebagggert, gebaut und zur Verfügung gestellt werden soll, ungeachtet der Kosten“, kritisiert der Bund der Steuerzahler: „Der unnötige Zeitdruck treibt die Stadt jetzt in eine extreme Verschuldung.“ 1,3 Milliarden Euro Schulden würden es bis 2027, rund 27.000 Euro pro Kopf. Zum Vergleich: Bei Siegburg, Spitzenreiter in NRW, liegt die aktuelle Verschuldung pro Kopf bei gut 12.000 Euro. Es fällt auch das Wort „Größenwahn“, wenn auch in vorsichtigster Form („kann den Eindruck erwecken, dass man dem Größenwahn zu verfallen droht“)..
„Die Kosten sind völlig unübersehbar“
Doch Bürgermeister Zimmermann rechnet anders: „1,2 Milliarden, wir tragen ja auch Schulden ab. Wenn die Stadt über die Finanzkraft verfügt, warum sollte sie etwas verschieben?“ Ein großer Teil der Verschuldung stamme aus dem Umbau der Innenstadt. Geschäfte, Hotel und Kino würden indirekt als Mieter bei der städtischen Tochtergesellschaft „Monheimer Einkaufszentrum GmbH“ diese Schulden abzahlen, ebenso indirekt die Mieter von mehreren hundert neuen Wohnungen der städtischen „Monheimer Wohnen GmbH“. Firmensitz beider GmbHs: das Rathaus.
Der 41-Jährige meint daher, dass der Steuerzahlerbund Monheim „auf dem Kieker hat“. Und zwar aus einem tieferen Grund: Weniger wegen der ausgesprochen regen und teuren Bautätigkeit, vielmehr wegen der ungewöhnlichen Ausdehnung städtischer Aktivität in die Bereiche Wohnen und Centermanagement sowie wegen der Rekommunalisierung der Stadtwerke. „Der Bund der Steuerzahler steht ja auf dem Standpunkt: So wenig Staat wie möglich.“
Auf deren jüngste Anfrage zum geplanten Bau eines riesigen Skateparks, der tauglich für Olympia sein soll, hat Daniel Zimmermann sarkastisch geantwortet: „Die Kosten sind völlig unübersehbar . . . Dass das in Monheim keine Rolle spielt, wissen Sie . . . Ich schlage Ihnen eine Eintragung ins Schwarzbuch für 2025 vor.“ Aus dem Fenster seines Dienstzimmers im Rathaus schaut man auf eine Freifläche, wo die Erweiterung der Erweiterung des neuen Einkaufszentrums entstehen soll. Und auf der anderen Seite des Rathauses? „Da ist es noch unverändert.“ Noch.